OGH 4Ob75/01k

OGH4Ob75/01k3.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Rudolf S*****,

2. Eva S*****, beide vertreten durch Mag. Johann Kaltenegger, Rechtsanwalt in Frohnleiten, wider die beklagte Partei Silvia W*****, vertreten durch Dr. Walter Ammann, Rechtsanwalt in Frohnleiten, wegen Räumung, infolge Revision der Kläger, gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 6. Dezember 2000, GZ 3

R 274/00m-14, mit dem infolge Berufung der Beklagten das Urteil des Bezirksgerichts Frohnleiten vom 25. Juni 2000, GZ 2 C 1434/99x-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger sind schuldig, der Beklagten die mit 3.573,50 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 595.58 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Zweitklägerin ist die Schwester der Beklagten; der Erstkläger ihr Schwager. Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, Grundbuch ***** P*****; diese Liegenschaft übergab die Mutter der Zweitklägerin und der Beklagten der Zweitklägerin mit Vertrag vom 15. 10. 1979. Gleichzeitig räumte die Zweitklägerin ihrer Mutter an der Wohnung im ersten Stock des auf der Liegenschaft befindlichen Hauses ein Wohnrecht ein. Die Wohnung ist rund 80 m**2 groß und besteht aus einem Wohnzimmer, einer Küche, einem Esszimmer, einem Vorraum und einem Schlafzimmer.

Bei Übergabe der Liegenschaft an die Zweitklägerin wohnten in der Wohnung die Mutter, der Bruder, die Beklagte und die Zweitklägerin selbst. Die Beklagte wohnt seit ihrer Geburt in dieser Wohnung. Bei Vertragsabschluss wurde über ein Mitbenützungsrecht der Geschwister der Zweitklägerin nicht gesprochen.

Die Mutter der Zweitklägerin und der Beklagten steht im 79. Lebensjahr. Sie hat bis vor zwei Jahren ihren Haushalt allein geführt. Seit dieser Zeit wäscht die Beklagte die Wäsche und staubt die Wohnungseinrichtung ab. Alle übrigen Arbeiten, wie Kochen, Heizen mit festen Brennstoffen, Reinigen der Böden und Gartenarbeiten, besorgt die Mutter selbst. Die Beklagte zahlt ihrer Mutter ein monatliches Kostgeld von 1.500 S; den Klägern zahlt sie für die Wohnung nichts.

Die Beklagte ist als Hilfsarbeiterin bei einem Unternehmen in G***** beschäftigt. Während der Woche nächtigt sie in der Wohnung ihrer Mutter, am Wochenende bei ihrem Lebensgefährten, sofern dieser nicht Nachtschicht hat.

Die Kläger begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, die im ersten Stock des Hauses P*****, gelegene Wohnung, bestehend aus einem Wohnzimmer, einer Küche, einem Esszimmer, einem Vorraum und einem Schlafzimmer im Ausmaß von rund 80 m**2 von ihren Fahrnissen zu räumen und den Klägern geräumt von ihren Fahrnissen zu übergeben. Die Beklagte benütze die Wohnung titellos; der Mutter stehe ein höchstpersönliches Wohnrecht zu. Sie sei nicht berechtigt, jemandem in die Wohnung aufzunehmen. Die Kläger hätten der Beklagten ein Mitbenützungsrecht auf jederzeitigen Widerruf eingeräumt. Aufgrund der Vorkommnisse in jüngerer Zeit hätten sie das Mitbenützungsrecht widerrufen.

Die Beklage beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Die Beklagte sei nicht passiv legitimiert. Die Kläger hätten 20 Jahre hindurch widerspruchslos zur Kenntnis genommen, dass die Beklagte in der Wohnung ihrer Mutter wohnte. Damit hätten sie schlüssig zugestimmt. Die Mutter wünsche, dass die Beklagte bei ihr wohnen bleibe und sie betreue.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Mutter stehe ein Wohnrecht an der Wohnung zu. Der Wohnungsberechtigte dürfe zwar aus gerechtfertigten Gründen Pflege- oder Dienstpersonen in die Wohnung aufnehmen; die Mutter sei aber noch in der Lage, ihren Haushalt selbst zu versorgen. Die Beklagte könne daher vom Wohnrecht ihrer Mutter kein Recht ableiten, die Wohnung zu benützen. Damit sei sie für den Räumungsanspruch passiv legitimiert.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Beklagte bewohne die Wohnung mit Zustimmung der Wohnungsberechtigten. Sie sei daher für die Räumungsklage nicht passiv legitimiert, ohne dass zu prüfen sei, ob die Mutter aufgrund des Wohnungsrechts berechtigt sei, die Beklagte in die Wohnung aufzunehmen.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Kläger ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Kläger bekämpfen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte nicht passiv legitimiert sei, weil sie die Wohnung mit Zustimmung der Wohnungsberechtigten benütze. Sie verweisen auf Kritik an der Rechtsprechung, wonach der Eigentümer den Dritten nicht direkt klagen könne, sondern gegen seinen Vertragspartner ein Verbot der Überlassung an Dritte erwirken müsse.

Nach ständiger Rechtsprechung kann der Eigentümer nur dann gegen den Dritten vorgehen, wenn sein Recht, jeden Dritten von der Benützung auszuschließen, weder durch einen Mietvertrag noch durch eine andere obligatorische Vereinbarung, aus der der Beklagte sein Recht unmittelbar ableitet, beschränkt ist. Solange ein das freie Eigentumsrecht beschränkendes Rechtsverhältnis aufrecht ist, kann der Eigentümer nicht unmittelbar gegen Personen mit Räumungsklage vorgehen, die ihr Benützungsrecht aus dem Recht seines Vertragspartners abzuleiten in der Lage sind und mit dessen Zustimmung das Objekt benützen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Vertragspartner des Eigentümers berechtigt war, die Sache dem Dritten zur Benützung zu überlassen. Begründet wird diese Auffassung damit, dass sich der Eigentümer durch das Vertragsverhältnis mit seinem Vertragspartner seines aus dem Eigentumsrecht hervorgehenden freien Verfügungsrechts begeben habe und sich daher nur an seinen Vertragspartner halten könne (SZ 7/15; EvBl 1955/376; SZ 35/74;

MietSlg 25.033; 41.008; 47.018; 48.016; 51.022; 51.023 uva;

gegenteilig MietSlg 7.796; JBl 1969, 276).

Die Lehre kritisiert, dass ein unmittelbarer Anspruch des Eigentümers gegen den Dritten verneint wird, auch wenn die Überlassung an den Dritten im Verhältnis zum Eigentümer nicht gestattet war. Die Kritik geht auf Wilburg (Die Abwehr unzulässiger Untermiete, ZBl 1936, 525 [530]) zurück, der darlegt, dass der Vermieter gegen einen Untermieter unmittelbar vorgehen könne, wenn der Mieter nicht berechtigt war, die Sache dem Untermieter zu überlassen. Nach Wilburg (aaO) wäre es weder begründet noch angemessen, wenn der Mieter durch sein rechtswidriges Handeln Rechte gegen den Eigentümer schaffen könnte und damit über den Gebrauch der Sache eine Verfügungsgewalt besäße, die sein vertragliches Dürfen überschreitet. Für F. Bydlinski (Der wissenschaftliche Weg Wilburgs, FS Wilburg [1965] 7 [15]) weist diese Arbeit Wilburgs zwingend nach, dass der Eigentümer gegen den Untermieter bei unzulässiger Untervermietung direkt einen Räumungsanspruch aus dem Eigentum geltend machen kann.

Spielbüchler (Der Dritte im Schuldverhältnis 206 ff; ebenso in Rummel, ABGB3 § 366 Rz 4) teilt diese Auffassung. Maßgeblich könne nur der Inhalt der Verfügung des Eigentümers sein und dieser ergebe sich aus dem Schuldverhältnis. Erst wenn nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses auch ein Dritter zur Innehabung "berechtigt" sein solle, sei zu dessen Gunsten über das Eigentum verfügt. Sei das nicht der Fall, so könne der Eigentümer die Herausgabe der Sache (die Räumung) ohne weiteres verlangen. Die Bedenken gegen die Rechtsprechung teilen auch Schwimann/Klicka (ABGB**2 § 366 Rz 11) und Koziol/Welser (Grundriss11 I 304).

Ob die Kritik an der ständigen Rechtsprechung berechtigt ist, braucht im vorliegenden Fall nicht abschließend geklärt zu werden. Auch nach der Lehre hat der Eigentümer keinen Räumungsanspruch gegen einen Dritten, dem der Vertragspartner des Eigentümers die Sache überlassen hat und nach seinem Vertragsverhältnis mit dem Eigentümer auch überlassen darf (Spielbüchler aaO mwN). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt:

Die Kläger haben der Mutter der Beklagten ein Wohnungsrecht eingeräumt. Die damit begründete Dienstbarkeit der Wohnung (§ 521 ABGB) gestattet es dem Berechtigten, die Wohnung für seine Bedürfnisse zu nutzen. Ob er einen Dritten in die Wohnung aufnehmen darf, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen und nur ohne räumliche Ausdehnung zulässig. In diesem Sinn ist die Aufnahme einer notwendigen Pflege- und Dienstperson erlaubt. Nimmt der Berechtigte einen Dritten ohne rechtfertigenden Grund in die Wohnung auf und widerspricht der Eigentümer dem jahrelang nicht, so kann darin eine schlüssige Zustimmung zu einer Erweiterung des Gebrauchsrechts liegen, wenn der Eigentümer nach dem Verhalten des Berechtigten annehmen muss, dass dieser ein Recht in Anspruch nimmt (Hofmann in Rummel, ABGB3 § 521 Rz 4 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen: Die Zweitklägerin hat die Liegenschaft von ihrer Mutter erhalten und dieser im Gegenzug ein Wohnrecht an der von der Mutter, der Zweitklägerin und ihren Geschwistern schon bisher benützten Wohnung eingeräumt. Bei Vertragsabschluss wurde über ein Mitbenützungsrecht der Geschwister der Zweitklägerin nicht gesprochen; die Zweitklägerin hat demnach auch nicht verlangt, dass und zu welchem Zeitpunkt ihre Geschwister ausziehen müssten. Ebensowenig wurde sie von ihrer Mutter ersucht, einer Mitbenützung der Wohnung durch ihre Geschwister zuzustimmen. Sie musste daraus ersehen, dass ihre Mutter als ehemalige Liegenschaftseigentümerin, die die Liegenschaft einem ihrer Kinder übergeben hatte, davon ausging, berechtigt zu sein, ein anderes Kind bei sich wohnen zu lassen. Die Kläger haben sich auch 20 Jahre hindurch nicht dagegen ausgesprochen, dass die Beklagte bei der Mutter wohnte.

Dazu kommt, dass die Beklagte schon jetzt ihre Mutter unterstützt und dass diese angesichts ihres Alters aller Wahrscheinlichkeit nach in steigendem Maß auf die Hilfe ihrer Tochter angewiesen sein wird. Selbst wenn daher die Kläger einer Mitbenützung der Wohnung durch die Beklagte nicht schlüssig zugestimmt hätten, wäre die Mutter berechtigt, die Beklagte bei sich wohnen zu lassen. Zur Aufnahme einer Pflege- oder Dienstperson ist der Berechtigte nicht erst dann befugt, wenn er sich nicht mehr selbst versorgen kann, sondern schon dann, wenn er bloß in Teilbereichen auf Hilfe angewiesen ist.

Das Berufungsgericht hat daher im Ergebnis zu Recht den Räumungsanspruch der Kläger verneint. Die Revision musste erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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