OGH 2Ob56/01a

OGH2Ob56/01a22.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Dr. Hoch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Anita E*****, vertreten durch Dr. Helmut Klement und Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwälte in Graz, wider den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Heinz E*****, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wegen einstweiligen Unterhalts, infolge Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 27. Dezember 2000, GZ 2 R 378/00y-33, womit infolge Rekurses des Gegners der gefährdeten Partei die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 20. Oktober 1999, GZ 35 C 18/99g-28, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher dem Gegner der gefährdeten Partei aufgetragen werden solle, vom 1. September 1999 bis einschließlich August 2000 einen einstweiligen monatlichen Unterhalt von S 9.000 an die gefährdete Partei zu bezahlen, abgewiesen wird.

Die gefährdete Partei ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit S 12.170,88 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 2.028,48, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die gefährdete Partei ist weiters schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit S 14.872,32 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 2.478,72, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt vom Beklagten bei aufrechter Ehe die Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 10.000 ab 1. 2. 1999. Mit der Klage war der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung über einen vorläufigen monatlichen Unterhalt von S 10.000 ab 1. 2. 1999 verbunden.

Nach Fällung eines Teilanerkenntnisurteiles über einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 9.000 bis einschließlich August 1999 wurde der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung zurückgezogen.

Am 27. 8. 1999 langte beim Erstgericht ein neuerlicher Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung über einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 9.000 ab 1. 9. 1999 ein. Die Klägerin brachte dazu vor, es sei ihr ein weiterer Karenzurlaub unter Entfall der Bezüge bis 31. 8. 2000 genehmigt worden. Der Beklagte verweigere die Bezahlung eines Geldunterhaltes mit der Begründung, die Klägerin hätte ab 1. 9. 1999 vereinbarungsgemäß wieder ihre Berufstätigkeit aufnehmen sollen.

Der Beklagte brachte in seiner Äußerung vor, die Klägerin sei eigenmächtig von der vereinbarten Lebensgestaltung abgegangen, die Inanspruchnahme eines weiteren Karenzurlaubes stelle einen Rechtsmissbrauch dar.

Das Erstgericht verpflichtete daraufhin den Beklagten zur Zahlung eines einstweiligen Unterhaltes von S 9.000 ab 1. 9. 1999.

Dem dagegen vom Beklagten erhobenen Rekurs wurde Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Im fortgesetzten Verfahren brachte der Beklagte vor, aus Gründen prozessualer Vorsicht einen Unterhaltsbeitrag von monatlich S 9.000 jeweils im Vorhinein geleistet zu haben, weshalb keine Unterhaltsverletzung vorliege; er habe weder zur Klage noch zur beantragten einstweiligen Verfügung Anlass gegeben.

Nach Verfahrensergänzung erließ das Erstgericht neuerlich eine einstweilige Verfügung mit welcher es den Beklagten verpflichtete, ab 1. 9. 1999 bis einschließlich August 2000 einen einstweiligen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 9.000 zu bezahlen.

Dabei wurden im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Die Streitteile leben in aufrechter Ehe; dieser entstammen zwei Kinder. Die Lebensgemeinschaft ist seit 30. oder 31. 1. 1999 aufgehoben. Die Klägerin war bis zum Beginn der Karenzzeit für ihr erstes Kind als Vertragbedienstete beschäftigt; es wurde ihr ein weiterer Urlaub unter Entfall der Bezüge bis zum 31. 8. 2000 gewährt. In der Vergangenheit hat es zwischen den Streitteilen Gespräche gegeben, wonach die Klägerin ihre Arbeit wieder aufnimmt, wenn das zweitgeborene Kind das dritte Lebensjahr erreicht. Der Beklagte hat seit seinem Auszug aus der Ehewohnung auf Anraten seines Rechtsanwaltes einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 9.000 an die Klägerin bezahlt. Einer Aufforderung der Klägerin, bis zum 26. 8. 1999 schriftlich anzuerkennen, weiterhin, beginnend mit 1. 9. 1999, S 9.000 monatlich als Unterhaltsbeitrag zu bezahlen, kam der Beklagte nicht nach.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass der Beklagte die Vereinbarung über die weitere Lebensgestaltung nicht als verbindlich von der Klägerin einfordere. Die für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung notwendigen Voraussetzungen seien gegeben. Wenngleich der Beklagte regelmäßig den monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 9.000 bezahlt habe, sei eine einstweilige Verfügung zu erlassen, weil der Klägerin nicht zugemutet werden könne, auf den guten Willen des Beklagten zu hoffen.

Das vom Beklagten angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Rekursgericht die Ansicht, die gerichtliche Festsetzung der künftig zu erbringenden Unterhaltsleistung habe auch schon bei einer drohenden Unterhaltsverletzung zu erfolgen, etwa wenn der Ehemann die Weitererbringung von Unterhaltsleistungen in Zweifel ziehe oder die Verwirkung des Unterhaltsanspruches behaupte. Im vorliegenden Fall könne die Weigerung des Beklagten, sich über den August 1999 hinaus zur begehrten Unterhaltsleistung zu verpflichten, nur so verstanden werden, dass die Weitererbringung der Unterhaltsleistungen zumindest zweifelhaft sei. Es liege daher eine drohende Unterhaltsverletzung vor, die den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung rechtfertige. Auch der Umstand, dass einstweiliger Unterhalt nicht für die Vergangenheit gewährt werde, spreche für die Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung. Da eine bereits unterlaufene Unterhaltsverletzung nicht dadurch beseitigt werde, dass der Unterhaltspflichtige nach dem Antrag auf einstweilige Verfügung seiner Unterhaltspflicht wieder nachkomme, sei davon auszugehen, dass auch die tatsächlichen Zahlungen des Beklagten bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Erstgericht diese nicht beseitigten.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, auf welchen Zeitpunkt bei Beurteilung des Vorliegens einer Unterhaltsverletzung abzustellen sei oder ob die Androhung der Nichtzahlung bei nachfolgender Zahlung genüge, eine solche zu begründen, nicht vorliege.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im antragsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin hat sich am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Der Beklagte macht in seinem Rechtsmittel geltend, seine Unterhaltspflicht nicht verletzt zu haben. Es fehle der Klägerin an einem Rechtsschutzinteresse, weshalb eine einstweilige Verfügung nicht erlassen werden könne.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO kann einstweiliger Unterhalt für einen Ehegatten im Zusammenhang mit einem Unterhaltsprozess oder einem Eheverfahren begehrt werden. Eine derartige Unterhaltsverfügung bedarf nicht der Bescheinigung einer Gefährdung nach § 381 EO (JBl 1963, 159; Kodek in Angst, KommzEO, Rz 40 zu § 382 mwN). Damit ist aber von einer Gefährdung als sachlicher Voraussetzung der Unterhaltsverfügung nicht gänzlich abgesehen, sondern es wird ein spezifischer Nachteil für die Person des Antragstellers verlangt. Dieser liegt darin, dass die Lebenshaltung gefährdet ist, weil die rechtmäßig zustehenden Unterhaltsleistungen nicht ordnungsgemäß erbracht werden (Konecny, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung, 224). Diese Beeinträchtigung droht aber erst, wenn Unterhaltspflichten verletzt werden; Voraussetzung für die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO ist daher die Verletzung der Unterhaltspflicht im Antragszeitpunkt oder doch zumindest bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag (Konecny, aaO, 224; Kodek, aaO, Rz 39 zu § 382 mwN; Zechner, Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung, Rz 8 zu § 382 [S 157]; Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht**2, Rz 501; Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren**2, Rz 910). Eine derartige Unterhaltsverletzung ist im vorliegenden Fall dem Beklagten aber nicht anzulasten. Auch seine Weigerung, seine Unterhaltsverpflichtung über den 30. 8. 1999 hinaus anzuerkennen, rechtfertigt nicht die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Es kann von ihm nicht verlangt werden, seine Unterhaltsverpflichtung trotz regelmäßiger Erbringung von Unterhaltsleistungen auch noch ausdrücklich anzuerkennen, nur um die Schaffung eines Exekutionstitels zu verhindern.

Es war daher dem Revisionsrekurs stattzugeben und der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 EO. Wird der Sicherungsantrag abgewiesen, so sind dem Gegner die Kosten der notwendigen Rechtsverteidigung bereits im Provisorialverfahren zuzuerkennen (Zechner, aaO, Rz 2 zu § 393 mwN).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte