OGH 10ObS49/01f

OGH10ObS49/01f20.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Waltraud Bauer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karoline K*****, Pensionistin, ***** vertreten durch DDr. Rene Laurer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, wegen Pflegegeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. November 2000, GZ 7 Rs 177/00a-28, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17. Februar 2000, GZ 33 Cgs 242/98i-20, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Nach Ablehnung des Antrages der Klägerin vom 16. 7. 1998 auf Gewährung von Pflegegeld mit Bescheid der Beklagten vom 30. 9. 1998 begehrt sie mit der Klage Pflegegeld der Stufe 1/Stufe 2.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht stellte im Wesentlichen fest:

Seit Antragstellung ist die Klägerin in der Lage, sich verlangsamt aus- und anzuziehen, sich zu waschen, die Toilette aufzusuchen, die Heizung zu bedienen, ihre Diätmahlzeiten zuzubereiten und zu sich zu nehmen sowie die Medikamente einzunehmen. Nicht möglich ist ihr die Reinigung der Wohnung, die Pflege der Wäsche, das Herbeischaffen von Lebensmitteln. Mobilitätshilfe im weiteren Sinne ist erforderlich. Aufgrund einer Unterschenkelamputation links am 18. 6. 1999 benötigte die Klägerin zusätzlich bei der Zubereitung einer ordentlich gekochten Hauptmahlzeit im Sinne einer ordentlichen Hausmannskost Betreuung. Durch Gewöhnung und Zunahme der Belastbarkeit des Stumpfes ist mit einer Besserung des Gesundheitszustandes ca in Jahresfrist zu rechnen.

Das Erstgericht sprach der Klägerin Pflegegeld der Stufe 1 ab 1. 7. 1999 bis 30. 6. 2000 zu und wies das Mehrbegehren auf Pflegegeld der Stufe 2 ab 1. 8. 1998 ab.

Unter Berücksichtigung der in der Einstufungsverordnung zum BPGG angeführten Zeitwerte ergebe sich erst ab der Unterschenkelamputation vom 18. 6. 1999 ein Pflegebedarf von 70 Stunden, während bis dahin der für die Stufe 1 erforderliche Betreuungs- und Hilfeaufwand von über 50 Stunden nicht erreicht werde. Demgemäß sei Pflegegeld der Stufe 1 ab dem Monatsersten, der auf das Ereignis folge, sohin ab 1. 7. 1999 zuzuerkennen. Im Hinblick auf die zu erwartende Besserung sei die Leistung befristet zu gewähren.

Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der Klägerin den Zuspruch von Pflegegeld der Stufe 1 ab 1. 7. 1999 bis 30. 6. 2000, gab der Berufung im Übrigen Folge und hob das erstgerichtliche Urteil im Umfang der Abweisung des Begehrens auf Pflegegeld der Stufe 2 ab 1. 8. 1998 auf und verwies die Sozialrechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung.

Ein Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluss unterblieb.

Das Berufungsgericht hielt es für notwendig, die Auswirkungen eines Krankenhausaufenthaltes der Klägerin zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz bzw das diesen bedingenden Ursachen auf den Betreuungs- und Hilfebedarf zu überprüfen, zumal gerade der Endzeitpunkt Juni 2000 davon betroffen sein könnte. Die Notwendigkeit der Betreuung bei der Zubereitung von Mahlzeiten bis zur Unterschenkeloperation sei nicht gegeben. Der Pflegegeldanspruch bestehe ab 1. 7. 1999 bis zum 30. 6. 2000 in Höhe der Stufe 1. Eine Vorverlegung des Anspruches auf den Beginn des Monats der Unterschenkelamputation sei nicht vorzunehmen, weil Pflegegeld erst ab Beginn des der wesentlichen Verschlechterung folgenden Monatsersten zustehe. Im Übrigen teilte das Berufungsgericht nicht die Bedenken der Klägerin in verfassungsrechtlicher Hinsicht, dass die in der Einstufungsverordnung vorgegebenen Pauschalierungsregelungen das rechtsstaatliche Prinzip verletzen. Eine formalgesetzliche Delegation liege nicht vor.

Gegen den "bestätigenden Teil" der berufungsgerichtlichen Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, sie dahingehend abzuändern, dass im Sinne des in der Berufung gestellten Antrages (= Zuerkennung des Pflegegeldes der Stufe 2) erkannt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin regt auch an, die Einstufungsverordnung zum BPGG wegen Verstoßes gegen Art 18 Abs 2 B-VG anzufechten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Das Erstgericht erkannte der Klägerin in Punkt 1 des Spruches seines Urteiles Pflegegeld der Stufe 1 für die Zeit vom 1. 7. 1999 bis 30. 6. 2000 zu. Das Berufungsgericht sprach in Punkt I seiner Entscheidung aus, dass der Berufung, soweit sie sich gegen Punkt 1. des erstgerichtlichen Urteiles richte, nicht Folge gegeben, und dieses insoweit bestätigt werde; im Übrigen hob es in Stattgebung der Berufung das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur Ergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Es könnte nun fraglich erscheinen, ob diese Fassung des Spruches dem Entscheidungswillen des Berufungsgerichtes entsprach. In dem Umfang, in dem das Ersturteil vom Berufungsgericht bestätigt wurde (Zuerkennung des Pflegegeldes der Stufe 1 für den oben angeführten Zeitraum), war dieses Urteil gar nicht angefochten und es bestand daher keine Entscheidungskompetenz des Berufungsgerichtes, so dass der Punkt I des Spruches des berufungsgerichtlichen Urteiles schon aus diesem Grund verfehlt ist; der Zuspruch von Pflegegeld für die Zeit vom 1. 7. 1999 bis 30. 6. 2000 war bereits in Rechtskraft erwachsen. Die in der neuerlichen Entscheidung über den bereits rechtskräftig erledigten Teil des Klagebegehrens gelegene Nichtigkeit kann aber vom Obersten Gerichtshof nicht mehr aufgegriffen werden, weil dieser Anspruchsteil nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist.

Wenn sich auch aus den Ausführungen zur Begründung zu ergeben scheint, dass das Berufungsgericht die Abweisung des Begehrens auf Pflegegeld für die Zeit bis 30. 6. 1999 sowie die Abweisung eines die Stufe 1 übersteigenden Pflegegeldes bis 30. 6. 2000 für zutreffend erachtete, ändert dies nichts daran, dass nach dem Spruch der berufungsgerichtlichen Entscheidung nur über die Zuerkennung von Pflegegeld der Stufe 1 für die Zeit vom 1. 7. 1999 bis 30. 6. 2000 endgültig entschieden, hinsichtlich aller anderen geltend gemachten Ansprüche (Begehren auf Pflegegeld für die Zeit bis 30. 6. 1999, eines die Stufe 1 übersteigenden Pflegegeldes für die Zeit vom 1. 7. 1999 bis 30. 6. 2000 sowie Pflegegeld der Stufe 2 ab 1. 7. 2000) das Urteil des Erstgerichtes aber aufgehoben wurde; das Berufungsgericht hat diesbezüglich teilweise seine Rechtsansicht geäußert, hierüber aber inhaltlich nicht entschieden.

Der den Gegenstand der Revision bildende Teil des Begehrens ist zur Gänze von der aufhebenden Entscheidung des Berufungsgerichtes umfasst, die Ausführungen des Rechtsmittels beziehen sich ausschließlich auf Ansprüche, die nach dem Inhalt der angefochtenen Entscheidung Gegenstand der vom Erstgericht nach Verfahrensergänzung neu zu treffenden Entscheidung sein werden. Da das Berufungsgericht einen Ausspruch im Sinne des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO (Zulassung des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluss) in seine Entscheidung nicht aufgenommen hat, unterliegt diese Entscheidung nicht der Anfechtung; das erhobene Rechtsmittel ist daher unzulässig.

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