OGH 13Os25/01

OGH13Os25/017.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. März 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Mann als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Heinz Siegfried H***** wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 5. September 2000, GZ 23 Vr 3325/99-99, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen - also auch in der Vorhaftanrechnung und im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche - unberührt bleibt, in der Subsumtion der gefährlichen Drohung auch nach § 107 Abs 2 StGB (III) sowie in jener des Diebstahls (IV) unter die Verbrechensqualifikation nach § 130 erster Fall StGB, demnach auch im Strafausspruch, aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die durch seine erfolglose Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Zur Entscheidung über die gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche ergriffene Berufung sind die Akten dem Oberlandesgericht Graz zuzuleiten.

Text

Gründe:

Heinz Siegfried H***** wurde der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (I), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (III) sowie des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er

I) am 24. September 1999 in Graz, Elke Elisabeth M***** mit Gewalt

dazu genötigt, Telefongespräche mit ihrem geschiedenen Gatten und der Polizei zu unterlassen, indem er sie an den Haaren riss und ihr das Handy unter Krafteinsatz wegnahm;

II) am 24. September 1999 in Graz Elke Elisabeth M***** durch Faustschläge, welche Rötungen im Gesicht und an beiden Armen sowie eine starke Schwellung der rechten Gesichtshälfte nach sich zogen, am Körper verletzt;

III) am 24. September 1999 in Graz Elke Elisabeth M***** durch die Äußerung: "Du Schwein, ich bringe Dich um!" mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

IV) in Graz und Linz durch Behebung von Bargeld mit der ihm übergebenen Bankomatkarte der Elke Elisabeth M***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch wiederkehrenden Diebstahl eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, am 6., 7. und 11. Oktober 1999 insgesamt 8.200 S weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die aus Z 3, 4 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

In der Hauptverhandlung wurden trotz Verwahrung des Beschwerdeführers mehrere amtliche Schriftstücke, in denen Aussagen der nicht erschienenen Elke Elisabeth M***** vor Polizei und Untersuchungsrichter festgehalten worden waren, verlesen (AS 481). Die Aussagenichtigkeit infolge Missachtung der Belehrungspflicht nach § 152 Abs 5 StPO behauptende Verfahrensrüge (nominell Z 3, der Sache nach Z 2) übersieht einerseits, dass nach stRsp nur gerichtliche Akte von Z 2 erfasst werden (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 2 E 4) und erweist sich andererseits in Hinsicht auf die gerichtliche Vernehmung der Zeugin (ON 8) als unschlüssig . Zwecks Untermauerung einer angeblich bestehenden Lebensgemeinschaft zwischen dem Angeklagten und der Zeugin beruft sie sich nämlich neben bloßen Absichtserklärungen der Zeugin über eine künftig geplante "nähere Verbindung" zu H***** (vgl AS 21 in ON 65), dem Umstand, dass H***** "gut eine Woche" vor dem 24. September 1999 bei M*****gewohnt, mit ihr geschlechtlich verkehrt, in dieser Zeit auch deren Kinder in den Kindergarten gebracht und ihre Bankomatkarte erhalten habe, just auf die am 28. September 1999 (AS 53 in ON 65) von M***** gewählte Bezeichnung H***** als "Ex-Lebensgefährten" und deren Äußerung gegenüber einem Polizeibeamten vom 5. Oktober 1999 (AS 61/I), dieser könne "die Trennung nicht verkraften" und übersieht solcherart, selbst unter der Annahme einer vor dem 13. Jänner 2000 bestandenen Lebensgemeinschaft, dass diese jedenfalls nach der vom Beschwerdeführer gar nicht bestrittenen persönlichen Entscheidung der Zeugin im Zeitpunkt ihrer gerichtlichen Abhörung bereits aufgehoben war (vgl Jerabek in WK2 § 72 Rz 18). Die Zeugin hatte im Übrigen gleich eingangs ihrer Vernehmung durch den Untersuchungsrichter eine Lebensgemeinschaft mit dem Angeklagten ausdrücklich verneint (s S 86/I; s auch US 4).

Auch wenn man unterstellt, dass der Angeklagte in der neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 5. September 2000 einen mit dem Schreiben vom 21. Juli 2000 inhaltsgleichen Antrag auf Vernehmung von Daniel R***** und Christiane Ra***** prozessförmig gestellt hat (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 1), hätte das aus dem Schreiben ersichtliche Antragsziel, nämlich zu erweisen, dass M*****vor dem 24. September 1999 geplant habe, H***** zu heiraten, zur Frage einer zu den Tatzeiten bestehenden Lebensgemeinschaft keine Aussagekraft besessen. Dazu kommt, dass nach dem Inhalt des Schreibens ohnehin nur die Glaubwürdigkeit der Zeugin - welche ihr das Schöffengericht zudem weitgehend versagt hat (vgl US 10 f) - hätte erschüttert werden sollen (vgl AS 418). Vom Antrag abweichendes Rechtsmittelvorbringen aber ist unbeachtlich (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 41).

Die - überdies eine zur Strafverfolgung wegen gefährlicher Drohung erteilte Ermächtigung (AS 29 in ON 65) negierende - Rechtsrüge (Z 9 lit b zu III und IV) missachtet prozessordnungswidrig die tatsächliche Feststellung des Erstgerichtes, wonach zu den Tatzeiten keine auf Dauer ausgerichtete Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft bestanden hat (US 7).

Aus Anlass der damit bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisenden Nichtigkeitsbeschwerde (§ 285d Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO) hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch von mehrfacher Nichtigkeit des angefochtenen Urteils überzeugt (§ 290 Abs 1 zweiter Satz [§ 281 Abs 1 Z 10] StPO). Die Unterstellung der zu III genannten Tat auch unter § 107 Abs 2 StGB entbehrt nämlich einer tatsächlichen Grundlage, weil das Urteil keine Feststellung (s insb US 8) enthält, dass der Angeklagte den Sinngehalt vermitteln wollte, mit dem Tod zu drohen. Der bloße Wortlaut der Äußerung ("Du Schwein, ich bringe dich um!") reicht dafür nicht (vgl Schwaighofer in WK2 § 106 Rz 2 f).

Zudem genügt für das Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB nicht jeder "Vorsatz", sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Gefordert ist vielmehr eine darauf gerichtete Absicht nach § 5 Abs 2 StGB (vgl § 70 StGB) die im Urteil einer entsprechenden Feststellung entbehrt.

Über die (nicht ausgeführte) Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche (die sich auf die unberührten Schuldsprüche I und II gründen) hat das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden (§ 285i StPO). Vorerst werden die Akten jedoch (im Hinblick auf § 193 Abs 1 StPO) an das Landesgericht rückgeleitet, welches im Rahmen der Verfahrenserneuerung auch entsprechend der Vorschrift des § 294 Abs 2 letzter Satz StPO vorgehen kann.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet auf § 390a StPO.

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