OGH 14Os5/01

OGH14Os5/0127.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Feber 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gottweis als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jürgen E***** wegen des Verbrechens nach § 3 g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wr. Neustadt vom 25. Oktober 2000, GZ 36 Vr 20/00-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Forsthuber zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Monate angehoben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der Angeklagte Jürgen E***** des Vergehens der Verhetzung nach § 283 "Abs 1 und" Abs 2 StGB schuldig erkannt. Diesem Schuldspruch zufolge hat er am 2. Dezember 1999 in Wiener Neustadt, indem er am 1. Dezember 1999 ein Flugblatt mit nachstehendem Inhalt verfasste und dieses am 2. Dezember 1999 an der Pin-Wand eines Klassenzimmers in der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in Wiener Neustadt anbrachte, öffentlich "in einer die Menschenwürde verletzenden Weise" gegen eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgemeinschaft oder eine durch ihre Zugehörigkeit zu einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgemeinschaft, zu einer Rasse, zu einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat bestimmte Gruppe von Menschen öffentlich gehetzt und sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft und verächtlich zu machen gesucht:

"Revolution Steinfelden (Verein rechtsradikaler Nationalisten Tattendorf, Blumau, Teesdorf, Günselsdorf)

Wir sagen Ausländern den bewaffneten Kampf an!

Wollt ihr in Discotheken keine gebogenen Nasen, und nach Knoblauch

stinkende Arschgesichter mehr sehen?

Wollt ihr endlich wieder nur deutsche Sprache in Österreich hören? Wollt ihr keine türkischen Kopftücher mehr in Österreich sehen? Seid ihr gegen gemischtrassige Kinder und könnt ihr keine türkischen schwarzhaarigen Mädchen mehr sehen? (Vergewaltigt sie gleich am besten und bringt sie um);

Bringt die türkische Rasse um, wie es Hitler mit den Juden tat!!!! Kämpft gegen die kapitalistische Gesellschaft und haut die Ausländer raus aus Österreich.

Kämpft gegen die Amerikanisierung.

Wir sind Rechte und Faschisten.

Wir haben Glatzen und sind Rassisten.

Moral und Herz besitzen wir nicht.

Hass und Gewalt zeichnen unser Gesicht.

Wir lieben den Krieg und die Gewalt, und stellst du dich gegen uns,

machen wir dich kalt.

Kampf dem Islam

Rache für Heß

Kanaken mögen wird nicht -

Wir scheißen den Türken ins Gesicht!"

Die Geschworenen haben die an sie gerichtete Hauptfrage (I./) in Richtung des Verbrechens nach § 3 g VerbotsG (im Verhältnis von 6:2 Stimmen) verneint und die Eventualfrage (II./) nach dem Vergehen der Verhetzung nach § 283 "Abs 1 und" Abs 2 StGB (mit 6:2 Stimmen) bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Den hierauf gegründeten Schuldspruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch in keinem Punkt Berechtigung zukommt.

Den Ausführungen in der Instruktionsrüge (Z 8) ist zu erwidern, dass die bemängelte Passage der Rechtsbelehrung zur Hauptfrage nach § 3 g VerbotsG, wonach die Unterstellung von Tathandlungen unter die betreffende Bestimmung die "Absicht" voraussetzt, die Ziele des Nationalsozialismus zu neuem Leben zu erwecken, in den Darlegungen zur erforderlichen Handlungstendenz und damit zur objektiven Tatseite enthalten ist, und dass in diesem Zusammenhang auf den strafrechtlichen Absichtsbegriff gar nicht eingegangen wird. Die betreffende Passage ist nämlich in Erläuterungen eingebettet, die insgesamt nur die in objektiver Hinsicht erforderlichen Tatbestandsmerkmale klarlegen und verdeutlichen. Dabei wird insbesondere auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass § 3 g VerbotsG nach Art einer Generalklausel jedes nicht unter die §§ 3 a bis 3 f VerbotsG fallende Verhalten erfasst, das eine auf Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinn hinweisende Tendenz erkennen lässt (S 243 bis 255).

Die Ausführungen zur inneren Tatseite des § 3 g VerbotsG sind dagegen einem gesonderten Abschnitt der Belehrung vorbehalten (S 255 bis 259). Dieser enthält zunächst den Hinweis, dass für die gegenständliche Tatbildverwirklichung bedingter Vorsatz genügt, worauf diese Vorsatzform rechtsrichtig umschrieben und schließlich ebenso zutreffend ausdrücklich klargestellt wird, dass ein über die Verwirklichung des Tatbildes hinausreichender, im Sinn einer überschießenden Innentendenz erweiterter Vorsatz nicht erforderlich ist, sondern in subjektiver Hinsicht vielmehr schon bedingtes Wollen genügt, sich im Sinne auch nur eines der typischen Ziele des Nationalsozialismus zu betätigen.

Da damit neben dem tatbildmäßigen Handlungsziel auch die subjektiven Tatbestandserfordernisse sowohl zutreffend als auch unmissverständlich erklärt werden und die Rechtsbelehrung von den Geschworenen als Ganzes zur Kenntnis zu nehmen ist, kommt dem Umstand, dass sich der Vorsitzende in seiner Rechtsbelehrung im vorangeführten Zusammenhang durch den Gebrauch des strafgesetzlichen Terminus der "Absicht" (§ 5 Abs 2 StGB) einer wegen der Diskrepanz zwischen Gesetzessprache und Umgangssprache problematischen Wortwahl bedient hat, nach Lage des Falles keine ausschlaggebende Bedeutung zu, weil es nicht auf ein einzelnes verwendetes Wort, sondern nur auf den (nach dem Gesagten zutreffenden) Sinngehalt der Rechtsbelehrung insgesamt ankommt (vgl Mayerhofer, StPO4, § 345 Abs 1 Z 8, E 49a und 50) und auszuschließen ist, dass die Geschworenen dadurch bei ihrer Wahrheitsfindung beirrt werden konnten.

Die Subsumtionsrüge (Z 12), mit der die Unterstellung des Inhalts des vorliegenden Flugblattes unter den Verbrechenstatbestand des § 3 g VerbotsG statt der von den Geschworenen in ihrem Wahrspruch (durch ihre Beantwortung der Eventualfrage II) vorgenommenen Tatbeurteilung in Richtung des Vergehens nach § 283 "Abs 1 und" Abs 2 StGB angestrebt wird, ist nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Entsprechend dem Wesen der materiellen Nichtigkeitsgründe im geschworenengerichtlichen Verfahren kann die Behauptung einer Rechtsfehlerhaftigkeit nur aus dem Wahrspruch selbst abgeleitet werden. Haben die Geschworenen Deliktsmerkmale verneint, ist eine Anfechtung aus dem geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrund ausgeschlossen. Gegenständlich wurde von den Geschworenen das Vorliegen der subjektiven Tatseite des § 3 g VerbotsG durch eine negative Beantwortung der auf diese Straftat abzielenden Hauptfrage verneint und stattdessen eine strafbare Handlung im Sinne des § 283 Abs 2 StGB als erwiesen angenommen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 283 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG eine Freiheitsstrafe von drei Monaten, die es gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Dabei wertete es keinen Umstand als erschwerend; als mildernd berücksichtigte es das Geständnis und die bisherige gerichtliche Unbescholtenheit des Angeklagten.

Diesen Strafausspruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit Berufung, in der sie mit Recht eine Anhebung der Freiheitsstrafe anstrebt. Zutreffend wurde zwar vom Schöffengericht das Geständnis des Angeklagten als Milderungsumstand berücksichtigt, der an die Seite des bisher untadeligen Lebenwandels des Genannten tritt. Dessen ungeachtet wird jedoch die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe dem Ausmaß der Tatbestandsverwirklichung nicht gerecht. Es bedurfte vielmehr - unter Beibehaltung der schon bisher gewährten bedingten Strafnachsicht - einer Anhebung der Freiheitsstrafe auf ein schuldadäquates Maß von sechs Monaten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

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