OGH 12Os5/01

OGH12Os5/0115.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Februar 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtswärterin Mag. Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ferdinand M***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wider das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 31. Juli 2000, AZ 23 Vr 1510/99-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, und des Verteidiger Dr. Mayrhofer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 31. Juli 2000, GZ 23 Vr 1510/99-19, verletzt in den Punkten IV/B/2. und 3. des Schuldspruchs das Gesetz im § 105 Abs 1 StGB. Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der zu den Punkten IV/B/2. und 3. des Urteilssatzes beschriebenen Handlungen (auch) als Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben.

Zur Strafneubemessung wird das Verfahren an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit - im Strafausspruch nicht rechtskräftigem - Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 31. Juli 2000, GZ 23 Vr 1510/99-19, wurde Ferdinand M***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Umündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (II), der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (III), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (IV) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (V) schuldig erkannt.

Nach den für die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes allein relevanten Schuldsprüchen hat er - verkürzt wiedergegeben - am 30. Jänner 2000 in Ludesch seine geschiedene Gattin Eveline M***** (zu III) widerrechtlich in seiner Wohnung ca eine Stunde lang gefangen gehalten und sie (zu IV/B) vor (1.), während (2.) und anlässlich (3.) der zu III beschriebenen Tat mit Gewalt zu Unterlassungen, nämlich dazu, nicht mehr zu schreien (1.), von weiteren Hilferufen Abstand zu nehmen (2.) und einen Fluchtversuch abzubrechen (3.), genötigt.

Nach den hiefür wesentlichen Urteilsfeststellungen misshandelte Ferdinand M***** am 30. Jänner 2000 im Zuge einer Auseinandersetzung seine geschiedene Gattin und hielt ihr, als sie zu schreien begann, den Mund zu. Als die Frau in der Folge seine Wohnung verlassen wollte, schloss er die Türe ab, um sie am Verlassen der Wohnung zu hindern und solcherart seinen Zorn über ihr zur Scheidung führendes Verhalten abzureagieren (US 9 und 10). Während der etwa eine Stunde lang andauernden Freiheitsentziehung packte er Eveline M*****, als diese ein Fenster öffnete und um Hilfe rief, an den Haaren und zerrte sie zu Boden, um sie an weiteren Hilferufen zu hindern. Nachdem er den Schlüssel wieder ins Türschloss gesteckt hatte, verhinderte der Angeklagte schließlich einen Fluchtversuch der Frau, indem er sie neuerlich an den Haaren packte, sie festhielt und äußerte: "Du bleibst da! Ich bin mit dir noch lange nicht fertig!" (US 10). Die Schuldsprüche zu Punkt IV/B/2. und 3. stehen im Sinne der deshalb gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Eine gefährliche Drohung oder Gewaltanwendung, mit der der Täter ausschließlich den Zweck verfolgt, des Opfers einer beabsichtigten Freiheitsentziehung habhaft zu werden oder eine bereits verwirklichte Freiheitsentziehung aufrecht zu erhalten, wird - sofern es sich nicht um eine schwere Nötigung nach § 106 StGB handelt - als "typische Begleittat" in der Regel, und zwar dann vom Unrechtsgehalt des § 99 StGB konsumiert, wenn ihr Unwert unter Berücksichtigung der konkreten Fallgegebenheiten im Verhältnis zur Haupttat deutlich zurückbleibt (Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 58, Schwaighofer in WK² § 99 Rz 49 und § 105 Rz 98; Leukauf/Steininger StGB3 § 99 RN 28; Foregger/Fabrizy StGB7 § 105 Rz 13).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt:

Die vom Angeklagten in den Schuldspruchfakten IV/B/2. und 3. angewandten Nötigungsmittel dienten nach den erstgerichtlichen Feststellungen nur dazu, das Herbeiholen von Hilfe (um die widerrechtliche Gefangennahme zu beenden) bzw einen Fluchtversuch des Opfers zu verhindern, sohin ausschließlich der weiteren Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung. Sie fallen in ihrem zusätzlichen Unwert gegenüber der Freiheitsentziehung nach Lage des Falles auch nicht besonders ins Gewicht, weshalb sie bereits vom Schuldspruch wegen § 99 Abs 1 StGB (III) mitumfasst sind. Anders verhält es sich beim Faktum IV/B/1., dem Nötigungshandlungen vor Beginn der Freiheitsentziehung und ohne Konnex zu dieser zugrunde liegen. Dieser Sachverhalt wurde vom Schöffensenat somit zu Recht als selbständiges Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB beurteilt. Das Urteil war daher spruchgemäß zu korrigieren.

Die dadurch notwendige Strafneubemessung war dem Obersten Gerichtshof verwehrt, weil der Angeklagte zum Gerichtstag nicht erschienen ist, seine Anwesenheit bei Entscheidung der Straffrage jedoch im Interesse der Rechtspflege geboten gewesen wäre.

Demnach war das Verfahren in diesem Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen und der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

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