Spruch:
Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom 13. 5. 1985 bis 31. 8. 1989 bei der
"E*****-St***** GmbH & Co KG", vom 1. 9. 1989 bis 31. 1. 1995 bei der
"E*****-St***** GmbH & Co KG" und vom 1. 2. 1995 bis 10. 10. 1996 bei der "Christine St*****, E*****" als Arbeiterin gemeldet. Vom 11. 10. 1996 bis 17. 12. 1996 bezog die Klägerin Krankengeld, vom 18. 12.1996 bis 2. 6. 1997 Wochenhilfe und aufgrund der am 20. 3. 1997 erfolgten Entbindung vom 3. 6. 1997 bis 19. 8. 1998 Karenzurlaubsgeld.
Im Februar 1997 erhielt die Klägerin von der E*****-St***** das folgende mit "Dienstzeugnis" bezeichnete Schreiben:
"Frau H***** Elisabeth, geb. am 24. 09. 65, wohnhaft in ***** war vom 13. 05. 85 bis zu ihrem Karenzurlaub im Jänner 1997 bei uns als Hilfsarbeiterin beschäftigt.
Frau H***** war mit verschiedenen Arbeiten in unserer Schilderproduktion betraut und hat Siebdruckarbeiten sowie die notwendigen Vor- und Nacharbeiten dazu mit Umsicht und Fleiß ausgeführt.
Frau H***** war in ihrer ruhigen und fleißigen Art für alle Mitarbeiter stets ein Vorbild. Das Dienstverhältnis endet wegen Einstellung des Betriebes. Wir wünschen Frau H***** auf ihrem weiteren Lebensweg alles Gute, besonders auch für ihren in den nächsten Wochen erwarteten Nachwuchs."
Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 18. 7. 1997, 49 Se 1044/97s, wurde der Antrag der Tiroler Gebietskrankenkasse auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Christine St***** mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen.
Gestützt auf diesen Beschluss machte die Klägerin am 12. 11. 1997 bei der beklagten Partei einen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von S 10.456,21 s.A. aus dem Titel "Sonderzahlung 1996" (samt Zinsen und Kosten) geltend. Mit Bescheid vom 4. 6. 1998 hat die beklagte Partei diesem Antrag - abgesehen von nicht gesicherten Zinsen - vollinhaltlich entsprochen.
Am 19. 11. 1998 brachte Elisabeth H***** beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht zu 48 Cga 212/98m gegen die Firma E***** Christine St***** eine Klage auf S 110.928,46 s.A. ein, und zwar
Lohn- und Sonderzahlungen (laufendes
Entgelt und Kündigungsentschädigung),
21. 9. - 19. 12. 1998 S 52.920,00
Urlaubsentschädigung 21. 9. bis
19. 12. 1998 S 5.088,46
Abfertigung, 3 Monatsentgelte S 52.920,00
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S 110.928,46
Mit Anerkenntnisurteil vom 9. 3. 1999 wurde Christine St***** schuldig erkannt, der Klägerin S 110.928,46 samt 12 % Zinsen seit 9. 10. 1998 zu bezahlen und die mit S 18.053,84 bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.
Daraufhin stellte die Klägerin am 10. 6. 1999 einen Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Firma "E***** St***** Christine"; dieser Antrag wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Rattenberg vom 15. 11. 1999, 4 Se 37/99p-21, mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen.
Unter Hinweis auf diesen Beschluss machte die Klägerin am 23. 12. 1999 bei der beklagten Partei einen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von S 110.025,19 zuzüglich Zinsen und Kosten geltend, und zwar
Lohn- und Sonderzahlungen (laufendes
Entgelt und Kündigungsentschädigung),
21. 9. - 19. 12. 1998 S 39.865,56
Urlaubsentschädigung 21. 9. bis
19. 12. 1998, 7 1/2 Werktage S 3.833,23
Abfertigung, 4 Monatsentgelte S 66.326,40
S 110.025,19
12 % Zinsen vom 9. 10. 1998 bis
14. 11. 1999 S 12.439,91
4 % Zinsen vom 15. 11. 1999 bis
15. 2. 2000 S 1.868,87
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S 124.243,97
Prozesskosten 48 Cgs 212/98m
LG Innsbruck S 18.053,84
Kosten 4 Se 37/99p BG Rattenberg S 3.574,00
___________
S 145.871,81
Mit Nachtrag vom 11. 1. 2000 wurde das Begehren um weitere Kosten von S 2.049,60 aus dem Verfahren 4 Se 37/99p des Bezirksgerichtes Rattenberg ergänzt.
Mit Bescheid vom 27. 3. 2000 hat die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Insolvenz-Ausfallgeld gemäß § 6 Abs 1 IESG abgelehnt.
Dagegen richtet sich die am 17. 4. 2000 beim Erstgericht eingelangte Klage mit dem Begehren auf Zuspruch der abgelehnten Leistung im Betrag von S 147.921,41. Für die Klägerin habe sich erst im Zusammenhang mit der Prozessführung vor dem Landesgericht Innsbruck zu 48 Cga 212/98m herausgestellt, dass der Betrieb der Firma E***** Christine St***** bereits im Februar 1997 geschlossen worden sei, womit der Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz geendet habe, was der Klägerin aber nicht bekannt gewesen sei. Eine Kündigung der Klägerin sei nie erfolgt, und einen Mutterschaftsaustritt habe sie nicht erklärt, weil sie ihren Arbeitsplatz nicht aufgeben habe wollen.
Nach Ende des Karenzurlaubs am 20. 9. 1998 habe sich die Klägerin am 21. 9. 1998 arbeitsbereit gemeldet. Da die Arbeitsleistung von der Arbeitgeberin nicht angenommen und das Entgelt der Klägerin nicht bezahlt worden sei, habe sie am 9. 10. 1998 berechtigt den vorzeitigen Austritt erklärt. Die nunmehr geltend gemachten Ansprüche seien - ungeachtet des Umstands, dass der Kündigungsschutz bereits mit Betriebsschließung im Februar 1997 geendet habe - erst im Jahre 1998 entstanden. Die Klägerin sei daher gezwungen gewesen, einen neuerlichen Konkursantrag zu stellen. Sollte der Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld verspätet gestellt worden sein, liege aufgrund des fehlenden, höchstens aber geringen Verschuldens der Klägerin ein Grund für eine Nachsicht nach § 6 Abs 1 IESG vor.
Die beklagte Partei wandte dagegen ein, dass das Unternehmen der Christine St***** spätestens am 24. 2. 1997 endgültig geschlossen gewesen sei. Dementsprechend sei der Klägerin am 24. 2. 1997 ein Dienstzeugnis ausgestellt worden, wonach das Dienstverhältnis wegen Einstellung des Betriebs geendet habe. Die Klägerin wäre daher verpflichtet gewesen, ihre Ansprüche aus der Beendigung des Dienstverhältnisses nach Bekanntwerden des Beschlusses des Landesgerichts Innsbruck als Konkursgericht vom 18. 7. 1997 bei der beklagten Partei geltend zu machen; von diesem Beschluss habe die Klägerin spätestens am 3. 10. 1997 Kenntnis erlangt. Auf Grund der Eindeutigkeit des Dienstzeugnisses habe die Klägerin nicht von der Möglichkeit einer Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit nach dem Karenzurlaub ausgehen können.
Da der Kündigungsschutz mit der Betriebsstilllegung weggefallen sei, habe die Kündigung der Klägerin keiner Zustimmung des Gerichts bedurft; vielmehr sei das Arbeitsverhältnis zum nächstmöglichen Kündigungstermin aufgelöst worden. Dieser Termin sei in den Zeitraum des Wochengeld- oder Karenzgeldbezugs gefallen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Durch Übermittlung des Dienstzeugnisses sei eindeutig und auch für die Klägerin erkennbar eine Kündigung durch die Dienstgeberin erfolgt. Da die Klägerin vom Konkursabweisungsbeschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 18. 7. 1997 spätestens am 3. 10. 1997 Kenntnis erlangt habe, wäre die durch die Kündigung fällig gewordene Abfertigung bereits in die Antragstellung vom 12. 11. 1997 einzubeziehen gewesen, zumal an eine Wiedereinstellung der Klägerin nach einem Karenzurlaub nicht zu denken gewesen sei. Die Kündigung habe eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum nächstmöglichen Kündigungstermin bewirkt. Da das Ende der Kündigungsfrist noch in den entgeltfreien Zeitraum des Wochenhilfe- bzw Karenzgeldbezugs gefallen sei, fehle es den weiters geltend gemachten Ansprüchen an jeglicher Rechtsgrundlage.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es erachtete die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz nicht als gegeben und billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Mit der Formulierung im Dienstzeugnis, zu dessen Ausstellung ein Dienstgeber bei Beendigung des Dienstverhältnisses verpflichtet sei, habe die seinerzeitige Dienstgeberin einen auf Beendigung des Dienstverhältnisses gerichteten Willen zum Ausdruck gebracht. Mangels Anführung eines Entlassungsgrundes sei von einer ordnungsgemäßen Beendigung des Dienstverhältnisses durch Kündigung auszugehen. Eine Wiedereinstellung nach Ende des Karenzurlaubs habe die Klägerin nicht erwarten können.
Aus den erstgerichtlichen Feststellungen und dem zugestandenen Parteienvorbringen sei abzuleiten, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung des Dienstzeugnisses für die Klägerin der Betrieb der Christine St***** bereits geschlossen gewesen sei, sodass die Kündigung gemäß § 10 Abs 3 MSchG rechtswirksam gewesen sei.
Da das Dienstverhältnis der Klägerin im Jahre 1997 geendet habe, entbehrten die für das Jahr 1998 geltend gemachten Ansprüche einer Rechtsgrundlage. Daran vermöge auch das Anerkenntnisurteil vom 9. 3. 1999 nichts zu ändern, da es gemäß § 7 Abs 1 IESG keine Bindungswirkung entfalte.
Eine Nachsicht der Rechtsfolgen der Fristversäumnis komme im Hinblick auf die mehrjährige Säumigkeit nicht in Betracht.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Klägerin ist gemäß § 46 Abs 1 ASGG zulässig (Feitzinger/Tades, ASGG2, § 46 Anm 12), es kommt ihr aber keine Berechtigung zu.
1. Die Revisionswerberin hält dem Erstgericht und dem Berufungsgericht vor, sie hätten zu Unrecht das Dienstzeugnis von einer falschen Wissenserklärung in eine Willenserklärung umgedeutet.
Als privatrechtliche Willenserklärung ist eine Kündigung an keine bestimmten Formerfordernisse gebunden. Sie kann deshalb schriftlich oder mündlich, gegebenenfalls aber auch durch schlüssige Handlungen im Sinne des § 863 ABGB ausgesprochen werden (RIS-Justiz RS0031654, insb EvBl 1974/185; DRdA 1994, 412). Zur Kündigung genügt jede Äußerung, aus der für den Vertragspartner deutlich, bestimmt und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise die Absicht, des Erklärenden zu erkennen ist, das Dienstverhältnis zu beenden (RIS-Justiz RS0028633, zuletzt 9 ObA 89/00d). In diesem Sinn kann auch durch Ausstellung eines entsprechenden Dienstzeugnisses eindeutig der Wille des Dienstgebers zum Ausdruck kommen, dass damit das Dienstverhältnis beendet wird.
Entscheidend ist also, dass die Erklärung so zu beurteilen ist, wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und dem Geschäftszweck unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände und bei objektiver Betrachtungsweise verstehen musste und durfte; auf eine damit nicht übereinstimmende subjektive Auffassung des Erklärenden kommt es nicht an (SZ 56/176 = JBl 1985, 120 [Holzer, JBl 1985, 82] = Arb 10.305).
Betrachtet man den Inhalt des - offenbar ohne Verlangen der Klägerin ausgestellten - Dienstzeugnisses, kann daraus nicht geschlossen werden, dass in Bezug auf das Ende des Dienstverhältnisses (wegen Einstellung des Betriebs) lediglich eine falsche, aber jederzeit berichtigbare und folgenlos auswechselbare Wissenserklärung vorliegt. Vielmehr wird dezidiert erklärt, dass das Dienstverhältnis endet, weil der Betrieb eingestellt wird. Es wäre nicht zu erwarten, dass die Dienstgeberin lediglich ihre subjektive (Rechts-)Ansicht zum Ausdruck bringt, dass das Dienstverhältnis wegen der Betriebseinstellung beendet ist, aber für den Fall einer Aufklärung, dass es keinen zwingenden Automatismus zwischen Betriebseinstellung und Beendigung des Dienstverhältnisses gibt, die Textierung dahingehend ändert, dass das Dienstverhältnis weiterhin besteht.
Somit ist den Erwägungen des Berufungsgerichts beizupflichten, dass die in Form eines Dienstzeugnisses gekleidete Erklärung, dass das Dienstverhältnis endet, als Kündigung zu werten ist (§ 510 Abs 3 ZPO).
2. Auch die Ansicht des Berufungsgerichts, aus den erstgerichtlichen
Feststellungen und dem zugestandenen Parteienvorbringen sei mit
hinreichender Deutlichkeit abzuleiten, dass der Betrieb der
Dienstgeberin zum Zeitpunkt der Ausstellung des Dienstzeugnisses
bereits endgültig geschlossen (stillgelegt) gewesen sei, kann
bestätigt werden. Das Erstgericht verweist (wenn auch erst im Rahmen
der rechtlichen Beurteilung) auf den Willen des Arbeitgebers zur
Kündigung wegen zwischenzeitig erfolgter Betriebsstilllegung. Eine
Überprüfung dieser Beurteilung ist dem Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, verwehrt.
3. Selbst wenn man der Klägerin - mit dem Revisionsvorbringen -
niedrige intellektuelle Fähigkeiten unterstellt, ist für sie aus dem
Umstand der Ausstellung eines Dienstzeugnisses (ohne ihr Verlangen)
sowie dessen Inhalt eindeutig erkennbar, dass die Dienstgeberin von einer Beendigung des Dienstverhältnisses ausgeht, sodass nicht mit einer Weiterbeschäftigung gerechnet werden konnte. In diesem Sinn liegt tatsächlich kein Grund für die Anwendung der Härteklausel nach § 6 Abs 1 letzter Absatz IESG vor.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeitserwägungen rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht.
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