OGH 2Ob1/01p

OGH2Ob1/01p25.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sieglinde H*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Lepold H*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterhalts, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30. August 2000, GZ 45 R 295/00s-36, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 7. März 2000, GZ 16 C 98/98x-32, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten USt von S 811,84, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind in aufrechter Ehe verheiratet. Der Ehe entstammen zwei selbsterhaltungsfähige Kinder. Der Beklagte ist am 16. 5. 1998 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten ab 16. 5. 1998 die Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 9.000,-- sowie ab 1. 8. 1998 auch der Hälfte der Fixkosten der bisherigen Ehewohnung in der Höhe von S 4.600,-- pro Monat. Sie brachte dazu vor, der Beklagte habe sie wegen einer anderen Frau verlassen und gebe ihr kein Geld mehr. Er bezahle bloß die Fixkosten der Wohnung, habe jedoch die Einstellung auch dieser Zahlung ab 31. 7. 1998 angekündigt. Während sie lediglich ein Durchschnittsnettoeinkommen von S 7.700,-- monatlich habe, beziehe der Beklagte ein solches von S 16.000,-- 14 x jährlich. Darüber hinaus erziele er als Musiker ein monatliches Einkommen von S 20.000,--.

Im Hinblick auf seinen ungerechtfertigten Auszug aus der Ehewohnung habe der Beklagte, der Hauptmieter dieser Wohnung sei, der Klägerin auch die halben Fixkosten der Wohnung inklusive Garagenplatz in der Höhe von S 9.200,-- zu ersetzen. Die Bezahlung der Garagenkosten sei jedoch nicht als Unterhaltsleistung anrechenbar, weil es hiebei um ein Geschenk des Beklagten an seinen Sohn handle.

Der Beklagte wendete ein, aus seiner Musikertätigkeit kein anrechenbares Einkommen zu erzielen. Die ihn gegenüber der Klägerin treffende Unterhaltsverpflichtung erfülle er durch die Bezahlung der Kosten für die Ehewohnung in der Höhe von S 8.964,94. Es sei nicht richtig, dass er die Einstellung dieser Zahlungen angekündigt habe. Vielmehr habe er der Klägerin mitgeteilt, dass er die Daueraufträge betreffend diese Kosten zur Vereinfachung der Verrechnung stornieren und der Klägerin stattdessen einen monatlichen Betrag von S 5.500,-- (S 780,-- Unterhalt plus halbe Wohnungskosten) überweisen werde. Die Klägerin sei aber nicht bereit gewesen, ihre Kontonummer bekannt zu geben.

Hinsichtlich des gleichzeitig mit der Klage geltend gemachten Anspruchs auf einstweiligen Unterhalt in der Höhe von S 9.000,-- einigten sich die Streitteile mit Vergleich dahin, dass sich der Beklagte verpflichtete, bis zur rechtskräftigen Erledigung des Unterhaltsverfahrens folgende Kosten der Ehewohnung allein zu bezahlen: Miete, Radio und Fernsehen, Heizung sowie Strom.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten, der Klägerin für die Zeit vom 16. 5. bis 31. 12. 1998 einen monatlichen Unterhalt von S 160,-- für die Zeit vom 1. 1. bis 30. 11. 1999 einen solchen von S 693,-- und ab 1. 12. 1999 bis auf weiteren einen solchen von S 4.980,-- zu bezahlen. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

Dabei wurden im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Die Klägerin bezog 1998 ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 9.245,30 und im Jahr 1999 ein solches von S 9.577,94. Der Beklagte verdient bei der Post durchschnittlich S 15.300,-- monatlich netto. Als Musiker verdiente er in den Jahren 1992 und 1993 monatlich rund S 11.500,--. In der Zeit von Jänner 1997 bis Mai 1998 wendete er etwa gleich viel Zeit für das Musizieren auf, wie 1992/1993. Dass er seit seinem Auszug aus der Ehewohnung wesentlich weniger musiziert oder verdient hätte, konnte nicht festgestellt werden.

Von Mai bis Dezember 1998 bezahlte der Beklagte für die Ehewohnung Miete, Rundfunk und Fernsehen, Strom und Gas, Fernwärme, Telefon, Haushaltsversicherung und Telekabel in der Höhe von insgesamt S 63.021,10, wobei auf die Miete S 45.178,71 entfielen. Von Jänner bis einschließlich November 1999 wendete er für Miete, Rundfunk und Fernsehen, Strom und Gas sowie Fernwärme insgesamt S 81.190,43 auf, hievon entfielen auf die Miete S 68.064,74.

Weiters bezahlt er seit seinem Auszug aus der Ehewohnung die Miete der zu dieser Wohnung gehörenden Garage in der Höhe von rund S 600,-- monatlich. Die "Nutzungsrechte" für diese Garage hat er seinem Sohn am 17. 7. 1998 schenkungsweise überlassen und ihm die Zahlung der Mietkosten für ein Jahr zugesagt. Als der Sohn die Wohnung im Mai 1999 verließ, überließ er die Nutzungsrechte der Klägerin. Der Beklagte verpflichtete sich gerichtlich, den Garagenplatz für die Dauer der Ehe mit der Klägerin nicht zu kündigen.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass sich aus den festgestellten Einkommen der Streitteile ein Unterhaltsanspruch der Klägerin von S 5.180,-- für das Jahr 1998 und ein solcher von S 4.980,-- für das Jahr 1999 ergebe. Auf diesen seien die vom Beklagten geleisteten Mietzahlungen zur Hälfte, die übrigen Wohnungskosten zur Gänze anzurechnen, im Jahre 1998 sohin monatlich S 5.020,-- und im Jahr 1999 monatlich S 4.287,--. Die vom Beklagten bezahlten Garagenkosten seien nicht zu berücksichtigen, weil er die Nutzungsrechte an seinen Sohn weitergegeben habe. Da durch die Zahlungen nicht der gesamte Unterhaltsanspruch der Klägerin erfüllt worden sei, sei ihr ein Geldunterhalt zuzuerkennen. Mit dem zugesprochenen Betrag seien alle Bedürfnisse der Klägerin zu befriedigen und bestehe darüber hinaus keine Verpflichtung des Beklagten zur Leistung von Wohnungskosten, weshalb dieser Teil des Klagebegehrens abzuweisen sei.

Das gegen den klagsstattgebenden Teil dieser Entscheidung angerufene Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Zuspruchs eines monatlichen Unterhalts von S 160,--

für die Zeit vom 16. 5. bis 31. 12. 1998, eines solchen von S 693,--

für die Zeit vom 1. 1. bis 31. 7. 1999 und eines solchen von S 4.980,-- ab 1. 12. 1999. Hinsichtlich des Zeitraumes 1. 8. bis 30. 11. 1999 wurde die angefochtene Entscheidung abgeändert und die Unterhaltsverpflichtung - ohne dass es das Mehrbegehren ausdrücklich abwies - mit S 93,-- festgesetzt.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Hinsichtlich der Feststellungen des Erstgerichtes führte das Berufungsgericht aus, das Erstgericht habe nicht bloß negativ festgestellt, dass eine Reduzierung des Musikereinkommens seit dem Auszug des Beklagten aus der Ehewohnung nicht nachweisbar sei, sondern habe - wie sich aus der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung ergäbe - als erwiesen angenommen, dass der Beklagte aus seiner Musikertätigkeit weiterhin ein Einkommen von rund S 11.500,-- erziele bzw erzielen könne.

Im Übrigen führte das Berufungsgericht aus, dass die Zahlung der Garagenkosten von S 600,-- monatlich nach Ablauf der ein Jahr langen schenkungsweisen Zahlung an den Sohn ausschließlich der Klägerin zugekommen sei. Die von August bis inklusive November 1999 erbrachten Zahlungen seien daher - da es sich hiebei nicht um die Miete für die Ehewohnung handle - zur Gänze als Naturalleistungen des Beklagen anrechenbar.

Unrichtig sei die Ansicht des Beklagten, er habe seine Unterhaltsverpflichtung bloß geringfügig verletzt. Einerseits habe der durch einen Zeitraum von sieben Monaten seine Unterhaltsverpflichtung um S 700,-- monatlich verletzt. Vor allem ergebe sich aber aus seinem Vorbringen, dass er durch seine Mitteilung, er werde die Daueraufträge betreffend die Wohnungskosten (in der Höhe von rund S 9.000,--) zur Vereinfachung der Verrechnung stornieren und der Klägerin stattdessen einen monatlichen Betrag von S 5.500,-- überweisen, obwohl allein seine Unterhaltsverpflichtung rund S 5.000,-- ausmache, sehr wohl Anlass zur Klagsführung gegeben habe.

Über Antrag des Beklagten änderte das Berufungsgericht den Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision dahin, dass die Revision zugelassen werde. Es begründete diesen Beschluss damit, dass - soweit überblickbar - keine eindeutige oberstgerichtliche Rechtsprechung dahin bestehe, dass der unterhaltspflichtige Ehegatte, der aus der bisherigen Ehewohnung ausgezogen sei, jedoch die Mietzahlungen für diese Wohnung im Sinne seiner Verpflichtung gemäß § 97 ABGB weiterhin bezahle, nicht berechtigt sei, diese Zahlungen zur Gänze auf seine Unterhaltsverpflichtung anzurechnen, weil er hinsichtlich dieses auf ihn entfallenden Fixkostenanteils sinngemäß in Annahmeverzug geraten sei und sein Auszug nicht in der Weise zum Nachteil der Klägerin ausschlagen könne, dass sie nunmehr zur Tragung auch dieses Fixkostenanteils verpflichtet sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes (gemeint wohl nur gegen seinen bestätigenden Teil) richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren vollinhaltlich abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel des Beklagten zu verwerfen.

Die Revision ist zulässig aber nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit wurde geprüft, er ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO).

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht der Beklagte geltend, die Vorinstanzen hätten die Regeln der Beweislastverteilung nicht respektiert.

Weiters sei von einer Unterhaltsverletzung erst dann auszugehen, wenn diese ein relevantes Ausmaß erreiche. Eine derartige relevante Verletzung sei hier nicht gegeben, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Ausgangswert (Einkommen des Beklagten) von rund S 11.500,-- auch nach der Darlegung des Erstgerichtes keinesfalls eine genaue Berechnung zulasse. Im Übrigen sei der Unterhalt nicht zu berechnen sondern auszumessen, was insbesondere dann geboten sei, wenn die Bemessungsgrundlage nicht mathematisch exakt feststehe.

Schließlich hätte das Klagebegehren auf Grund der vom Beklagten erbrachten Naturalunterhaltsleistungen zur Gänze abgewiesen werden müssen. Es sei nicht richtig, dass der Beklagte unabhängig davon, ob er in der ehelichen Wohnung weile oder nicht, einen Teil der Kosten zu bezahlen habe. Es wären daher sämtliche Zahlungen des Beklagten für die Wohnung als Naturalunterhaltsleistung anzuerkennen gewesen und ergebe sich daraus eindeutig der Schluss, dass keine Unterhaltsverletzung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Die in der Revision aufgeworfene Frage der Beweislast stellt sich hier nicht, weil der Entscheidung des Erstgerichtes insgesamt zu entnehmen ist, das es ein Einkommen des Beklagten aus seiner Tätigkeit als Musiker in der Höhe von S 11.500,-- pro Monat auch für die hier relevanten Zeitraum feststellte. Diese Feststellung wurde vom Berufungsgericht auch übernommen. Die Beweislastregeln greifen aber erst ein, wenn das Beweisverfahren zu keiner Überzeugung des Richters geführt hat, also keine Feststellungen getroffen werden konnten (Rechberger in Rechberger2, ZPO Rz 8 Vor § 266).

Richtig ist zwar, dass Voraussetzung der gerichtlichen Geltendmachung (auch des künftigen Unterhaltes) die (zumindest teilweise) Säumnis des unterhaltspflichtige Eheteiles ist (Schwimann, Unterhaltsrecht2, 155 mwN), doch ist eine solche Säumigkeit des Beklagten - und zwar nicht nur in einem Umfang der vernachlässigt werden könnte - gegeben.

Was nun die Frage der Anrechnung der Mietzinszahlungen auf die Unterhaltsleistung betrifft, hat der erkennende Senat erst vor kurzer Zeit in der Entscheidung 2 Ob 259/00b ausgeführt, dass das der Klägerin gemäß § 97 ABGB zustehende Wohnrecht im Aufteilungsanspruch gemäß dem § 81 ff EheG fortbesteht (SZ 68/157; 5 Ob 10/99b ua). Es sind deshalb nach ständiger Rechtsprechung Aufwendungen, die der Unterhaltspflichtige lediglich deshalb erbringt, um die vom Unterhaltsberechtigten benützte Wohnung zu beschaffen und zu erhalten als Naturalunterhaltsleistungen gegenüber dem unterhaltsberechtigten Ehegatten anzusehen (5 Ob 10/99b; SZ 68/157 ua). Kinder leiten hingegen ein Benützungsrecht allenfalls von dem anderen Ehegatten ab, Naturalunterhalt an sie wird damit nicht geleistet. Dies gilt aber nicht für die Kosten der laufenden Benützung, wie etwa Betriebskosten; solche kommen auch den unterhaltsberechtigten Kindern anteilsmäßig zugute (5 Ob 10/99b; RIS-Justiz RS009551). Wohnt der Unterhaltspflichtige mit der Unterhaltsberechtigten im gemeinsamen Haushalt, können die Leistungen mit Unterhaltscharakter nicht voll auf den Unterhaltsanspruch angerechnet werden, weil sie nicht nur dem Unterhaltsberechtigten, sondern auch der Eigenversorgung des Unterhaltsverpflichteten und gegebenenfalls auch der Befriedigung weiterer Unterhaltsbedürfnisse von unterhaltsberechtigten Kindern dienen (vgl EFSlg 65.051). Leistungen eines Ehegatten für die Ehewohnung betreffen aber ausschließlich das Verhältnis zwischen ihm und den anderen Ehegatten, sie sind daher zwischen den Ehegatten aufzuteilen (3 Ob 2101/96h). Jedenfalls dann, wenn der Unterhaltsverpflichtete - wie im vorliegenden Fall - bei aufrechter Ehe grundlos die Ehewohnung verlässt und der unterhaltsberechtigte Ehegatte allein in der Ehewohnung zurückbleibt, ist der Unterhaltsverpflichtete unterhaltsrechtlich so zu behandeln, als wäre er in der Wohnung verblieben weshalb die von ihm (allein) geleisteten Mietzinszahlungen nur zur Hälfte als Naturalleistung auf den Geldunterhaltsanspruch des anderen Ehegatten anzurechnen sind (so schon 2 Ob 354/99v).

Der Revision des Beklagten war deshalb keine Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die § 41, 50 ZPO. Gemäß § 9 Abs 3 RatG ist der Streitwert der einfache Jahresbetrag des zu leistenden Unterhaltes.

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