OGH 9ObA276/00d

OGH9ObA276/00d24.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva Pernt und Walter Benesch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karim E*****, EDV-Unternehmer, ***** vertreten durch Mag. Martin Kranich und Mag. Andreas Fehringer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. P***** & S***** G***** OEG, und 2. Dipl. Ing. Frank St*****, Vermessungsingenieur, beide ***** beide vertreten durch Dr. Hermann Fina, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 289.545,45 sA, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juli 2000, GZ 10 Ra 78/00i-51, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23. Oktober 1999, GZ 29 Cga 133/98k-41, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte zuletzt die Zahlung von S 289.545,45 sA. Er habe mit der erstbeklagten Partei, deren persönlich haftender Gesellschafter der Zweitbeklagte sei, im Dezember 1997 einen Dienstvertrag über die Erbringung von EDV-Leistungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten abgeschlossen. Der Umstand, dass der Kläger im Besitz einer Gewerbeberechtigung gewesen sei, ändere nichts an der Qualifikation eines Angestelltendienstverhältnisses. Der Kläger sei gegenüber den beklagten Parteien weisungsgebunden gewesen, habe in den von der Erstbeklagten zur Verfügung gestellten Betriebsräumen und mit den von ihr zur Verfügung gestellten Betriebsmitteln die Dienstleistungen erbringen müssen. Zunächst sei ein Gehalt von monatlich S 55.000 vereinbart worden, welches dann einvernehmlich auf S 65.000 monatlich erhöht worden sei. Die Erstbeklagte sei mit der Zahlung der Gehälter in Rückstand geraten; am 11. 5. 1998 sei der Kläger unberechtigt entlassen worden. Die von den beklagten Parteien hiezu herangezogene Begründung sei eine wahrheitswidrige Schutzbehauptung. Das zuletzt aktuelle Klagebegehren wurde aufgeschlüsselt in: S 65.000 an offenem Gehalt für April 1998 und S 195.000 für Gehälter vom Mai bis einschließlich Juli 1998 aus dem Titel des Schadenersatzes nach § 29 AngG sowie S 29.545,45 an aliquotem Urlaubsentgelt.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Mit dem Kläger sei nie ein Dienst-, sondern nur ein Werkvertrag geschlossen worden. Dieser sei von der erstbeklagten Partei am 11. 5. 1998 berechtigt vorzeitig aufgelöst worden, weil der Kläger entgegen ausdrücklicher Weisung das Bestehen eines Subunternehmervertrages zwischen der Erstbeklagten und einem weiteren Unternehmen gegenüber Dritten bekanntgegeben und dadurch Betriebsgeheimnisse verraten habe. Dies habe auch dazu geführt, dass der Auftraggeber der Erstbeklagten das Vertragsverhältnis aufgelöst habe, wodurch der Erstbeklagten ein Schaden in Höhe von S 3,871.113 entstanden sei, welcher kompensando bis zur Höhe der Klageforderung eingewendet werde. Selbst wenn man vom Bestehen eines Angestelltendienstverhältnisses ausgehe, habe das Verhalten des Klägers die Erstbeklagte zur Entlassung berechtigt.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung mit S 96.109,96 brutto als zu Recht bestehend, die Gegenforderung der erstbeklagten Partei als nicht zu Recht bestehend und demnach die beklagten Partei zur ungeteilten Hand für schuldig, dem Kläger S 96.106,96 brutto sA zu zahlen. Das Mehrbegehren von S 193.435,49 brutto sA wies es ab. Es stellte im Wesentlichen fest:

Die Firma H***** Luftbild GmbH wurde im Jahr 1997 vom Stadtplanungsamt A***** A*****, VAE, mit kartographischen Arbeiten beauftragt. Diesem Unternehmen war es aufgrund der Rechtslage in den VAE untersagt, ohne Genehmigung Subunternehmen zu beschäftigen. Dennoch beaufragte es die erstbeklagte Partei, welche hiefür eigens gegründet worden war, mit der Durchführung von Vermessungen sowie der computerunterstützten Erstellung, Aktualisierung und Archivierung von Kartenmaterial der Bausubstanz und Versorgungseinrichtungen der Stadt A***** A***** sowie mit der Einschulung der Beamten des Stadtplanungsamtes am Computersystem. Um den Anschein einer Subvergabe zu vermeiden, sollten die von der erstbeklagten Partei beschäftigten Personen formell als Dienstnehmer der H***** Luftbild GmbH fungieren. Dem Kläger wurde im Dezember 1997 vom weiteren Gesellschafter der Erstbeklagten, P*****, im Rahmen dieses Projekts eine befristete Auslandstätigkeit gegen ein Honorar von S 40.000 und einer weiteren Abgeltung von S 3.500 für Sozialversicherungsbeiträge angeboten. Wenngleich sich der Kläger für reine CAD-Arbeiten (computerunterstützte technische Zeichnungen) überqualifiziert sah, war er an der Auslandstätigkeit interessiert. Der Kläger verweigerte in der Folge vor allem wegen einer ihn benachteiligenden Konkurrenzklausel die Unterfertigung eines schriftlichen Vertrages. Gegenüber dem Zweitbeklagten äußerte er sogar, dass ihm der Vertrag zu "angestelltenmäßig" sei. Vor Ort stellte sich heraus, dass der Kläger nicht mit CAD-Arbeiten befasst werden sollte, sondern an einer von der A***** A***** Town Planning Department gewünschten Studie über die Organisation der Verwaltung mitwirken sowie ein Datenbanksystem ausarbeiten sollte. Der Arbeitsplatz des Klägers befand sich im Büro des Town Planning Departments, nur fallweise hatte er auch im Büro der Erstbeklagten zu tun, insbesondere im Dezember 1997 im Zusammenhang mit dem Aufbau eines Netzwerkes. Seine Arbeitszeiten richteten sich nach den Dienstzeiten im TPD. Bis Februar 1998 leistete er zahlreiche Überstunden. Der Auftraggeber TPD und die H***** Luftbild GmbH waren in der Folge mit der Projektleitung des Zweitbeklagten nicht zufrieden. Es gab sowohl fachliche Differenzen als auch persönliche. Der weitere Gesellschafter P***** zog sich im Februar 1998 wegen persönlicher Unstimmigkeiten mit dem Zweitbeklagten aus dem Projekt zurück und reiste aus den VAE ab. Nach Vorgabe des Auftraggebers TPD sollte Ende März 1998 eine Projektstudie abgeschlossen sein; dieser Termin wurde nicht eingehalten. Es kann nicht festgestellt werden, dass für die Verzögerung mangelnder Arbeitseinsatz des Klägers ursächlich war. Unter Berufung auf den geänderten Arbeitsbereich verlangten der Kläger und ein weiterer Mitarbeiter ab Februar 1998 eine Erhöhung ihrer Bezüge auf zunächst monatlich S 85.000, wobei sie auch ankündigten, dass sie andernfalls ihre Tätigkeit einstellen würden. Nach mehrwöchigen Verhandlungen mit dem Zweitbeklagten wurde das monatliche Honorar auf S 65.000, beginnend ab April 1998 vereinbart. Schon zu Beginn seiner Tätigkeit war dem Kläger vom Zweitbeklagten aufgetragen worden, gegenüber dem Auftraggeber A***** A***** TPD als Mitarbeiter der H***** Luftbild GmbH aufzutreten und nicht bekanntzugeben, dass er für die Erstbeklagte arbeite. Zum Schein unterfertigte der Kläger dann auch einen direkten "employment contract" mit der H***** Luftbild GmbH, was auch Voraussetzung für die Erlangung einer Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung in den VAE war. Der Kläger brachte im Februar oder März 1998 eine Kopie des Vertrages zwischen erstbeklagter Partei und H***** Luftbild GmbH an sich und verweigerte in der Folge gegenüber dem Zweitbeklagten die Rückgabe dieses Schriftstückes.

Der Kläger erhielt für seine Tätigkeit im Dezember 1977 und Jänner 1998 insgesamt S 31.550, für Februar 1998 S 36.753. Bis 21. 3. 1998 wurden ihm alle bis einschließlich Februar 1998 fällig gewordenen Entgelte gezahlt. Zuletzt erhielt er am 10. 4. 1998 eine Zahlung von S 65.000. Am 10. 5. 1998 urgierte der Kläger die Bezahlung weiterer, mittlerweile fällig gewordener Entgelte. Am 11. 5. 1998 begab sich der Kläger in Begleitung eines weiteren Mitarbeiters zu einem Mitarbeiter der TPD und beklagte sich gegenüber diesem, dass er seine Bezüge nicht pünktlich erhalten habe. Auf dessen Frage, für wen sie arbeiteten, antworteten beide, dass sie beim Zweitbeklagten beschäftigt seien. Der Mitarbeiter der TPD hatte dieses zwar bereits vermutet, aber erst durch die Aussage des Klägers und des weiteren Mitarbeiters Gewissheit darüber erlangt, dass die H***** Luftbild GmbH ohne Genehmigung ein Subunternehmen beschäftigte. Nachdem diese Vorgänge dem Zweitbeklagten am Abend des 11. 5. 1998 zur Kenntnis gelangt waren, sprach dieser mündlich und in weiterer Folge schriftlich die Entlassung sowohl des Klägers als auch des weiteren Mitarbeiters aus. Die Offenbarung des Subvertrages durch den Kläger gegenüber TPD war ein Anlass dafür, dass die H***** Luftbild GmbH am 19. 5. 1998 den Vertrag mit der Erstbeklagten kündigte, eine Bankgarantie abrief und weitere offene Schadenersatzansprüche stellte. Ein wesentlicher Grund für die Beendigung war allerdings der Umstand, dass die Erstbeklagte nicht in der Lage gewesen war, ihre bedungenen Leistungen zu erbringen.

Das Erstgericht beurteilte das Vertragsverhältnis der Streitteile als Angestelltendienstverhältnis. Gemäß § 44 IPRG komme zwar grundsätzlich das Recht der VAE zur Anwendung, doch sei dies in angemessener Frist nicht zu ermitteln gewesen, sodass gemäß § 4 IPRG österreichisches Recht anzuwenden sei. Der Kläger habe durch sein Verhalten einen Entlassungsgrund im Sinne des § 27 Z 1 AngG gesetzt und daher keinen Anspruch auf Kündigungsentschädigung. An Restgehalt für April 1998, anteiligem Gehalt vom 1. 5. bis 11. 5. 1998 sowie an Urlaubsabfindung stünden daher insgesamt S 96.109,96 brutto zu. Die Gegenforderung sei nicht berechtigt, weil das Vertragsverhältnis zwischen der Erstbeklagten und der H***** Luftbild GmbH auch ohne den Vertrauensbruch des Klägers vorzeitig beendet worden wäre.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass infolge des Rückwirkungsverbotes des Art 17 des mit 1. 12. 1998 in Kraft getretenen römischen Schuldvertragsübereinkommens (EVÜ) zu prüfen sei, ob § 36 IPRG oder § 44 IPRG Anwendung zu finden habe. Dabei sei bedeutsam, ob ein Angestelltendienstverhältnis oder ein freier Dienstvertrag vorliege, weil sich § 44 IPRG nur auf "echte" Arbeitsverträge, nicht jedoch auf letztgenannte Kategorie beziehe. Daher gelte im Falle eines Arbeitsvertrages gemäß § 44 IPRG das Recht der VAE, im Falle eines freien Dienstvertrages gemäß § 36 IPRG das österreichische Recht. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes könne noch nicht davon ausgegangen werden, dass jedenfalls die Anwendung österreichischen Rechts zulässig sei, zumal die Auskunftsmittel des § 4 IPRG noch nicht ausgeschöpft seien. Für die Beurteilung, ob zwischen den Streitteilen ein Angestelltenvertrag oder freier Dienstvertrag geschlossen worden sei, fehle es aber noch an Feststellungen.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, da es an Rechtsprechung dazu fehle, ob § 44 IPRG auch auf freie Dienstverträge anzuwenden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern (gemeint: den angefochtenen Beschluss aufzuheben und in der Sache selbst dahin zu entscheiden), dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Beklagten begründen ihr Rechtsmittel damit, dass es nicht darauf ankomme, ob ein Angestellten- oder freier Dienstvertrag vorliege, weil § 44 IPRG nicht differenziere und daher alle Arten von Arbeitsverträgen von dieser Norm erfasst seien. Dies bedeute im vorliegenden Fall, dass das Recht der VAE anzuwenden sei.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es auf sich beruhen kann, ob die Auslegung des § 44 IPRG, an dessen Stelle nunmehr Art 6 EVÜ getreten ist, noch von aktueller erheblicher Bedeutung im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG ist, weil hier ein Beendigungsstreit im Sinne des § 46 Abs 3 Z 1 ASGG gegeben ist und daher für die Zulässigkeit eines Rekurses an den Obersten Gerichtshof die Voraussetzungen nach § 46 Abs 1 ASGG nicht erfüllt sein müssen (Kuderna ASGG2 88).

Die Abgrenzung des vom IPRG nicht definierten Verweisungstatbestandes "Arbeitsverträge" folgt den Strukturvorstellungen des österreichischen Rechtes (Schwimann, Grundriss des IPR 137; Schwimann, "Zur Lage des österreichischen Internationalen Arbeitsrechtes" in ZAS 1992, 1 f, Schwimann in Rummel, ABGB2 Rz 1b zu § 44 IPRG mwN; SZ 60/220 = WBl 1988, 91). Danach ist für private Arbeitsverhältnisse die grundsätzlich entgeltliche persönliche Dienstleistung der eigenen Partei in persönlicher Abhängigkeit von der anderen kennzeichnend. Die weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers äußert sich darin, dass er über seine Leistung nicht frei bestimmen kann, sondern in Unterordnung in den Organismus des Betriebes prinzipiell Weisungen unter Kontrolle des Arbeitgebers unterworfen ist (stRspr RIS-Justiz RS0021284, zuletzt 9 ObA 7/00w). In der Rechtsprechung wurde ein Werkvertrag ("Solosängerin" - SZ 60/220) auch dann nicht als "Arbeitsvertrag" im Sinne des § 44 IPRG gewertet, wenn der Auftragnehmer in wirtschaftlicher Abhängigkeit zum Auftraggeber stand. Als wesentliches Unterscheidungskriterium wurde dabei auf das Fehlen einer Einbindung in die Betriebsorganisation des Auftraggebers abgestellt. Wenngleich beim Werkvertrag im Gegensatz zum freien Dienstvertrag nicht Bemühungen, sondern ein bestimmter Erfolg geschuldet wird, ist auch für die Unterscheidung zwischen "freiem" und "echtem" Dienstvertrag das Ausmaß der Eingliederung des mit einer Dienstleistung Beauftragten in die Betriebsorganisation des Auftraggebers maßgeblich. Die diesbezüglich von der Rechtsprechung zum Werkvertrag angestellten Erwägungen haben demnach auch für freie Dienstverträge Gültigkeit.

Für die Ermittlung des anzuwendenden Rechtes (nämlich im Falle eines freien Dienstvertrages nach § 36 IPRG, im Falle eines Arbeitsvertrages nach § 44 IPR) kommt es somit, wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt, auf die Beurteilung des konkreten Vertragsverhältnisses an.

Da die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht richtig ist, sind weitere Erwägungen über die Notwendigkeit der Aufhebung nicht anzustellen (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 5 zu § 519).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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