OGH 6Ob127/00w

OGH6Ob127/00w17.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich S*****30, vertreten durch Dr. Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in Vorchdorf, gegen die beklagte Partei Michael R*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 6 Cg 16/95z des Landesgerichtes Wels, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 13. April 1999, GZ 4 R 223/98m-10, mit dem der Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 10. November 1998, GZ 6 Cg 177/98f-6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Wiederaufnahmskläger (und Kläger im wiederaufzunehmenden Verfahren 16 Cg 16/95z des Erstgerichtes) verkaufte dem Beklagten im September oder Oktober 1992 eine Putenschlachtanlage um 350.000 S und erhielt hierauf eine Anzahlung von 100.000 S. Der Restbetrag sollte vereinbarungsgemäß bei der Abholung der Anlage im Juni oder Juli 1993 beglichen werden. Der Beklagte hat die Anlage jedoch nicht übernommen. Am 10. 9. 1993 leistete er ungeachtet dessen eine weitere Teilzahlung von 100.000 S.

Im wiederaufzunehmenden Verfahren begehrte der Kläger den Restkaufpreis von 150.000 S. Der Beklagte wendete dort Geschäftsirrtum, Verkürzung über die Hälfte und Irreführung durch den Kläger ein, weil ihn dieser mehrfach zugesichert habe, dass die Putenschlachtanlage vollkommen funktionstüchtig sei und ohne Vornahme kostenintensiver Investitionen gewerblich genützt werden könne. Der Beklagte habe ihm fälschlich versichert, dass weder eine Betriebsanlagengenehmigung noch besondere abwassertechnische Maßnahmen notwendig seien. In Wahrheit sei der Betrieb der Anlage nur bei Erfüllung kostenaufwendiger behördlicher Auflagen möglich gewesen.

Der Kläger bestritt solche Zusagen und hielt diesem Vorbringen unter anderem auch entgegen, dass es für den Beklagten ohne Bedeutung gewesen sei, ob die Anlage einer behördlichen Genehmigung bedurft habe oder nicht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im Vorprozess ab, weil es die Vertragsanfechtung wegen List für berechtigt erachtete. Es stellte hiezu im Wesentlichen fest, dass dem Kläger selbst eine Betriebsanlagengenehmigung für die Putenschlachtanlage sowie wasserrechtliche Auflagen erteilt worden seien. Der Kläger habe dessen ungeachtet dem Beklagten zugesichert, dass er für den Betrieb der Anlage keinerlei behördliche Bewilligungen brauche und entgegen seinem Wissenstand mitgeteilt, dass der Beklagte die Abwässer in seine Jauchengrube leiten oder auf seine Felder aufbringen dürfe. Der Beklagte hätte die Anlage nicht gekauft, hätte er vom Erfordernis einer gewerbebehördlichen und einer wasserrechtlichen Genehmigung gewusst.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und dessen Rechtsansicht, dass das Verhalten des Klägers als vorsätzliche Täuschung im Sinn des § 870 ABGB zu qualifizieren sei. Es hob hervor, dass das der Kläger dem Beklagten wider Treu und Glauben verschwiegen habe, dass er selbst wegen Nichteinhaltung wasserrechtlicher Auflagen beanstandet worden sei. Noch schwerer treffe Kläger der Vorwurf, wider besseres Wissen dem Beklagten weis gemacht zu haben, dass er berechtigter Weise das zwangsläufig in größeren Mengen anfallende Abwasser in seine Jauchengrube leiten oder auf die Felder bringen dürfe.

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision des Klägers wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 19. 3. 1998, 6 Ob 70/98g, mangels erheblicher Rechtsfrage zurückgewiesen.

Mit der am 16. 10. 1998 eingelangten, auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützten Wiederaufnahmsklage begehrt der Kläger die Wiederaufnahme des zitierten Verfahrens, die Aufhebung des Urteiles und die Stattgebung seines Begehrens auf Zahlung des Restkaufpreises. Er brachte im Wesentlichen vor:

Der Vertreter des Klägers habe am 21. 9. 1998 anlässlich des Verfahrens 2 Cg 109/98a des Erstgerichtes (in dem der hier Beklagte vom Kläger die Rückzahlung des bereits beglichenen Teilkaufpreises von 200.000,-- S samt abgereifter Zinsen begehrt und das bis zur rechtskräftigen Erledigung des Wiederaufnahmeverfahrens unterbrochen ist) Einsicht in die Bauakten mit der AZ 79/90 und 77/97 der Gemeinde S***** über den vom Beklagten geplanten Putenschlachtbetrieb nehmen können. Auf Grund dieser Bauakten könne die von ihm im wiederaufzunehmenden Verfahren behauptete Tatsache, dass der Beklagte die Putenschlachtanlage auch gekauft hätte, wenn er vom Erfordernis diverser behördlicher Genehmigungen gewusst hätte, bewiesen werden. Der Beklagte sei damals und heute in Kenntnis darüber gewesen, dass sein Bauvorhaben und der Betrieb der Putenfarm und der Schlachtanlage jedenfalls behördlicher, insbesondere wasserrechtlicher Genehmigungen erfordere. Der Kläger habe erst lange nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens davon Kenntnis erlangt, dass überhaupt Bauverfahren anhängig seien. Er habe vor der Akteneinsicht seines Rechtsvertreters keine Kenntnis über das Ausmaß und den Umfang dieses Bauvorhabens gehabt und auch von der Baubehörde keine Einsicht in die Bauakten erhalten. Nach dem Inhalt dieser Akten habe der Beklagte bereits im Dezember 1990 um die Genehmigung einer Baubewilligung für den Neubau einer Putenhalle angesucht. Aus den betreffenden Bauakten ergebe sich, dass der Kläger auf Grund von Anrainerprotesten, von Schreiben der Oberösterreichischen Umweltanwaltschaft und der Einschaltung der Wasserrechtsbehörde von der wasserrechtlichen Problematik seines Vorhabens gewusst habe. Er sei auch insbesondere darauf hingewiesen worden, dass bei der Haltung von 2.800 Stück Puten unter Berücksichtigung einer dem Beklagten zur Verfügung stehenden Aufbringungsfläche von 9 ha gerade noch keine wasserrechtliche Genehmigungspflicht bestehe. Bei der Bauverhandlung vom 15. 4. 1991 habe sich herausgestellt, dass das Ausmaß der Aufbringungsfläche nur 8,4 ha betrage, weshalb die ohne wasserrechtliche Bewilligung zu haltenden Puten auf ca 2.700 Stück begrenzt worden seien. Schließlich seien Einreichungspläne für die erforderliche Miststätte nachgefordert worden. Dieser Aufforderung sei der Beklagte aber nicht nachgekommen. Er habe am 19. 10. 1992 - also kurz nach Abschluss des Kaufvertrages über die Putenschlachtanlage - das Bauansuchen zurückgezogen. Am 24. 7. 1997 habe er neuerlich ein Ansuchen um Baubewilligung gestellt, aus dem sich sein Vorhaben ergebe, jährlich 22.500 Tiere aus eigener Zucht zu schlachten.

Daraus folge unter anderem, das der im wiederaufzunehmenden Verfahren vernommene Zeuge Hubert R***** (der Vater des Beklagten) dahin unrichtig ausgesagt habe, dass der Beklagte für die Mästung von 2.000 Stück Puten eine behördliche Genehmigung gehabt habe, obwohl der Beklagte das Ansuchen um Baugenehmigung zurückgezogen habe. Die Aussage dieses Zeugen sei weiters dahin unrichtig, dass der Beklagte die Möglichkeit gehabt habe, das Abwasser auf die Felder aufzubringen, hätte doch schon die Haltung von 2.000 Puten neben dem anderen Vieh des Beklagten eine wasserrechtliche Bewilligung erfordert. Der Beklagte habe bereits 1991 gewusst, dass selbst bei Aufgabe des eigenen Viehbestandes die Putenhaltung ohne wasserrechtliche Bewilligung auf 2.700 Stück begrenzt sei. Der Beklagte habe das Bauansuchen offenbar wegen der Anrainerproteste und der wasserbehördlichen Auflagen und nicht wegen der angeblichen Probleme mit der Putenschlachtanlage zurückgezogen. Der Beklagte habe die abwasserrechtliche Problematik seinerzeit nur vorgeschoben, weil er offensichtlich kein Interesse an der bereits erworbenen Putenschlachtanlage mehr gehabt habe. Sein Interesse an einem großen Ausbau der Putenverarbeitung habe aber, wie sich aus dem neuerlichen Genehmigungsverfahren ergebe, damals schon bestanden. Offensichtlich habe er das nunmehrige Genehmigungsverfahren erst eingeleitet, als er gehofft habe, es werde bei der Aufhebung des Kaufvertrages bleiben.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage zurück. Der behauptete Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO liege schon deshalb nicht vor, weil in den angeführten Bauakten lediglich auf behördliche Genehmigungen im Zusammenhang mit der geplanten Putenhalle, nicht aber auf Umstände, die in unmittelbaren Zusammenhang mit der Geflügelschlachtanlage stünden, Bezug genommen werde.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Bereits im Vorprüfungsverfahren sei zu beurteilen, ob die Behauptungen des Klägers ausreichten, den behaupteten Wiederaufnahmsgrund und das fehlende Verschulden des Wiederaufnahmsklägers daran, dass die neuen Beweismitteln nicht bereits vor Schluss der Verhandlung des wiederaufzunehmenden Verfahrens geltend gemacht worden seien, ausreichend schlüssig darzutun. Dies sei dem Kläger nicht gelungen. Denn es wäre an ihm gelegen gewesen, sich bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren bei der Behörde nach Genehmigungsverfahren zu erkundigen, habe er doch dort behauptet, dass sich der Beklagte um keine wasserrechtlichen Bewilligungen kümmere. Der Kläger habe nicht vorgebracht, weshalb er zwar in der Lage gewesen sei, im Verfahren 2 Cg 109/98a des Erstgerichtes die Beischaffung der Bauakten mit der GZ Bau 79/90 und 77/97 der Gemeinde S***** zu beantragen, warum ihm dies aber hinsichtlich des Aktes 79/90 nicht bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren möglich gewesen sei. Sollte der Kläger die betreffende Akteneinsicht rechtswidrig, nämlich infolge Umgehung der von der Verwaltungsbehörde ausgesprochenen Versagung der Akteneinsicht durch einen Beweisantrag bei Gericht erlangt haben, läge kein Wiederaufnahmsgrund vor, weil rechtswidrig erlangte Beweismittel einen solchen nicht begründen könnten. Der erst nach Schluss der Verhandlung im wiederaufzunehmenden Verfahren anhängig gewordene Bauakt GZ 77/97 der Gemeinde S***** enthalten nichts, was zur Herbeiführung einer für den Wiederaufnahmskläger günstigeren Entscheidung geeignet sei. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Zulässigkeit solcherart beschaffter Beweismittel und des Verschuldens der Versäumnis eines darauf gerichteten Beweisantrages keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der - rechtzeitige - Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Obgleich ein bestätigender Beschluss vorliegt, ist er gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht absolut unanfechtbar, weil die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde.

Zur Rechtzeitigkeit des Rekurses ist auszuführen, dass die Rekursfrist während der infolge Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Beklagten am 19. 4. 1999 eingetretenen Unterbrechung des Verfahrens (§ 181 KO iVm § 7 Abs 1 KO) nicht laufen konnte (§ 163 ZPO). Die Unterbrechung blieb bis zum Beschluss des Erstgerichtes vom 20. 4. 2000 bestehen (§ 164 ZPO). Da zudem der angefochtene Beschluss des Rekursgerichtes bereits nach der Unterbrechung des Verfahrens zugestellt wurde, konnte die Rekursfrist erst nach Fortsetzung des Verfahrens zu laufen beginnen. Dass der am 11. 4. 2000 zur Post gegebene Revisionsrekurs daher an sich verfrüht eingebracht wurde, vermag dem Kläger nicht zu schaden.

Der Revisionsrekurs ist auch im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO zulässig.

Der Wiederaufnahmskläger ist dafür beweispflichtig, dass er ohne sein Verschulden außer Stande war, vor Schluss der Verhandlung, auf welche das Urteil erging, die neuen Tatsachen und Beweismittel geltend zu machen. Versäumt er es, dieser Pflicht schon in der Klage durch die erforderlichen Behauptungen und Beweisanbote zu entsprechen, so ist seine Klage gemäß § 538 Abs 1 ZPO bereits im Vorprüfungsverfahren durch Beschluss zurückzuweisen.

Im Vorprüfungsverfahren ist aber in aller Regel nicht darüber zu entscheiden, ob der Wiederaufnahmskläger ohne sein Verschulden außer Stande war, Beweismittel im Vorprozess zu verwenden. Dies ist nur dann möglich, wenn sich das Verschulden an Hand der Verspätung schon aus den Klageangaben ergibt (9 ObA 236/91 = RdW 1992, 248 mwN; RIS-Justiz RS0044558; RS0044639).

In der vorliegenden Wiederaufnahmsklage hat der Kläger nicht nur behauptet, im Vorprozess keine Kenntnis vom damals bereits anhängigen Bauakt GZ 79/90 gehabt zu haben, sondern insbesondere auch, über den Inhalt und Umfang dieses Aktes nicht informiert gewesen zu sein. Selbst wenn im daher vorzuwerfen wäre, keine Erkundigungen über die Anhängigkeit eines die geplante Putenfarm des Beklagten betreffenden Bauaktes eingeholt zu haben, kann doch nicht von vorne herein unterstellt werden, dass der Kläger davon ausgehen hätte müssen, dass im tatsächlich anhängig gewesenen Bauakt gerade auch für seinen Prozessstandpunkt im wiederaufzunehmenden Verfahren interessante wasserrechtliche Fragen relativ umfangreich erörtert wurden. Auch das weitere Vorbringen des Klägers in der Wiederaufnahmsklage, dass ihm eine Einsichtnahme in die betreffenden Bauakten vor deren Beischaffung durch das Prozessgericht im Verfahren 2 Cg 109/98a nicht möglich gewesen sei, ist im Hinblick auf § 17 AVG, der grundsätzlich nur den Parteien des Verwaltungsverfahrens Akteneinsicht gewährt, durchaus plausibel. Die Frage, ob der Kläger nicht doch bereits im Vorprozess annehmen hätte können, dass ein Bauakt betreffend den Ausbau der Hühnerfarm anhängig war und dieser prozessrelevante Fragen der gewerbebehördlichen und wasserrechtlichen Genehmigung der geplanten Anlagen betraf, hängt somit von Tatumständen ab, deren Klärung dem durchzuführenden Wiederaufnahmeverfahren vorbehalten und worüber nach mündlicher Verhandlung mit Urteil zu entscheiden ist (RIS-Justiz RS0044527).

Die Erwägung des Rekursgerichtes, der Kläger könnte sich die Akteneinsicht widerrechtlich verschafft haben, findet weder im Klagevorbringen noch in den vorgelegten Kopien aus den Bauakten oder im Inhalt des Aktes 2 Cg 109/98a des Erstgerichtes irgendeine Grundlage. Aus diesem Akt, in den der erkennende Senat Einsicht genommen hat, ergibt sich vielmehr, dass dem Antrag des Klägers und dortigen Beklagten auf Beischaffung der betreffenden Bauakten durch das Prozessgericht entsprochen wurde, dass die Baubehörde die Akten anstandslos übermittelte und offensichtlich das Gericht dem Rechtsvertreter des Klägers die Einsicht in diese Bauakten gewährte. Die Einsicht des Vertreters des Klägers in die Bauakten war daher durch verwaltungsbehördliche und gerichtliche Verfügung gedeckt. Schon deshalb kann dem Kläger in diesem Verfahren die Berufung auf die ihm wesentlich erscheinenden Aktenbestandteile, die er in Kopie vorgelegt hat, nicht mit der Begründung verwehrt werden, es bestehe ein Beweisverwertungsverbot, weil er diese Urkunden rechtswidrig erlangt habe.

Die neuen Tatsachen oder Beweismittel, auf die das Wiederaufnahmsbegehren im Sinn des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützt wird, müssen sich nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung auswirken. Es genügt, wenn sie geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen. Sie müssen aber so wichtig sein, dass ihre Berücksichtigung zu einer anderen Entscheidung des Hauptprozesses führen kann. Im Vorprüfungsverfahren ist die Frage, ob die als Wiederaufnahmsgrund geltend gemachten Umstände ersichtlich von vornherein keinen Einfluss auf die Entscheidung in der Hauptsache haben können, nur abstrakt zu prüfen. Ob sie tatsächlichen eine andere Würdigung der vorliegenden Beweise bewirken werden, darf im Vorprüfungsverfahren nicht entschieden werden. Erst im Wiederaufnahmsverfahren sind daher die neuen Tatsachen und Beweismittel über ihre abstrakte Eignung zur Herbeiführung einer Änderung der im Hauptprozess erflossenen Entscheidungen hinaus im Weg einer eingeschränkten Beweiswürdigung dahin zu prüfen, ob die Nichtberücksichtigung dieser Tatsachen und Beweismittel im Vorprozess gegen die materielle Wahrheitsfindung und die Vollständigkeit der Urteilsgrundlage verstösst (9 ObA 236/91 mwN).

Nach dem Vorbringen in der Wiederaufnahmsklage sind die zitierten Bauakten und insbesondere die in Kopie vorgelegten Aktenteile geeignet, diesen Umstand darzutun und aufzuzeigen, dass die im wiederaufzunehmenden Verfahren befassten Instanzen in einem für ihre Entscheidung wesentlichen Punkt infolge der nun allenfalls erweislichen Falschaussage eines Zeugen von einer unrichtigen Tatsachengrundlage ausgegangen sind. Der Kläger will mit den Bauakten beweisen, dass die Ursache für die Abstandnahme vom Kaufvertrag seitens des Beklagten nicht in der Irreführung über die erforderlichen gewerberechtlichen und wasserrechtlichen Genehmigungen für die Putenschlachtanlage lag und dass daher das dem Kläger im Vorprozess angelastete Verhalten, das zu seinem Prozessverlust führte, nicht kausal dafür war, dass der Beklagte das Interesse am Erwerb der Putenschlachtanlage verloren hatte.

Zum Beweis des entscheidenden Motivs des Beklagten für sein Verhalten wurde auch der Akt Bau 77/97 der Gemeinde S***** in der Wiederaufnahmsklage angeführt, obgleich dieser erst nach dem Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens anhängig wurde. Dass ein späteres Handeln einer Person Rückschlüsse auf ihr Motiv für ein vorangehendes Verhalten zulässt, ist mit den Denkgesetzen keineswegs unvereinbar. Es handelt sich daher auch bei diesem Akt um ein Beweismittel, das sich auf bereits früherer (angeblich) vorhandene Tatsachen bezieht, auch wenn dieses Beweismittel erst später entstanden ist (vgl Kodek in Rechberger, ZPO2 RZ 5 zu § 530 ZPO mwN).

Zusammenfassend sind daher beide in der Wiederaufnahmsklage im Zusammenhang mit dem Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO herangezogene Bauakten abstrakt geeignet, eine für den Kläger günstigere Entscheidung im Vorprozess herbeizuführen, auch wenn die Putenschlachtanlage nicht unmittelbarer Gegenstand dieser Akten war und ein Akt als Beweismittel im Vorprozess noch gar nicht zur Verfügung stehen konnte. Da die Akten und die in Kopie vorgelegten Aktenbestandteile auch keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen, wurde die Wiederaufnahmsklage von den Vorinstanzen zu Unrecht im Vorprüfungsverfahren zurückgewiesen. Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und es war dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 (1) ZPO.

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