OGH 4Ob320/00p

OGH4Ob320/00p16.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Wienczyslawa S*****, 2. Norbert S*****, beide vertreten durch Dr. Ulrike Walter, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. Hans R*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S***** Aktiengesellschaft (6 S 710/96w Handelsgericht Wien), 2. S***** Handelsgesellschaft mbH in Liquidation, Liquidator Peter M*****, 3. M***** Gesellschaft mbH, *****, 4. Günter M*****, Kaufmann, *****, zweit-, dritt- und viertbeklagte Partei vertreten durch Dr. Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in Schladming, wegen Räumung (Streitwert 12.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 14. Juli 2000, GZ 3 R 138/00a-83, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Schladming vom 23. März 2000, GZ 1 C 551/98w-74, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich ihrer Aussprüche betreffend die zwei Tennisplätze als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleiben, werden im Übrigen aufgehoben; die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger begehren mit ihrer am 1. 7. 1998 eingebrachten Klage die Räumung und Übergabe von zehn näher bezeichneten Appartements eines auf der Liegenschaft EZ ***** KG ***** errichteten Hauses sowie von zwei Tennisplätzen. Die Appartements stünden im Eigentum der Kläger und würden von der Zweit-, der Dritt- und dem Viertbeklagten (in der Folge: Beklagte) titellos benützt (mit dem Erstbeklagten haben die Kläger Ruhen des Verfahrens vereinbart [AS 249]); die von der Dritt- und dem Viertbeklagten behaupteten Bestandverträge seien nichtig, die Zweitbeklagte sei schlechtgläubig, weil die Geschäftsleitungen von Bestandgeber und -nehmer ident seien. An den Tennisplätzen, deren Eigentümer Anton P***** sei, stehe den Klägern ein Superädifikat zu.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestreiten die aktive Klagelegitimation; Eigentümer der betroffenen Appartements sei der Verein T***** (in der Folge: Verein) als Rechtsnachfolger der Kläger auf Grund des Kaufvertrags vom 28. 2. 1991. Die Beklagten seien seit Oktober 1992 - im Einvernehmen mit den Klägern - Bestandnehmer der Appartements und Tennisplätze. Eine Rückabwicklung habe nur Zug um Zug gegen Ersatz jener Beträge zu erfolgen, die die Dritt- und der Viertbeklagte zur Brauchbarmachung der Bestandobjekte ausgelegt hätten (AS 33).

Die Kläger entgegneten, der Verein habe sie im Wege einer Zession zur Klageführung bevollmächtigt. Sie seien jedoch auch ohne diese Zession zur Klage berechtigt, weil die Klagelegitimation jedenfalls den in ihren Rechten Verletzten zustehe, dies selbst dann, wenn sie ihre Liegenschaftsanteile übertragen hätten und nicht mehr bücherliche Eigentümer seien (AS 321).

Zur Zession legten die Kläger eine mit 15. 6. 1998 datierte, vom Obmann des Vereins und den Klägern (der Erstklägerin auch als Kassierin des Vereins) unterschriebene Urkunde (./H) vor, die folgenden Wortlaut hat:

"VEREINBARUNG

abgeschlossen zwischen: T***** und: Eheleute W***** u. Norbert S*****

Betrifft: Räumungsklage gegen Dr. R***** als Masseverwalter der S***** AG im Konkurs, Peter M***** als Liquidator der Firma S***** Handelsges.m.b.H., M***** Gesmbh und Günther M*****.

Nach dem Anerkenntnisurteil beim LG Leoben wurde der alte Grundbuchstand wieder hergestellt und das Eigentumsrecht für die Eheleute S***** einverleibt. Um die defacto Übergabe an den außerbücherlichen Eigentümer zu ermöglichen, werden die Eheleute S***** die Räumungsklage einbringen und ergeht hierzu folgende

ZESSION

welche mit Beendigung der Räumungsklage automatisch erlischt. Der T***** überträgt alle Rechte als außerbücherlicher und später bücherlicher Eigentümer auf die Eheleute S***** zum Zwecke einer unverzüglichen Klagseinbringung. Die Eigentumsübertragung auf den T***** ist in Vorbereitung und kann längere Zeit in Anspruch nehmen, da der Original Kaufvertrag zur Zeit verschollen ist. Die Zession betrifft: 2 Tennisplätze, Apartment top 01, 02, 04, 102, 104, 201, 202, 203, 204, 206"

Zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage (1. 7. 1998) waren die Kläger im Grundbuch als Eigentümer der Appartements auf Grund eines Schenkungsvertrags aus dem Jahr 1983 eingetragen. Grundbücherlicher Eigentümer der Tennisplätze ist Anton P*****; er hatte die Tennisplätze bis Mai 1991 an die Kläger verpachtet. Danach wurde der Pachtvertrag aufgelöst. Derzeit werden die Tennisplätze vom Viertbeklagten benützt, der auch einen Pachtschilling zahlt. Es steht nicht fest, dass die Kläger an den Tennisplätzen ein Superädifikat haben. Bei Schluss der mündlichen Verhandlung (17. 3. 2000) war bei den betroffenen Appartements das Eigentum für den Verein einverleibt; diese Einverleibung war 1999 auf Grund des Kaufvertrags vom 28. 2. 1991 erfolgt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine bloße Übertragung der Prozessführungsbefugnis sei nicht zulässig. Die Kläger seien auch nicht Träger des geltend gemachten materiellen Anspruchs. Der Einwand der mangelnden Aktivlegitimation erweise sich daher als berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil "die Lösung dieses ungewöhnlichen Falles letztlich von Rechtsfragen abhänge, für die keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes existiere". Erstmals im Rechtsmittelverfahren hätten sich die Kläger auf § 234 ZPO berufen, wonach die Veräußerung einer in Streit verfangenen Sache auf den Prozess keinen Einfluss habe. Für die Anwendung dieser Bestimmung fehlten jedoch in erster Instanz die erforderlichen Tatsachenbehauptungen; Ergebnisse des Beweisverfahrens und Feststellungen des Erstgerichtes, die im Parteienvorbringen keine Deckung fänden, seien unbeachtlich. § 234 ZPO gelte auch im Räumungsprozess, jedoch nur im Fall einer Einzelrechtsnachfolge. Diese Bestimmung komme nur zum Tragen, wenn die Veräußerung nach Streitanhängigkeit erfolgt sei. Bei der Beurteilung, ob eine Liegenschaft vor oder nach der Streitanhängigkeit veräußert worden sei, komme es auf das Datum der Einverleibung an. Um ihre Aktivlegitimation bzw ihre Berechtigung zur Fortführung des Verfahrens iSd § 234 ZPO zu rechtfertigen, hätten die Kläger vorbringen müssen, auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt das Eigentum an der in Rede stehenden Liegenschaft auf den Verein übergegangen sei. Ein derartiges Vorbringen sei jedoch nicht erstattet worden. Die Zessionserklärung sei als unzulässige Übertragung des Prozessführungsrechtes zu werten; die Klagebefugnis könne nicht ohne den zugrundeliegenden materiell-rechtlichen Anspruch abgetreten werden. Das Erstgericht habe zu Recht die Ausnahmebestimmung des § 234 ZPO nicht angewendet, sondern sein Urteil nach der allgemeinen Regel des § 406 ZPO, also auf Grund der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung, gefällt. Es sei nicht Sache des Berufungsgerichts, nunmehr ein Verfahren auf völlig neuer Grundlage einzuleiten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger (die zur Abweisung der Klage hinsichtlich der Tennisplätze keine Ausführungen enthält und sich erkennbar entgegen dem Wortlaut von Revisionserklärung und -antrag nur gegen die Abweisung der Klage in Ansehung der Appartement richtet) ist zulässig, weil das Berufungsgericht von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; das Rechtsmittel ist im Sinne seines Aufhebungsantrags berechtigt.

Die Kläger vertreten den Standpunkt, bei Liegenschaften sei der Buchstand bei Klageeinbringung, der unstrittig sie als Eigentümer der Appartements ausweise, maßgeblich; die erst nach diesem Zeitpunkt eingetretene Einzelrechtsnachfolge auf Grund eines Vertrags sei gem § 234 ZPO unbeachtlich. Die Kläger seien in ihren Rechten verletzt und deshalb zur Klage berechtigt. Dazu ist zu erwägen:

Das Recht, die Herausgabe einer Sache von demjenigen zu begehren, der sie titellos benützt, gründet im Eigentumsrecht (§ 366 ABGB) und steht daher dem Eigentümer zu, der die Innehabung der Sache verloren hat (Klicka in Schwimann, ABGB**2 § 366 Rz 1 mwN). Für die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen ist neben einem gültigen Titel auch die Eintragung in das Grundbuch erforderlich (Intabulationsprinzip); daraus folgt, dass ein rechtsgültiger Titel verbunden mit bloßer Übergabe kein Eigentum verschafft (Hinteregger in Schwimann, ABGB**2 § 431 Rz 1 mwN).

§ 234 ZPO findet auf jede Art von Einzelrechtsübergang während des Prozesses, auch aufgrund einer richterlichen Verfügung, Anwendung, insbesondere auch in Kündigungs- und Räumungsprozessen (SZ 63/151; ecolex 1997, 250; EvBl 1998/169 = MietSlg 50.728 mwN; immolex 1999, 293; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1195). Bei Liegenschaften ist der Buchstand bei Klageeinbringung maßgeblich, selbst wenn der Rechtsnachfolger schon vorgemerkt ist (SZ 67/163 = JBl 1995, 467 mwN; WoBl 1998/156). § 234 ZPO soll seiner Intention nach verhindern, dass sich eine Partei durch Veräußerung des Streitgegenstands ihrer Sachlegitimation entledigt und dadurch einen Anspruch des Gegners zum Scheitern bringt (EvBl 1998/169 = MietSlg 50.728 mwN; Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO**2 § 234 Rz 1). Der Kläger ist - im Fall einer Anwendung des § 234 ZPO - bei Veräußerung einer Sache durch ihn weiterhin so zu behandeln, als ob er noch das Recht an der Sache hätte, weshalb der unterliegende Beklagte demgemäß zur Herausgabe der Sache an ihn zu verurteilen ist (EvBl 1998/169 = MietSlg 50.728).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann den Klägern die aktive Klagelegitimation hinsichtlich der Appartements nicht abgesprochen werden.

Nach der insoweit unstrittigen Aktenlage (unter Einbeziehung des Aktes 3 Cg 324/93h des LG Leoben) sowie dem Grundbuchstand ist davon auszugehen, dass der Verein mit Kaufvertrag vom 28. 2. 1991 vom Masseverwalter der Erstklägerin und vom Zweitkläger Anteile an der Liegenschaft EZ ***** KG *****, verbunden mit dem Wohnungseigentum an den von diesem Verfahren betroffenen Appartements, erworben hat. Der diesem Kaufvertrag entsprechende Grundbuchstand wurde jedoch erst 1999 (nach Löschung unrichtiger Zwischeneintragungen betreffend Eigentumsrechte der Zweitbeklagten und der vom Erstbeklagten vertretenen Gemeinschuldnerin) bücherlich durchgeführt. Im Zeitpunkt der Einbringung der Räumungsklage waren die Kläger - infolge Einverleibung ihres Eigentumsrechts - Eigentümer der betroffenen Appartements. Obwohl der Verein die entsprechenden Miteigentumsanteile bereits mit Kaufvertrag vom 28. 2. 1991 gekauft hat, erwarb er Eigentum erst im Zeitpunkt der bücherlichen Einverleibung seines Eigentumsrechts.

Daraus folgt, dass im Zeitpunkt der Einbringung der Klage allein die Kläger als bücherlich Berechtigte legitimiert waren, die mit dem Eigentum verbundenen Rechte auf Herausgabe der Appartements infolge titelloser Benützung mittels Räumungsklage gerichtlich geltend zu machen. Auf die Wirkung der Vereinbarung vom 15. 6. 1998 kommt es daher nicht weiter an. Die Kläger verloren ihre Klagelegitimation aber - nach den oben zu § 234 ZPO dargestellten Grundsätzen - auch nicht dadurch, dass später das Eigentumsrecht zugunsten des Vereins einverleibt wurde, weil diese Einzelrechtsnachfolge auf den Prozess keinen Einfluss hat. Die Kläger haben dazu schon in erster Instanz vorgebracht, dass ihnen die Klagelegitimation als den in ihren Rechten Verletzten selbst dann zustehe, wenn sie ihre Liegenschaftsanteile übertragen hätten und nicht mehr bücherliche Eigentümer seien. Dieses Vorbringen ist - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht als unzulässige Neuerung zu beurteilen und lässt auch ausreichend deutlich erkennen, dass sich die Kläger damit auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 234 ZPO berufen.

Ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht haben die Vorinstanzen keine Feststellungen über die Einwendungen der Beklagten in der Sache selbst, insbesondere darüber getroffen, ob Bestandrechte der Beklagten an den herauszugebenden Apartements auf Grund eines gültigen Vertrags bestehen. Den Beklagten steht nämlich die Einrede aus dem Recht zum Besitz (Recht zur Innehabung) zu (Klicka aaO Rz 10).

Da somit nach den bisherigen Feststellungen noch nicht beurteilt werden kann, ob die Beklagten eine bei Klageeinbringung im Eigentum der Kläger stehende Sache titellos benützen, musste in Stattgebung der Revision mit einer Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen im angefochtenen Umfang vorgegangen und die Sache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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