OGH 8ObA125/00s

OGH8ObA125/00s21.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Klaus Hajek und Dr. Erwin Blazek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der Antragstellerin Wirtschaftskammer Österreich, 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 63, vertreten durch Dr. Peter Kunz ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Antragsgegner Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten, 1013 Wien, Deutschmeisterplatz 2, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Antrag auf Feststellung, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1) Es wird festgestellt, dass auf sämtliche Angestellte der Dorotheum Gesellschaft mbH, mit Ausnahme der im Kaffeehaus beschäftigten Arbeitnehmer, seit 1. Jänner 2000 der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden ist.

2) Es wird festgestellt, dass im Zeitpunkt des Außerkrafttretens des zwischen dem Verband Österreichischer Banken und Bankiers und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten (Sektion Geld und Kredit) abgeschlossene Kollektivvertrages für die Angestellten der Dorotheum Gesellschaft mbH, d.h. mit 1. Jänner 2000, jene Bestimmungen der zwischen der Unternehmensleitung und dem Betriebsrat der Dorotheum Gesellschaft mbH abgeschlossenen Betriebsvereinbarung ohne Nachwirkungen außer Kraft getreten sind, die sich nicht auf einen gesetzlichen Regelungstatbestand, sondern ausschließlich auf die kollektivvertragliche Zulassungsnorm des § 16 Abs 2 des Dorotheum-Kollektivvertrages zu stützen vermögen.

Text

Begründung

Die Kollektivvertragsfähigkeit der Antragstellerin, ergibt sich aus § 4 Abs 1 ArbVG, jene des Antragsgegners aus § 4 Abs 2 ArbVG. Beide sind daher im Sinne des § 54 Abs 2 letzter Satz ASGG als Parteien des besonderen Feststellungsverfahrens legitimiert.

Die Antragstellerin beantragte zunächst wie im Spruch ersichtlich und stellte überdies zum unter 1) des Spruches wiedergegebenen Begehren ein Eventualbegehren auf Feststellung, dass auf die im Rahmen des Pfandleih- und Verwahrungsgeschäftes in der Hauptniederlassung der Dorotheum Auktions-, Versatz- und Bank-Gesellschaft mbH (deren Firmenwortlaut kürzlich in Dorotheum GmbH geändert wurde) tätigen Angestellten der Kollektivvertrag der Spediteure für Angestellte und für die restlichen Angestellten - mit Ausnahme der im Kaffeehaus tätigen Arbeitnehmer - der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs, jeweils mit Wirkung vom 1. Jänner 2000, anzuwenden sei;

Sie brachte dazu folgenden Sachverhalt vor:

Die den Gegenstand des Antrags bildenden Ansprüche betreffen einen von namentlich bestimmten Personen unabhängigen Sachverhalt und Rechtsfragen des materiellen Rechts, die für mindestens drei Arbeitnehmer der Dorotheum GmbH von Bedeutung sind.

Die Dorotheum GmbH verfügt neben einer Bankenkonzession über folgende Gewerbeberechtigungen:

Gewerbe der Pfandleiher gemäß § 278 GewO 1973 (§ 229 GewO 1994)

Gewerbe der Versteigerung beweglicher Sachen gemäß S 296 GewO 1973 (§ 244 GewO 1994)

Gewerbe der Schätzung von beweglichen Sachen aller Art

Gewerbe der Verwahrung beweglicher Sachen aller Art (§ 170 GewO 1994 [Speditionsgewerbe, Lagerei])

Handelsgewerbe gemäß § 126 Z 14 GewO 1973 (§ 124 Z 11 GewO 1994)

Antiquitäten und Kunstgegenständehandel gemäß § 103 Abs 1 lit b Z 1 GewO 1973 (§ 124 Z 11 GewO 1994)

Kleinhandel mit nichtmilitärischen Waffen und nichtmilitärischer Munition gemäß § 131 Abs 1 Z 1 lit b GewO 1973 (§ 178 GewO 1994)

Gewerbe des Buch-, Kunst- und Musikalienverlages gemäß § 103 Abs 1 lit b Z 7 GewO 1973 (§ 124 Z 11 GewO 1994)

Gastgewerbe in der Betriebsart eines Kaffeehauses mit den Berechtigungen nach § 189 Abs 1 GewO 1973 (§ 124 Z 9 GewO 1994)

Gastgewerbe in der Betriebsart einer Bar mit den Berechtigungen nach § 189 Abs 1 GewO 1973 (§ 124 Z 9 GewO 1994)

Gewerbe der Immobilienmakler § 225 GewO 1994.

Daraus ergeben sich verschiedenste Sektionszugehörigkeiten im Rahmen der Kammer der gewerblichen Wirtschaft und - daran anknüpfend - verschiedenste Kollektivvertragszugehörigkeiten.

Aufgrund der angeführten Gewerbeberechtigungen ist die Dorotheum GmbH Mitglied der Antragstellerin, die auf Arbeitgeberseite den Handelsangestellten-Kollektivvertrag abgeschlossen hat. Die Antragsgegnerin ist als Vertragspartnerin auf Arbeitnehmerseite sowohl am Dorotheum-Kollektivvertrag (Kollektivvertrag für die Angestellten der Dorotheum Auktions-, Versatz- und Bank-GesmbH") als auch am Handelsangestellten-Kollektivvertrag beteiligt.

Die Dorotheum GmbH ist - sieht man von einem kleinen und kürzlich veräußerten bankgeschäftlichen Teilbetrieb ab - primär in den drei Geschäftssparten Auktionen, Freiverkauf und Pfandleihegeschäft tätig. Dieses Geschäft wird einerseits am Hauptsitz in der Wiener Dorotheergasse und andererseits in zahlreichen Geschäftsstellen in ganz Österreich abgewickelt. Daneben verfügt die Dorotheum GmbH über eine Tochtergesellschaft in Prag.

Das Unternehmen beschäftigte 1998 insgesamt etwas über 500 und zum 31. Dezember 1999 453 Mitarbeiter; im (früheren) bankgeschäftlichen Teilbetrieb, der in einem eigenen Geschäftslokal untergebracht ist, waren 1998 acht und am 31. Dezember 1999 sechs Arbeitnehmer tätig.

Am Hauptsitz der Dorotheum GmbH ist die Dreiteilung des Geschäftes in Freiverkauf, Pfandleihe und Auktionen betriebsorganisatorisch einigermaßen verwirklicht. Mischverwendungen der dort beschäftigten Arbeitnehmer kommen allerdings regelmäßig vor; die räumliche Abgrenzung ist nicht konsequent durchgehalten. So sind z.B. der Pretiosenhauptschätzmeister und sein Team sowohl für den Auktionsbereich Pretiosen zuständig, als auch für den Pfandleihbereich. Dieselben Mitarbeiter sind auch mit der Entgegennahme von Pretiosen zur Verwahrung befasst. In den Filialen ist die Vermischung vollkommen.

Die Dorotheum GmbH verfügt darüber hinaus über ein Kaffeehaus, in dem drei Arbeitnehmer tätig sind und das organisatorisch vom restlichen Unternehmen weitgehend getrennt ist. Die im Kaffeehaus beschäftigten drei Arbeitnehmer werden nach dem Gastgewerbe-Kollektivvertrag behandelt.

Der (frühere) bankgeschäftliche Teilbetrieb der Dorotheum GmbH war organisatorisch und räumlich vom restlichen Geschäft völlig getrennt. Bis ungefähr Mitte 1998 konnten Kunden noch in den Filialen der Dorotheum GmbH Einlagengeschäfte abwickeln; danach war dies nur mehr in der Wiener Filiale möglich, in der somit sämtliche Bankaktivitäten der Dorotheum GmbH gebündelt waren.

Bis zum 31. Dezember 1999 war die Dorotheum GmbH Mitglied des Verbandes Österreichischer Banken und Bankiers (in der Folge: Bankenverband). Dieser hatte als auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhender Arbeitgeberverband mit dem Antragsgegner einen Kollektivvertrag für die Angestellten der Dorotheum Auktions-, Versatz- und Bank-Gesellschaft mbH (in der Folge: Dorotheum-Kollektivvertrag) geschlossen, der in seinem § 2 seinen Geltungsbereich wie folgt definiert:

"Räumlich: Für das gesamte Bundesgebiet

Fachlich: Für alle Betriebe bzw. Standorte der Dorotheum Auktions-, Versatz- und Bank-GesmbH, in der Folge kurz Dorotheum genannt.

Persönlich: Für alle Arbeitnehmer des Dorotheums mit Ausnahme von:

Geschäftsführenden Direktoren

Konsulenten

freiberuflichen und angestellten Experten

Hausbesorgern und Anstaltswarten

Volontären, Ferialpraktikanten und Urlaubsaushilfen

Arbeitnehmern des hauseigenen Kaffeehauses

Stammpersonal der Bankfiliale mit Eintrittsdatum ab 1. Juli 1994".

1994 wurde der Dorotheum-Kollektivvertrag dahin geändert, dass für die Arbeitnehmer der Dorotheum GmbH mit Eintrittsdatum ab 1. Juli 1994 eine eigene, abgesenkte Gehaltstafel zur Anwendung kam, die eine stärkere Abkoppelung vom klassischen Banken-Kollektivvertrag widerspiegelte. Im allgemeinen Teil des Dorotheum-Kollektivvertrages gab es ebenfalls verschiedene Änderungen, wobei für Arbeitnehmer mit Eintrittsdatum bis 30. Juni 1994 verschiedene (begünstigende) Sonderregelungen beibehalten wurden.

Mit Wirkung zum 31. Dezember 1999 kündigte die Dorotheum GmbH die Mitgliedschaft im Bankenverband entsprechend § 3 Abs 4 dessen Statuten fristgerecht auf. Mit diesem Stichtag veräußerte die Dorotheum GmbH den bankgeschäftlichen Teilbetrieb (im Wege der Abspaltung zur Aufnahme gemäß § 17 SpaltG). Damit war das einzige Bindeglied zum Bankenbereich verlorengegangen. Eine weitere Mitgliedschaft im Bankenverband wäre gar nicht möglich gewesen.

Die Dorotheum GmbH steht auf dem Rechtsstandpunkt, dass aufgrund der Kündigung der Mitgliedschaft im Bankenverband mit Wirkung vom 1. Jänner 2000 für sämtliche Arbeitnehmer des Unternehmens nicht mehr der Dorotheum-Kollektivvertrag, sondern der Handelsangestellten-Kollektivvertrag gilt. Der Betriebsrat der Dorotheum GmbH und die Gewerkschaft bestreiten diesen Rechtsstandpunkt.

Mit 1. Jänner 2000 ist ein neuer, in verschiedenen Punkten (des allgemeinen Teiles) geänderter Handelsangestellten-Kollektivvertrages in Kraft getreten.

§ 16 Abs 2 des Dorotheum-Kollektivvertrages ermächtigt die Betriebsvereinbarung zur Regelung diverser, zum größten Teil nicht durch einen gesetzlichen Kompetenztatbestand gedeckter Angelegenheiten. Dies betrifft zB die Gewährung bestimmter Zulagen oder die Behandlung von Reisezeiten als Arbeitszeiten. In Umsetzung des § 16 Abs 2 des Dorotheum-Kollektivvertrages wurde zwischen der Unternehmensleitung der Dorotheum GmbH und dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung ("Dorotheum-Betriebsvereinbarung") abgeschlossen, in der die Betriebspartner von der kollektivvertraglichen Ermächtigung umfassend Gebrauch machten und diverse - nicht durch § 97 ArbVG gedeckte - Zulagen (zB Funktionszulagen, Haftungsprovisorien, Schätzgebühren) regelten sowie festlegten, dass von Arbeitnehmern der Dorotheum GmbH absolvierte Reisezeiten außerhalb der Normalarbeitszeit als vollwertige Arbeitszeit gelten.

Aufgrund dieses von ihr behaupteten Sachverhaltes vertritt die Antragstellerin nachstehende Rechtsauffassung:

§ 6 ArbVG normiere, dass dann, wenn einer freiwilligen Berufsvereinigung die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt werde und diese einen Kollektivvertrag abschließe, die in Betracht kommende gesetzliche Interessenvertretung hinsichtlich der Mitglieder der Berufsvereinigung für die Dauer der Geltung und für den Geltungsbereich des von der Berufsvereinigung abgeschlossenen Kollektivvertrages die Kollektivvertragsfähigkeit verliere. Diese Bestimmung habe zur Folge, dass mit dem Inkrafttreten des Dorotheum-Kollektivvertrages jene kollektivvertragsfähigen Gliederungen der Kammer der gewerblichen Wirtschaft, denen die Dorotheum GmbH angehöre, ihre Kollektivvertragsfähigkeit verloren hätten und die von diesen Gliederungen abgeschlossenen Kollektivverträge außer Kraft getreten seien. Dass der bankgeschäftliche Teilbetrieb der Dorotheum GmbH für das Gesamtunternehmen nur vergleichsweise geringe Bedeutung gehabt habe, ändere daran nichts, weil der Dorotheum-Kollektivvertrag explizit seinen Anwendungsbereich auf alle Angestellten der Dorotheum GmbH bezogen habe und diese Mitglied des Bankenverbandes gewesen sei. Ungeachtet des Umstandes, dass die (weit überwiegende) Mehrzahl der Angestellten der Dorotheum GmbH im Rahmen einer Handelstätigkeit beschäftigt gewesen seien, habe daher bis 31. Dezember 1999 der Handelskollektivvertrag nicht gegolten.

Gemäß § 8 Z 1 ArbVG seien jene Arbeitgeber kollektivvertragsunterworfen, die zur Zeit des Abschlusses des Kollektivvertrages Mitglieder einer Kollektivvertragspartei gewesen seien oder später werden. Ein nach Abschluss des Kollektivvertrages erfolgter Austritt sei daher grundsätzlich unbeachtlich und ändere an der Kollektivvertragsunterworfenheit nichts. Der in § 6 ArbVG angeordnete Vorrang der freiwilligen Berufsvereinigungen werde aber durch den Wertungsgesichtspunkt der Mitgliedschaftsnähe begrenzt. Er gelte nur dann und so lange, als es sich um Mitglieder der Berufsvereinigung handle. Infolge des Austritts der Dorotheum GmbH aus dem Bankenverband müsse daher der von diesem auf Dienstgeberseite abgeschlossene Dorotheum-Kollektivvertrag jenen oder jenem Handelskammer-Kollektivvertrag/Kollektivverträgen weichen, dessen/deren Anwendung sich aufgrund der diesbezüglichen, durch Gewerbeberechtigungen der Dorotheum GmbH vermittelten Kollektivvetragszugehörigkeiten ergeben. Eine bloße "Nachwirkung" eines Kollektivvertrages nach Verbandsaustritt sei kein Zurechnungselement, das ausreiche, weiterhin einen Kollektivvertrag zu verdrängen, in dessen Arbeitgeberverband der Arbeitgeber entweder bereits davor Mitglied gewesen sei (gesetzlicher Zwangsverband) oder danach Mitglied werde (z.B. anderer freiwilliger Verband).

Fraglich sei allerdings, ob der von einer freiwilligen Berufsvereinigung, aus der der Arbeitgeber ausgetreten sei, geschlossenen Kollektivvertrag bloß durch nach Verbandsaustritt des Arbeitgebers abgeschlossene Kollektivverträge der gesetzlichen Verbände außer Kraft gesetzt werde, denen der Arbeitgeber angehöre, oder ob der Kollektivvertrag der freiwilligen Berufsvereinigung schon den bereits bestehenden in Betracht kommenden Handelskammer-Kollektivverträgen weichen müsse. Für diese Frage sei entscheidend, dass § 6 ArbVG zwar seinem missverständlichen Wortlaut nach bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen den Verlust der Kollektivvertragsfähigkeit der gesetzlichen Interessenvertretung in Bezug auf die Mitglieder des freiwilligen Verbandes anordne, dass aber in Wahrheit von einem partiellen Erlöschen (Außerkrafttreten) des Kollektivvertrages in Bezug auf die Mitglieder des freiwilligen Verbandes auszugehen sei. Aufgrund des Austrittes der Dorotheum GmbH aus dem Bankenverband sei daher der von diesem Verband abgeschlossene Dorotheum-Kollektivvertrag nicht erst durch danach abgeschlossene (oder in Kraft getretene) Handelskammer-Kollektivverträge, sondern schon durch die bestehenden Kollektivverträge nach Maßgabe der Gewerbeberechtigungen und Sektions- sowie Fachgruppenzugehörigkeiten der Dorotheum GmbH ersetzt worden. Selbst bei Zugrundelegung der gegenteiligen Auffassung wäre aber mit Wirkung vom 1. Jänner 2000 der aktuelle Handelsangestellten-Kollektivvertrag auf die Arbeitnehmer der Dorotheum GmbH anzuwenden, weil mit diesem Datum ein neuer Handelsangestellten-Kollektivvertrag in Kraft getreten sei.

Die Frage, ob das Außerkrafttreten des Dorotheum-Kollektivvertrages dazu führe, dass für die Arbeitnehmer der Dorotheum GmbH - abgesehen von den Arbeitnehmern im Kaffeehaus - nur ein Wirtschaftskammer-Kollektivvertrag - nämlich der Handelsangestellten-Kollektivvertrag - gelte, oder ob nunmehr mehrere Wirtschaftskammer-Kollektivverträge anzuwenden seien, sei durch Anwendung des § 9 ArbVG zu lösen. Da es im Unternehmen der Dorotheum GmbH getrennte Betrieb nicht gebe, komme § 9 Abs 1 ArbVG, nach dem jeweils die den einzelnen Betrieben entsprechenden Kollektivverträge anzuwenden sein, nicht zum Tragen. Nach § 9 Abs 2 ArbVG finde die Regelung des Abs 1 sinngemäß Anwendung, wenn es sich um Haupt- und Nebenbetriebe oder um organisatorisch fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen handle. Allerdings sei auch diese Voraussetzung mangels konsequenter Durchführung der organisatorischen Abgrenzungen im Unternehmen der Dorotheum GmbH nicht verwirklicht. Vielmehr sei § 9 Abs 3 ArbVG anzuwenden, der für den Fall, dass die Voraussetzungen des § 9 Abs 2 ArbVG nicht gegeben sind, die Anwendung jenes Kollektivvertrages normiert, der für den fachlichen Wirtschaftsbereich gilt, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat. Dies führe im Fall der Dorotheum GmbH zur Geltung des Handelsangestellten-Kollektivvertrages, weil in den durch Handels-Gewerbeberechtigungen abgedeckten Bereichen die weitaus überwiegende Anzahl an Arbeitnehmer beschäftigt seien und der Großteil des Umsatzes dort erzielt werde. Auch die - hier nicht indizierte - Anwendung des § 9 Abs 4 ArbVG führe zu diesem Ergebnis. Erachte man hingegen die Voraussetzungen des § 9 Abs 2 ArbVG für gegeben, weil in der Hauptniederlassung des Unternehmens eine organisatorische Trennung in Auktionen, Freiverkauf und Pfandleihgeschäft zumindest teilweise verwirklicht sei, wäre für den Bereich Verwahrung und für den Pfandleihbereich der Kollektivvertrag der Spediteure für Angestellte (bzw. für Arbeiter) anwendbar, weil die Dorotheum GmbH auch über eine (hinsichtlich des Pfandleihgeschäftes zumindest teilweise einschlägige) Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Verwahrung beweglicher Sachen aller Art verfüge und diese Gewerbeberechtigung die Zugehörigkeit zum Fachverband der Spediteure innerhalb der Sektion Verkehr begründe.

Mit Außerkrafttreten des Dorotheum-Kollektivvertrages im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Austrittes der Dorotheum GmbH aus dem Bankenverband trete daher für die Arbeitnehmer des gesamten Unternehmens (mit Ausnahme des Kaffeehauses) der Handelsangestellten-Kollektivvertrag (und für die - derzeit freilich nicht vorhandenen - Arbeiter der entsprechende Arbeiter-Kollektivvertrag) in Kraft. Zumindest erscheine es vertretbar, für die im Rahmen des Pfandleih- bzw. Verwahrungsgeschäftes in der Hauptniederlassung tätigen Mitarbeiter den Kollektivvertrag der Spediteure für Angestellte anzuwenden.

Die Dorotheum-Betriebsvereinbarung stütze sich auf die im Dorotheum-Kollektivvertrag enthaltene Zulassungsnorm. Mit dem Außerkrafttreten des Kollektivvertrages sei die darauf beruhende Betriebsvereinbarung erloschen. Eine außer Kraft getretene Betriebsvereinbarung könne zwar "Nachwirkungen" entfalten, was zur Folge habe, dass alle bis zum Zeitpunkt der Auflösung von der Betriebsvereinbarung erfassten Arbeitnehmer weiter von ihr erfasst seien, sie jedoch ihre zwingende Wirkung verliere und abweichenden Einzelvereinbarungen weichen müsse. Das Gesetz kenne diese Nachwirkung aber nur für den Fall des Außerkrafttretens der Betriebsvereinbarung durch Kündigung. Eine durch einvernehmliche Auflösung außer Kraft getretene Betriebsvereinbarung entfalte hingegen keine Nachwirkung. Es wäre daher systemwidrig, wenn eine durch Wegfall der kollektivvertraglichen Zulassungsnorm außer Kraft getretene Betriebsvereinbarung Nachwirkung entfalten würde, weil dieser Fall viel eher der einvernehmlichen Auflösung oder - und insbesondere - dem Fristablauf (bei des es ebenfalls keine Nachwirkung gebe) wertungsmäßig gleichzuhalten sei. Die Dorotheum-Betriebsvereinbarung sei daher - soweit sie sich nicht auf einen gesetzlichen Regelungstatbestand, sondern ausschließlich auf die kollektivvertragliche Zulassungsnorm des § 16 Abs 2 des Dorotheum-Kollektivvertrages stütze - ohne Nachwirkung außer Kraft getreten.

Der Antragsgegner beantragte, den Feststellungsantrag abzuweisen und vertritt dazu im Wesentlichen folgende Rechtsauffassung:

Der Antrag sei nicht entscheidungsreif, weil die Antragstellerin nicht angebe, ob die Dorotheum GmbH ordentliches oder außerordentliches Mitglied des Bankenverbandes gewesen sei. Dieser Umstand sei aber entscheidend, weil der Bankenverband nur für ordentliche Mitglieder wirksam Kollektivverträge im Sinne des ArbVG abschließen könne, zumal nur den ordentlichen Mitgliedern in diesem Verband ein Stimmrecht zukomme. Tatsächlich sei die Dorotheum GmbH immer nur außerordentliches Mitglied des Bankenverbandes gewesen. Die demokratische Legitimation eines freiwilligen Interessenverbandes zum Abschluss eines Kollektivvertrages könne sich aber nur darauf stützen, dass den unterworfenen Mitgliedern in diesem Verband eine entsprechende Mitwirkungsmöglichkeit und damit auch ein Gestaltungsrecht im Hinblick auf das Zustandekommen des Kollektivvertrages zukommt. Der Dorotheum-Kollektivvertrag sei daher eine zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat sowie Gewerkschaft ausgehandelte firmenspezifische Regelung, die lediglich als eine die Inhalte der Einzelverträge bestimmende Vertragsschablone zu qualifizieren sei.

Im Übrigen sei der Antrag schon deshalb abzuweisen, weil es der Antragstellerin um abstrakte Rechtsfragen gehe, durch die im konkreten Fall weder konkrete Ansprüche abgeklärt noch zukünftige Rechtsstreitigkeiten verhindert werden. Es werde nicht ausgeführt, inwieweit die Geltung des Kollektivvertrages konkrete Rechte beschränke oder beeinträchtige, sodass konkret umschriebene Ansprüche nicht zustünden; vielmehr solle lediglich pro futuro geklärt werden, welche kollektive Norm auf die bestehenden dienstvertraglichen Regelungen einwirkungsfähig sei.

In der Sache seien - gehe man mit der Antragstellerin vom Vorliegen eines normativen Kollektivvertrages aus - folgende Überlegungen anzustellen:

Der von der Antragstellerin zitierte § 6 ArbVG, der den Vorrang der freiwilligen Berufsvereinigung vor der gesetzlichen Interessenvertretung beim Abschluss von Kollektivverträgen vorsehe, regle nicht, was im Falle eines Verbandsaustrittes des Arbeitgebers zu geschehen habe. Dass es dann zu einem automatischen Rückfall auf den Kollektivvertrag der gesetzlichen Interessenvertretung komme, könne aus dieser Bestimmung nicht abgeleitet werden. Ihre Wertung gehe schließlich dahin, dem Kollektivvertrag der freien Berufsvereinigung absolute Priorität gegenüber demjenigen der gesetzlichen Interessenvertretung einzuräumen. Diese Priorität komme auch durch § 17 ArbVG zum Ausdruck, in dem hinsichtlich der Geltungsdauer von Kollektivverträgen im Zusammenhang mit § 6 nur geregelt sei, dass - bezogen auf die Mitglieder der freiwilligen Berufsvereinigung - der von der gesetzlichen Interessenvertretung abgeschlossene Kollektivvertrag mit dem Tag erlischt, an dem ein von der freiwilligen Berufsvereinigung abgeschlossener Kollektivvertrag in Wirksamkeit trete. Bezeichnend sei, dass § 17 jedoch keine Regelung über das Erlöschen der Rechtswirkungen des Kollektivvertrages der freiwilligen Berufsvereinigung vorsehe und insbesondere der Verbandsaustritt explizit nicht als Erlöschenstatbestand geregelt sei. Das Erlöschen des Kollektivvertrages der gesetzlichen Interessenvertretung bei Abschluss eines Kollektivvertrages durch die freiwillige Berufsvereinigung lasse daher nicht den Schluss zu, dass bei einem einseitig erklärten Verbandsaustritt sofort die Rechtswirkungen des von diesem Verband abgeschlossenen Kollektivvertrages ohne jede Nachwirkung beseitigt wären. Hingegen stelle die Auffassung, wonach der Verbandsaustritt an der statischen Weitergeltung (für eine dynamische Weitergeltung fehle es an der demokratischen Legitimation des Verbandes) des Kollektivvertrages für das ausgetretene Mitglied nichts ändere, eine optimale Verbindung zwischen der vom Gesetzgeber gewollten Kontinuität der Arbeitsbedingungen und der verfassungsrechtlich gebundenen Achtung vor der Autonomie des ausgetretenen Arbeitgebers dar. Den Parteien des Einzelvertrages müsse die Möglichkeit genommen werden, sich einseitig durch Austritt aus der freien Berufsvereinigung den Rechtswirkungen des Kollektivvertrages zu entziehen. Dies müsse gerade hier gelten, da sich die Dorotheum GmbH nicht einfach dem Kollektivvertrag für die Angestellten des Bankenverbandes unterworfen habe, sondern ein eigenes Regelwerk mit ihren Mitarbeitern ausgehandelt habe, das nur spezifisch für dieses Unternehmen zur Geltung kommen sollte.

Die Dorotheum GmbH habe ihren Mitarbeitern schriftlich mitgeteilt, dass die bisherigen Gehälter nur vorläufig bis zur Klärung der vorliegenden Rechtsfrage weiter gezahlt würden und man sich eine Rückverrechnung vorbehalte. Zuletzt habe sie zugestanden, die bisherige Grundgehaltshöhe ohne Vorbehalt weiter auszuzahlen; Anpassungen sollten sich in Zukunft nur nach dem Handels-Kollektivvertrag richten. Die Zahlung von Sozialzulagen sei ab 1. 3. 2000 gänzlich gestrichen worden. Bedenke man, dass ein Arbeitgeber bei Abschluss einer Betriebsvereinbarung oder eines Einzelvertrages nicht derart einseitig vorgehen könne, werde die Unbilligkeit des Anliegens der Antragstellerin offenkundig. Obwohl der Kollektivvertrag im allgemeinen eine höhere Schutzfunktion an den Tag lege als Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag, solle hier durch einen einseitigen Verbandsaustritt das gesamte Regelwerk mit einem Schlag vom Tisch gewischt werden.

Bereits 1994 sei ein neuer Kollektivvertrag für die ab dem 1. 7. 1994 eingetretenen Angestellten geschlossen worden, der bereits wesentliche Verschlechterungen im Vergleich zum für die früher eingetretenen Mitarbeiter gültigen Kollektivvertrag enthalten habe. Damals sei zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbart worden, dass Schlechterstellungen von vor dem 1. 7. 1994 eingetretenen Mitarbeitern auch nicht durch Überführung in einen anderen Kollektivvertrag durchgeführt werden würden. Auch diese Zusage habe die Dorotheum GmbH verletzt.

Richtig am Standpunkt der Antragstellerin sei nur, dass die freiwilligen Berufsvereinigungen nach dem Ausscheiden eines Mitglieds nicht weiter Änderungen am Kollektivvertrag vornehmen könnten, die dann auf das ausgeschiedene Mitglied Auswirkungen hätten. Gegen eine statische Weitergeltung spreche aber das Prinzip der Repräsentation und der demokratischen Legitimierung in keiner Weise. Es leuchte nicht ein, warum der einseitige Austritt aus einer freiwilligen Berufsvereinigung automatisch zum sofortigen Wegfall der Kollektivvertragsgeltung führen solle, wenn sämtliche anderen denkbaren Möglichkeiten des Außerkrafttretens eines Kollektivvertrages zumindest Nachwirkungen gemäß § 13 ArbVG auslösten.

Die in § 13 ArbVG geregelte Nachwirkung von Kollektivverträgen habe den idealtypischen Fall vor Augen, dass zwischen ein und denselben kollektivvertragschließenden Parteien ein Kollektivvertrag zunächst aufgekündigt und in Verhandlungen für einen neuen Kollektivvertrag getreten werde, der den nachwirkenden Kollektivvertrag ersetzen solle. Die vorliegende Fallkonstellation, in der eine freiwillige Berufsvereinigung einen auf ein bestimmtes Unternehmen anzuwendenden Firmenkollektivvertrag schließe und später bloß wegen des Verbandsaustritts der allgemeine Kollektivvertrag für alle Handelsangestellten zur Anwendung kommen solle, könne den Wertungen des § 13 ArbVG nicht unterstellt werden.

Mit einem "neuen" Kollektivvertrag iS des § 13 ArbVG sei immer ein Kollektivvertrag gemeint, der nach seinem Regelungscharakter dem außer Kraft getretenen, um dessen Nachwirkungen es gehe, entspreche. Das Wirksamwerden eines neuen allgemeinen Kollektivvertrages beende in der Regel nicht die Nachwirkungen eines außer Kraft getretenen speziellen Kollektivvertrages. Da hier für die vom Dorotheum-Kollektivvertrag erfassten Arbeitsverhältnisse der allgemeine Angestelltenkollektivvertrag jedenfalls nicht als ein für diese Arbeitsverhältnisse "neu wirksamer Kollektivvertrag" angesehen werden könne, könnte selbst eine Nachwirkung des Kollektivvertrages der freiwilligen Interessenvertretung nicht durch den allgemeinen Handelsangestellten-Kollektivvertrag verdrängt werden. Der spezielle Dorotheum-Kollektivvertrag gelte vielmehr gemäß § 8 Z 1 ArbVG weiter für das ausgetretene Mitglied und dies so lange, als nicht für die von diesem ursprünglichen Kollektivvertrag erfassten Dienstverhältnisse ein spezieller neuer Kollektivvertrag mit der gesetzlichen Interessenvertretung abgeschlossen werde. Nur so könne die Gefahr einer einseitigen, sogar vor Gehaltsabsenkungen rein aufgrund des Kollektivvertragswechsels nicht zurückschreckenden Vorgangsweise verhindert werden.

Dass ein allgemeiner Kollektivvertrag für alle im Handel Angestellten existiere, spreche nicht gegen das Ausverhandeln von kollektivvertraglichen Regelungen für bestimmte Arbeitgeber oder bestimmte Arbeitnehmergruppen. Es spreche daher nichts gegen das - von der Antragsgegnerin bereits vorgeschlagene - Vorhaben, zwischen der nunmehr zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung der Dorotheum GmbH und der freiwilligen Interessenvertretung auf Arbeitnehmerseite einen den früheren Dorotheum-Kollektivvertrag ersetzenden Zusatzkollektivvertrag auszuhandeln. Erst der Abschluss eines neuen, speziellen Kollektivvertrages bezogen auf die vom freiwilligen Interessenverband bzw. dessen Kollektivvertrag erfassten Arbeitsverhältnisse beseitige die Weitergeltung des Kollektivvertrages der freiwilligen Interessenvereinigung.

Folge man jedoch dem Standpunkt der Antragstellerin, dass der Dorotheum-Kollektivvertrag nicht mehr in Geltung stehe, könne die Frage, ob organisatorisch getrennte Betriebsabteilungen iS des § 9 ArbVG vorliegen bzw. - für den Fall, dass dies nicht der Fall sei - welcher Wirtschaftsbereich die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung für die Dorotheum GmbH habe, nicht im Rahmen eines besonderen Feststellungsverfahrens geklärt werden. Dazu bedürfe es Klärungen, die weit über den behaupteten Sachverhalt hinausgingen.

Zum Feststellungsbegehren betreffend das Außerkrafttreten der Dorotheum-Betriebsvereinbarung sei abermals festzuhalten, dass nach Ansicht des Antragsgegners der Verbandsaustritt der Dorotheum GmbH die Geltung des der Betriebsvereinbarung zugrunde liegenden Dorotheum-Kollektivvertrages nicht berührt habe. Wenn man diesem Standpunkt nicht folgen wolle und sich der Auffassung der Antragstellerin anschließe, seien drei Varianten denkbar: Die erste (und überzeugendste) Variante bestehe darin, die Geltung der Betriebsvereinbarung als freiwillige Betriebsvereinbarung in keiner Weise vom Wegfall des Kollektivvertrages berührt zu sehen, weil sie freiwillig abgeschlossen worden sei und ohnedies durch Kündigung in das Stadium der Nachwirkung versetzt werden könne. Die zweite (weniger adäquate) Variante wäre, den Wegfall der kollektivvertraglichen Ermächtigung als der Kündigung der Betriebsvereinbarung ähnlichen Fall anzusehen und damit Nachwirkungen eintreten zu lassen. Die dritte Variante läge darin, den Wegfall der kollektivvertraglichen Zulassungsnorm jenem Fall gleichzuhalten, in dem eine solche Norm von Anfang an nicht existierte. Dies hätte zur Folge, dass die Betriebsvereinbarung nunmehr als "freie" Betriebsvereinbarung anzusehen sei und daher als Ergänzung des Einzelarbeitsvertrages weiter wirke, was aber für den Arbeitgeber den "Schönheitsfehler" habe, dass eine ursprünglich mit dem Betriebsrat abänderbare und mit Nachwirkungen kündbare Betriebsvereinbarung plötzlich zum Einzelvertragsinhalt werde, der nur mehr durch Vereinbarungen mit den einzelnen Dienstnehmern abänderbar sei. Keinesfalls adäquat sei hingegen das Ergebnis der Antragstellerin, wonach die nur auf eine kollektivvertragliche Zulassungsnorm gestützte Betriebsvereinbarung bei Wegfall dieser Zulassungsnorm ohne jede Nachwirkung sofort erlösche.

Die Antragstellerin brachte daraufhin ergänzend nachstehenden Sachverhalt vor:

Die Dorotheum GmbH war seit 1979 außerordentliches Mitglied des Bankenverbandes. Diese Mitgliedschaft war damals sachgerecht, weil - abgesehen vom stets kleinen bankgeschäftlichen Teilbetrieb - das heute dominierende Freiverkauf-Geschäft, das eine klare Zuordnung zum Handelsgewerbe bedingt, noch kaum entwickelt war und das Auktionsgeschäft in viel stärkerem Ausmaß als heute der Verwertung verfallener Pfänder diente. Das (früher zudem stärkere) Pfandleihgeschäft gehört erst seit 20. Juni 2000 - mit Inkrafttreten der Fachorganisationsordnung - der Sektion Gewerbe, Fachverband Finanzdienstleister, an. Bis zu diesem Zeitpunkt, und daher auch 1979, war das Gewerbe der Pfandleiher der Sektion Geld und Kredit angegliedert.

Ordentliche Mitglieder des Bankenverbandes können nur "Aktienbanken, Bankgesellschaften mit beschränkter Haftung und Bankiers" sein. Diese Voraussetzung erfüllte die Dorotheum GmbH seit ihrem Bestehen als Kapitalgesellschaft (ebenfalls 1979); bis zur Veräußerung ihres bankgeschäftlichen Teilbetriebs mit Jahreswechsel 1999/2000 war sie immer eine "Vollbank". Weshalb sie trotzdem nur außerordentliches Mitglied wurde, ist nicht mehr feststellbar.

Nach den Statuten des Bankenverbandes haben außerordentliche Mitglieder kein Stimmrecht in der Generalversammlung und wirken daher an der Wahl des Vorstandes des Verbandes, der zum Abschluss von Kollektivverträgen berufen ist, nicht mit. Der "allgemeine" Bankenkollektivvertrag nimmt außerordentliche Mitglieder von seinem Anwendungsbereich ausdrücklich aus. Es kam allerdings in mehreren Fällen vor, dass der Bankenverband auf explizites Ersuchen eines außerordentlichen Mitglieds einen nur für dieses Mitglied geltenden Kollektivvertrag abschloss. Auf diese Weise wurde auch der nur für die Dorotheum GmbH geltende Dorotheum-Kollektivvertrag abgeschlossen. Solche nur für ein (außerordentliches) Mitglied geltenden Kollektivverträge wurden - und das galt auch und gerade in bezug auf die Dorotheum GmbH - inhaltlich ohne aktive Einflussnahme der Verbandsorgane, sondern auf Arbeitgeberseite nur durch die Unternehmensleitung des (außerordentlichen) Mitglieds ausgehandelt. Der ausgehandelte Text wurde sodann auf Arbeitgeberseite vom Bankenverband unterschrieben. Der Bankenverband hätte weder gegen den Willen der Dorotheum GmbH überhaupt einen für diese geltenden Kollektivvertrag noch einen Kollektivvertrag mit einem nicht von der Dorotheum GmbH gebilligten Inhalt abgeschlossen. Der Einfluss der Dorotheum GmbH auf den Abschluss und die inhaltliche Gestaltung "ihres" Kollektivvertrags war daher ein ungleich größerer als der Einfluss eines - selbst bedeutenden - ordentlichen Mitglieds des Bankenverbandes. Dementsprechend gingen alle Beteiligten stets davon aus, dass es sich bei den Dorotheum-Kollektivverträgen aus 1979 und 1994 um Kollektivverträge iSd ArbVG handelt, die mit Normwirkungen ausgestattet sind.

Die Dorotheum GmbH informierte ihre Arbeitnehmer noch vor dem 31. Dezember 1999 vom Austritt aus dem Bankenverband und davon, das deshalb mit 1. Jänner 2000 ausschließlich (allerdings mit näher bezeichneten Ausnahmen wie etwa der Aufrechterhaltung der Gehälter) die Normen des Handelsangestellten-Kollektivvertrages Geltung hätten.

Auf dieser Grundlage erstattete die Antragstellerin die folgenden weiteren Rechtsausführungen:

Ungeachtet des Umstandes, dass die Dorotheum GmbH nur außerordentliches Mitglied des Bankenverbandes war, hätten für ihre Arbeitnehmer bis zum Austritt der Gesellschaft aus den Bankenverband die von diesem auf Arbeitgeberseite 1979 und 1994 abgeschlossenen Dorotheum-Kollektivverträge kraft Normwirkung (§ 11 ArbVG) gegolten. Dem Gesetz seien Normen darüber, welchen Status das Mitglied eines Arbeitgebers haben müsse, um kollektivvertragsangehörig zu sein, fremd. Grundsätzlich setze die Kollektivvertragsangehörigkeit von Arbeitgebern, die Mitglied eines kollektivvertragsfähigen, freiwilligen Arbeitgeberverbandes sind, eine demokratische Legitimierung des Verbandshandelns in Bezug auf seine Mitglieder und damit deren - wenn auch in Bezug auf das einzelne Mitglied unter Umständen nur minimalen - Einfluss auf die Willensbildung voraus. Besitze ein Mitglied überhaupt kein Stimmrecht und habe es daher nicht einmal einen minimalen Einfluss auf die Willensbildung im Verband und den Abschluss des Kollektivvertrages, könne ein solcher Kollektivvertrag ein derartiges Mitglied nicht binden. Im Fall der Dorotheum GmbH sei der Sachverhalt jedoch anders gelagert: Zwar habe sie über kein Stimmrecht in der Generalversammlung verfügt; da aber der Bankenverband auf Ersuchen des außerordentlichen Mitglieds Dorotheum GmbH einen nur für diese Gesellschaft geltenden und auf Arbeitgeberseite von deren Unternehmensleitung ausgehandelten Kollektivvertrag abgeschlossen habe, sei der Dorotheum GmbH auf den Abschluss des Kollektivvertrages und auf dessen inhaltliche Ausgestaltung ein ungleich größerer Einfluss zugekommen, als dies sonst bei ordentlichen Mitgliedern des Bankenverbandes im Zusammenhang mit dem "allgemeinen" Bankenkollektivvertrag der Fall sei. Für die Frage, ob ein Mitglied eines Arbeitgeberverbandes in Bezug auf einen von diesem Verband abgeschlossenen Kollektivvertrag kollektivvertragsangehörig sei, komme es in erster Linie auf den Einfluss des betroffenen Mitglieds auf das Zustandekommen des konkreten Kollektivvertrags und nicht (primär) auf die Verbandsstatuten an. Dieser Einfluss sei hier in besonders hohem Maß gegeben.

Wäre man - anders als oben dargelegt - der Ansicht, dass der Dorotheum-Kollektivvertrag wegen der nur außerordentlichen Mitgliedschaft der Dorotheum GmbH beim Bankenverband nicht die normativen Rechtswirkungen eines Kollektivvertrages gehabt habe, sondern sich lediglich als Vertragsschablone darstelle, wäre der Antrag ebenfalls berechtigt, weil dann die Arbeitnehmer der Dorotheum GmbH schon seit jeher dem Kollektivvertrag für die Handelsangestellten unterlegen wären. Auch unter dieser Voraussetzung hätte der Austritt der Dorotheum GmbH aus dem Bankenverband mit Wirkung vom 31. Dezember 1999 zur Beseitigung der Inhalte der Dorotheum-Kollektivverträge aus den Einzeldienstverträgen und zur ausschließlichen Geltung des Handelsangestellten-Kollektivvertrages geführt. Wie bei der "freien" (unzulässigen) Betriebsvereinbarung komme nämlich bei einem "freien" (unzulässigen) Kollektivvertrag dem konkreten Wissensstand von Arbeitgeber und Arbeitnehmer um die Unzulässigkeit des Kollektivvertrages entscheidende Bedeutung zu. Gingen beide Teile davon aus, dass der Kollektivvertrag gültig und wirksam sei, umfasse ein im Wege der Umdeutung ermitteltes Angebot des Arbeitgebers auf Einzelvertragsergänzung jedenfalls auch die Möglichkeit, den Inhalt des Anbots so zu ändern, wie es im Falle der Gültigkeit als Kollektivvertragsnorm gesetzlich vorgesehen wäre. Bei der unzulässigen Betriebsvereinbarung bedeute dies den Vorbehalt der Möglichkeit einer Abänderung im Einvernehmen mit dem Betriebsrat und beim unzulässigen Kollektivvertrag letztlich sämtliche vom Gesetz vorgesehenen Rechtsakte, die den Kollektivvertrag mit oder ohne Nachwirkung zum Erlöschen brächten oder durch einen anderen Kollektivvertrag ersetzten. Darunter falle nicht nur die Abänderung durch die Partner des unzulässigen Kollektivvertrages selbst, sondern auch der Neuabschluss eines zulässigen Kollektivvertrages (sofern dieser nach den gesetzlichen Kollisionsregeln den unzulässigen Kollektivvertrag, wäre er ein zulässiger Kollektivvertrag, ersetzt hätte) sowie der Verbandsaustritt. Auch unter der genannten Voraussetzung, dass die Dorotheum-Kollektivverträge lediglich als Vertragsschablone anzusehen wären, hätte daher der Austritt der Dorotheum GmbH aus dem Bankenverband zur Beseitigung der Inhalte der Dorotheum-Kollektivverträge aus den Einzeldienstverträgen und zur ausschließlichen Geltung des Handelsangestellten-Kollektivvertrages geführt. Damit habe aber auch unter dieser Voraussetzung die Dorotheum-Betriebsvereinbarung den 31. Dezember 1999 nicht überdauert. Auch insofern hätten die Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen dürfen, dass diese Betriebsvereinbarung die Geltung des sie legitimierenden Dorotheum-Kollektivvertrages (unabhängig von dessen Eigenschaft als Kollektivvertrag iSd Gesetzes) überdauern würde.

Vorsichtshalber werde jedoch im Hinblick auf den nunmehr ergänzend vorgetragenen Sachverhalt das Begehren dahin modifiziert, dass im Hauptantrag zu Pkt. 1) vor der Wortfolge "seit 1. Jänner 2000" und im Eventualantrag zu Pkt 1. vor der Wortfolge "mit Wirkung vom 1. Jänner 2000" jeweils das Wort "spätestens" eingefügt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Feststellungsantrag ist berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, dass der Antragsgegner in seiner Stellungnahme zum Feststellungsantrag sämtliche von der Antragstellerin in ihrer (aufgetragenen) ergänzenden Stellungnahme vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen bereits vorweggenommen und rechtlich gewürdigt hat. Es bestand daher keine Notwendigkeit, dem Antragsgegner Gelegenheit zu einer abermaligen Stellungnahme zu geben.

Der Einwand des Antragsgegners, der Feststellungsantrag sei abzuweisen, weil es der Antragstellerin nur um die Lösung abstrakter Rechtsfragen gehe, durch die keine Ansprüche geklärt und keine zukünftigen Rechtsstreitigkeiten verhindert werden könnten, ist unzutreffend. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt im Zusammenhang mit der Frage, welcher Kollektivvertrag auf bestimmte Arbeitsverhältnisse anwendbar ist, ein rechtliches Interesse an einer Feststellung nach § 54 Abs 2 ASGG bejaht (vgl etwa Arb 10.739; RdW 1988, 361 ua). Für die Frage der Weitergeltung einer Betriebsvereinbarung kann nichts anderes gelten.

Ebensowenig ist dem Standpunkt des Antragsgegners zu folgen, dass der Dorotheum-Kollektivvertrag nicht die normative Wirkung eines Kollektivvertrages gehabt habe, weil die Dorotheum GmbH nur außerordentliches Mitglied des (den Kollektivvertrag auf Arbeitgeberseite abschließenden) Bankenverbandes gewesen sei. Der Antragsgegner beruft sich dazu auf - andere Problemkreise betreffende - Ausführungen in Marhold/Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht II**2 69, wonach innerer Grund der Kollektivvertragsangehörigkeit die mögliche Einflussnahme der Mitglieder auf die Willensbildung ihrer kollektivvertragsfähigen Interessenvertretung sei; außerordentliche Mitglieder ohne Stimmrecht hätten diesen Einfluss aber nicht. Einer näheren Erörterung dieser Überlegungen bedarf es nicht, weil sie - selbst wenn man ihnen folgt - im hier zu beurteilenden Fall keinesfalls zum Tragen kommen:

Ob ein Arbeitgeber die Voraussetzungen der unbedingten Kollektivvertragsunterworfenheit erfüllt, richtet sich bei einer freien Berufsvereinigung nach den Bestimmungen über den Erwerb und den Inhalt der Mitgliedschaft (Strasser in Floretta/Strasser, Kommentar zum ArbVG 74; Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht II3 123). Ein allgemeiner Grundsatz, dass die außerordentliche Mitgliedschaft als solche den Begriff der Mitgliedschaft iS der §§ 6, 8 ArbVG nicht verwirklichen könne, existiert nicht; maßgeblich kann vielmehr nur sein, ob die konkrete Stellung des Arbeitgebers im Verband ihm hinreichende Einflussmöglichkeit im Hinblick auf abzuschließende Kollektivverträge vermittelt. Wenngleich die Dorotheum GmbH nur außerordentliches Mitglied des Bankenverbandes war, kam ihr aber im konkreten Fall nach dem dem Obersten Gerichtshof vom Antragsteller vorgelegten Sachverhalt im Zusammenhang mit dem hier zu beurteilenden Kollektivvertrag ganz erheblicher Einfluss auf die maßgebende Willensbildung dieses Verbandes zu, zumal dieser Kollektivvertrag nur über Ersuchen der Dorotheum GmbH geschlossen und nur von dieser auf Arbeitgeberseite verhandelt wurde. Ein von der Dorotheum GmbH nicht gebilligter Kollektivvertrag wäre nicht abgeschlossen werden. Angesichts dieses Umstandes kann aber nicht gesagt werden, dass die Dorotheum GmbH mangels hinreichenden Einflusses auf die Willensbildung bei der Beurteilung nach §§ 6 bzw. 8 ArbVG nicht als Mitglied des Bankenverbandes anzusehen wäre.

Nach der zuletzt genannten Bestimmung des § 6 ArbVG verliert - wenn einer freiwilligen Berufsvereinigung die Kollektivvertragsfähigkeit gemäß § 5 Abs 1 zuerkannt wird und diese einen Kollektivvertrag abschließt - die in Betracht kommende gesetzliche Interessenvertretung hinsichtlich der Mitglieder der Berufsvereinigung für die Dauer der Geltung und für den Geltungsbereich des von der Berufsvereinigung abgeschlossenen Kollektivvertrages die Kollektivvertragsfähigkeit. Damit wird der Vorrang der freien Berufsvereinigungen vor den gesetzlichen Interessenvertretungen normiert, was - da dem Bankenverband die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt wurde (vgl Strasser/Jabornegg, ArbVG3 Anm 6 zu § 4) - im hier zu beurteilenden Fall zur Folge hatte, dass ab dem Zeitpunkt des Abschlusses des Dorotheum-Kollektivvertrages die hier interessierenden Arbeitsverhältnisse im Bereich der Dorotheum GmbH ausschließlich vom Dorotheum-Kollektivvertrag erfasst waren (für alle: Strasser, aaO, 62 f).

Durch den Austritt aus einer freiwilligen Berufsvereinigung wird die durch diese Vereinigung vermittelte Kollektivvertragsunterworfenheit grundsätzlich nicht beendet. Dies ergibt sich aus § 8 Z 1 ArbVG, der normiert, dass - sofern der Kollektivvertrag nichts anderes bestimmt

Der aus dem freiwilligen Berufsverband ausgetretene Arbeitgeber bleibt so lange kollektivvertragsangehörig, bis er aus dem Geltungsbereich des Kollektivvertrages ausscheidet oder er kraft Mitgliedschaft zu einer anderen kollektivvertragsfähigen Körperschaft einem anderen Kollektivvertrag angehört (Marhold/Mayer-Maly, aaO, 68). In diesem Zusammenhang stützt sich die Antragstellerin auf Resch (aaO, S 772), der für den Fall des Austritts des Arbeitgebers aus einer freiwilligen Berufsvereinbarung im Hinblick auf den Grundsatz der "Mitgliedschaftsnähe" § 6 ArbVG nicht mehr als anwendbar erachtet und daraus ableitet, dass ein bereits zum Zeitpunkt des Austritts bestehender Kollektivvertrag der gesetzlichen Interessenvertretung der Weitergeltung des von der freiwilligen Berufsvereinigung abgeschlossenen Kollektivvertrages entgegensteht. Daraus leitet die Antragstellerin ab, dass mit dem Austritt der Dorotheum GmbH aus dem Bankenkollektivvertrag "automatisch" der (bzw. die) in Betracht kommende, bereits bestehende Kollektivvertrag (bzw. die in Betracht kommenden, bereits bestehenden Kollektivverträge) der gesetzlichen Interessenvertretung in Kraft tritt bzw. treten. Demgegenüber vertritt der Antragsgegner die Meinung, dass erst der Abschluss eines neuen Kollektivvertrages durch eine kollektivvertragsfähige Körperschaft die Weitergeltung des Kollektivvertrages der freiwilligen Berufsvereinigung, aus der der Arbeitgeber ausgetreten ist, beendet (zum zuletzt wiedergegebenen Standpunkt vgl die Ausführungen zum rechtsähnlichen Fall der Nachwirkung des Kollektivvertrages iS § 13 ArbVG im Falle des Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit der freiwilligen Berufsvereinigung [§ 17 Abs 3 ArbVG] in Schwarz/Löschnigg, aaO, 91: Danach treten durch den seinerzeit iS § 6 ArbVG erloschene Kollektivverträge der gesetzlichen Interessenvertretung nicht automatisch wieder in Wirksamkeit; auch jene Kollektivverträge, die die gesetzliche Interessenvertretung während der Geltungsdauer des Kollektivvertrages der freiwilligen Interessenvertretung abgeschlossen hat, seien nach dem Erlöschen des speziellen Kollektivvertrages nicht anwendbar, da ein "rückwirkendes Aufleben" der Kollektivvertragsfähigkeit mit der gesetzlichen Konstruktion nicht vereinbar sei; aM allerdings Resch, aaO 769, der sich auf Strasser, aaO 62, beruft, wo allerdings nur vom Wiederaufleben der Kollektivvertragsfähigkeit die Rede ist).

Auch diese Streitfrage braucht jedoch - wie die Antragstellerin richtig erkennt - nicht geklärt zu werden, weil im hier zu beurteilenden Fall gleichzeitig mit der Wirksamkeit des Austrittes der Dorotheum GmbH ein auf Arbeitgeberseite von der gesetzlichen Interessenvertretung neu abgeschlossener Kollektivvertrag für die Handelsangestellten abgeschlossen wurde. Da überdies - wie noch zu zeigen sein wird - dieser neue Handels-Kollektivvertrag nach dem behaupteten Sachverhalt für den gesamten Bereich der vom Antrag erfassten Arbeitsverhältnisse gilt, stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, ob auch bereits zum Zeitpunkt des Austritts bestehende Kollektivverträge der gesetzlichen Interessenvertretung der Weitergeltung des Dorotheum-Kollektivvertrages entgegenstehen, nicht.

Der Antragsgegner bestreitet allerdings auch, dass das mit 1. 1. 2000 erfolgte Inkrafttreten des neuen Handels-Kollektivvertrages der Weitergeltung des Dorotheum-Kollektivvertrages entgegensteht und begründet dies unter Berufung auf die Entscheidung Arb 10.739 damit, dass mit einem "neuen" Kollektivvertrag iS des § 13 ArbVG ein Kollektivvertrag gemeint ist, der nach seinem Regelungscharakter (allgemeiner oder spezieller Kollektivvertrag) dem außer Kraft getretenen, um dessen Nachwirkungen es geht, entspricht. Das Wirksamwerden eines neuen allgemeinen Kollektivvertrages beende hingegen die Nachwirkungen eines außer Kraft getretenen speziellen Kollektivvertrages nicht.

Die vom Antragsgegner zitierte Entscheidung Arb 10.739, die sich auf entsprechende Ausführungen Strassers, aaO, 102 f bezieht, betrifft - wie er selbst erkennt - nicht die Frage der Weitergeltung des Kollektivvertrages nach § 8 Z 1 ArbVG, sondern die Frage der Nachwirkung eines erloschenen Kollektivvertrages. Selbst wenn man ihre Aussagen auch auf den hier zu beurteilenden Fall der Weitergeltung nach § 8 Z 1 ArbVG beziehen wollte, wäre dadurch für den Standpunkt des Antragsgegners nichts zu gewinnen:

Strasser (aaO, 102 f) und - dessen Ausführungen folgend - die Entscheidung Arb 10.739 beziehen ihre Ausführungen über allgemeine und spezielle Kollektivverträge auf den jeweiligen Regelungsbereich des Kollektivvertrages. Strasser verweist darauf, dass das Gesetz ganz offenbar von der (nicht ausgesprochenen) Voraussetzung ausgehe, dass die Arbeitsverhältnisse im Rahmen einer bestimmten Berufsgruppe stets nur durch einen (Branchen)Kollektivvertrag umfassend geregelt werden (allgemeiner Kollektivvertrag). Von diesem einfachen Regelungsmodell ausgehend meine das Gesetz, dass immer dann, wenn ein solcher außer Kraft getretener allgemeiner Kollektivvertrag, der nur mehr im Wege der Nachwirkung auf die Arbeitsverhältnisse regelnd einwirke, durch einen neuen allgemeinen Kollektivvertrag ersetzt werde, die Nachwirkung des alten ende und die volle Rechtswirkung des neuen beginne, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der neue Kollektivvertrag günstiger oder ungünstiger als der alte sei, oder ob der neue Kollektivvertrag günstiger oder ungünstiger als der alte sei, oder ob der neue Kollektivvertrag im Vergleich zu alten die gleichen Angelegenheiten oder weniger Angelegenheiten oder überhaupt andere Angelegenheiten regle. Es gelte der Grundsatz, dass der neue Regelungskomplex den alten ohne Rücksicht auf Art und Umfang seines Inhalts ersetze. Dieses Regelungsmodell und damit die von ihm ausgehende Regelung, passe immer dann nicht, wenn für eine und dieselbe Berufsgruppe neben einem allgemeinen Kollektivvertrag Spezialkollektivverträge über einzelne besondere Gegenstände abgeschlossen werden. Es sei davon auszugehen, dass die Nachwirkung eines außer Kraft getretenen allgemeinen Kollektivvertrages durch das Wirksamwerden eines speziellen Kollektivvertrages in der Regel nicht beendet werde. Desgleichen beende in der Regel das Wirksamwerden eines neuen allgemeinen Kollektivvertrages nicht die Nachwirkung eines außer Kraft getretenen speziellen Kollektivvertrages. Ob ein allgemeiner oder ein spezieller Kollektivvertrag vorliege, sei Auslegungsfrage. Ein "neuer Kollektivvertrag" sei ein Kollektivvertrag, der seinem Regelungscharakter nach (allgemeiner, auf umfassende Regelung abzielender, wenn auch diese nicht erreichender Kollektivvertrag, oder spezieller, sich auf einzelne Arbeitsbedingungen beschränkender Kollektivvertrag), dem außer Kraft getretenen, um dessen Nachwirkung es gehe, entspreche (so auch Tomandl/Schramml, aaO, 152). Diesen Ausführungen - und der ihnen folgenden Entscheidung - ist daher nicht zu entnehmen, dass ein allgemeiner (auf umfassende Regelung der betroffenen Arbeitsverhältnisse abzielender) Kollektivvertrag, der - wie hier - nur für einen bestimmten Arbeitgeber gilt, nicht durch einen ebenso allgemeinen, für alle Handelsangestellte geltenden Kollektivvertrag ersetzt werden könnte. Dafür ist auch kein sachlich zwingender Grund erkennbar. Dazu kommt gerade im vorliegenden Fall, dass Ansatzpunkt für die vom Antragsgegner ins Treffen geführte "Spezialität" des Dorotheum-Kollektivvertrages (die allerdings nicht den ohnedies allgemeinen Regelungsbereich, sondern die Geltung nur für einen Arbeitgeber betrifft) die Bankfiliale der Dorotheum GmbH war, die aber mittlerweile weggefallen ist. Damit ist aber der Antragstellerin beizupflichten, dass die aus § 8 Z 1 ArbVG resultierende Weitergeltung des Dorotheum-Kollektivvertrages durch das nahtlos an den Austritt der Dorotheum GmbH anschließende Inkrafttreten des ebenfalls allgemeinen Handels-Kollektivvertrages beendet bzw ausgeschlossen wurde.

Die Frage, ob nach dem Austritt der Dorotheum GmbH aus dem Bankenverband nur ein Kollektivvertrag - nämlich der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten - zur Anwendung kommt oder ob mehrere Kollektivverträge der gesetzlichen Interessenvertretung der Dorotheum GmbH zur Anwendung kommen, ist - wie beide Seiten richtig erkennen - nach § 9 ArbVG zu beurteilen. Nach dessen Abs 1 findet - wenn ein mehrfach kollektivvertragsangehöriger Arbeitgeber über zwei oder mehrere Betriebe verfügt - auf die Arbeitnehmer der jeweilige dem Betrieb in fachlicher und örtlicher Beziehung entsprechende Kollektivvertrag Anwendung. Nach § 9 Abs 2 ArbVG ist diese Regelung des Abs 1 sinngemäß anzuwenden, wenn es sich um Haupt- und Nebenbetriebe oder um organisatorisch und fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen handelt. Liegen auch diese Voraussetzungen nicht vor, findet gemäß § 9 Abs 3 ArbVG jener Kollektivvertrag Anwendung, der für den fachlichen Wirtschaftsbereich gilt, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat.

Die Meinung des Antragsgegners, die Überprüfung dieser Voraussetzungen verlange eine detaillierte Klarstellung des Sachverhaltes und könne deshalb im Rahmen dieses Verfahrens nicht erfolgen, trifft nicht zu. Mögen auch die entsprechenden Behauptungen der Antragstellerin knapp sein und auch wertende Elemente enthalten, sind ihrem Vorbringen insgesamt doch dem Tatsachenbereich zuzurechnende Behauptungen zu entnehmen, wonach die Dorotheum GmbH weder über zwei oder mehrere Betriebe noch über Haupt- und Nebenbetriebe verfügt, wonach organisatorisch und fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen nicht gegeben sind und wonach die durch Handels-Gewerbeberechtigungen abgedeckten Bereiche der Dorotheum GmbH die weitaus überwiegende Anzahl an Arbeitnehmern und den Großteil des Umsatzes aufweisen. An dieses dem Tatsachenbereich zuzurechnende Vorbringen der Antragstellerin ist der Oberste Gerichtshof im Verfahren nach § 54 Abs 2 ArbVG gebunden; eine Überprüfung der Tatsachenbehauptungen hat nicht stattzufinden (Kuderna, ASGG**2 359). Dieser von der Antragstellerin im Hinblick auf die Prüfung nach § 9 ArbVG vorgebrachte Sachverhalt führt aber dazu, dass für den gesamten vom Antrag umfassten Bereich ab 1. 1. 2000 der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten anzuwenden ist.

Punkt 2. des Feststellungsantrages betrifft jene Bestimmungen der Dorotheum-Betriebsvereinbarung, die sich nicht auf einen gesetzlichen Regelungstatbestand, sondern ausschließlich auf die kollektivvertragliche Zulassungsnorm des § 16 Abs 2 des Dorotheum-Kollektivvertrages stützen können. Da - wie gezeigt - der Dorotheum-Kollektivvertrag ab 1. 1. 2000 nicht mehr anzuwenden ist, stellt sich daher die Frage nach der Weitergeltung dieser Teile der Dorotheum-Betriebsvereinbarung.

Floretta/Spielbüchler/Strasser (aaO 402) vertreten dazu die Auffassung, dass bei Wegfall des gemäß § 29 ArbVG für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung erforderlichen gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Vorbehaltes die Geltungsdauer jedenfalls einer normativen Betriebsvereinbarung endet. Dem schließt sich Jabornegg (aaO, 116) - wenn auch in Zusammenhang mit Betriebsübergängen - an; es vertritt die Auffassung, es könne unmöglich angenommen werden, dass in einem Betrieb eine betriebliche kollektive Norm in Kraft stehe, für die den in Betracht kommenden Betriebsparteien die notwendige Rechtssetzungsbefugnis überhaupt fehle, und die auch einvernehmlich von den Betriebsparteien (mangels Rechtssetzungsbefugnis) nie mehr abgeändert oder aufgelöst werden könnte.

Demgegenüber vertreten Cerny/Gahleitner (in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht II**2 185) - ebenfalls im Zusammenhang mit Betriebsübergängen - die Auffassung, dass - da der Abschluss der Betriebsvereinbarung trotz der kollektivvertragsrechtlichen Ermächtigungsklausel jedenfalls freiwillig erfolgt sei - kein Anlass bestehe, bei Wegfall der Ermächtigungsnorm die Betriebsvereinbarung in Frage zu stellen. Vielmehr bestehe die Betriebsvereinbarung normativ weiter; sie könne (mit Nachwirkungen) gekündigt und im Einvernehmen mit dem Betriebsrat jederzeit geändert werden.

Der Oberste Gerichtshof schließt sich dem dazu von Jabornegg und Floretta/Spielbüchler/Strasser vertretenen Standpunkt an, weil nur dieser dem Umstand Rechnung trägt, dass mit dem Wegfall der kollektivvertraglichen Ermächtigungsnorm die (von den Kollektivvertragsparteien abgeleitete [Strasser, aaO, 171]) Rechtssetzungsbefugnis der Betriebspartner beseitigt ist und daher eine einvernehmliche Änderung der Betriebsvereinbarung nicht mehr möglich ist. Eine Kündigung wäre zwar möglich, hätte aber iS § 32 Abs 3 ArbVG die Nachwirkung der Betriebsvereinbarung zur Folge, die - mangels Rechtssetzungsbefugnis der Betriebsparteien - nie mehr beendet werden könnte.

Dies bedeutet, dass die Dorotheum Betriebsvereinbarung mit 1. 1. 2000 erloschen ist, wobei dieses Erlöschen ohne Nachwirkung erfolgt, weil nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 32 Abs 3 ArbVG die Nachwirkung einer erloschenen Betriebsvereinbarung nur für den Fall der Kündigung normiert wird (Jabornegg, aaO 116).

Der vom Antragsgegner als denkbar erachteten Lösungsvariante, den Wegfall der kollektivvertraglichen Ermächtigung der Kündigung gleichzuhalten und damit Nachwirkungen eintreten zu lassen, entbehrt - wie eben gezeigt - einer gesetzlichen Grundlage. Die analoge Anwendung des § 32 Abs 3 Satz 2 ArbVG auf den hier zu beurteilenden Fall kommt nicht in Betracht, weil eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes nicht erkennbar ist. Außerdem hätte die analoge Anwendung der zitierten Bestimmung die oben beschrieben Folge, dass die Nachwirkung mangels einer Rechtssetzungsbefugnis der Betriebsparteien nicht mehr beendet werden könnte (so auch Jabornegg, aaO 116). Das mag - wie Jabornegg (aaO 116) andeutet - im Ergebnis wenig zufriedenstellend sein - ist aber aufgrund der Gesetzeslage unvermeidbar.

Den hier zu beurteilenden Fall einer "freien" Betriebsvereinbarung gleichzuhalten und von einer entsprechenden Ergänzung der Einzelverträge auszugehen, kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil für die Annahme eines Erklärungsverhaltens des Arbeitgebers, durch Zustimmung zu einer (damals) zulässigen Betriebsvereinbarung einer entsprechenden Änderung der Einzelverträge zuzustimmen, die nur mehr durch korrespondierende Einzelvereinbarungen abänderbar wäre, jede Grundlage fehlt.

Damit erweist sich der Feststellungsantrag zur Gänze als berechtigt, wobei - da der Einwand des Antragsgegners, der Dorotheum-Kollektivvertrag habe nicht die Wirkung eines Kollektivvertrages gehabt, unzutreffend ist - die diesem Einwand Rechnung tragende Modifizierung des Begehrens einer Grundlage entbehrt. Dem Antrag war daher in seiner ursprünglichen Form stattzugeben.

Die Frage, welche Auswirkungen die Geltung des Handels-Kollektivvertrages auf das im Betrieb der Dorotheum-GmbH bisher gezahlte Entgelt bzw auf andere aufgrund dieses Kollektivvertrages bestehende Ansprüche hat, wurde an den Obersten Gerichtshof nicht herangetragen.

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