OGH 12Os133/00

OGH12Os133/0014.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wojciech B***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 20. Juni 2000, GZ 20 Vr 616/99-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Wojciech B***** wurde der Verbrechen (I/1 und 2) der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF und (II) des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB nF, jeweils in Tateinheit (III) mit dem Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er im Sommer 1998 und Ende 1998 in St. Pölten und an anderen Orten, teils unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person, (I/1 und 2) die am 17. April 1985 geborene, somit (damals) unmündige Martyna K***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbrauchte, indem er einen Finger in ihre Scheide einführte, sie veranlasste, sein Glied in den Mund zu nehmen und sein Glied zu berühren, sowie an ihrer Scheide leckte, ferner (II) an dem Mädchen außer dem Fall des § 206 StGB nF durch mehrfaches Betasten und Küssen der Brüste und Berühren der Genitalregion wiederholt geschlechtliche Handlungen vornahm.

Den weiteren Anklagevorwurf (Punkt I/1 und 2 der Anklageschrift ON 17), wonach der Angeklagte im Sommer 1998 und Ende 1998 an Martyna K***** den Beischlaf und eine diesem gleichzusetzende geschlechtliche Handlung, nämlich eine Fingerpenetration unternommen habe, hielt das Erstgericht, ohne insoweit allerdings in den Urteilsspruch einen Freispruch aufzunehmen, im Zweifel für nicht erweislich (US 6, 7 und 12).

Die gegen diesen Formalverstoß aus der Z 9 lit a und gegen den Schuldspruch aus der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt.

Rechtliche Beurteilung

Mit jenen Beweisergebnissen, auf die das Erstgericht in sorgfältiger Abwägung der für und gegen die Anzeigebehauptungen sprechenden Argumente den Schuldspruch stützte (US 8 bis 10), wurde dieser nicht nur logisch richtig, sondern - entgegen der Beschwerdesicht (Z 5) - auch ohne Verstoß gegen die Grundsätze der Lebenserfahrung und ohne Vernachlässigung wesentlicher den Urteilsannahmen widerstreitender Verfahrensumstände begründet. Dass die Aussage des Tatopfers den Schöffensenat nicht in allen Details überzeugte (US 7 und 9), vermag die Tragfähigkeit der Begründungskomponenten in ihrer Gesamtheit auch dann nicht zu schmälern, wenn die örtlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen der einzelnen sexuellen Übergriffe eine vorsichtige und kühl berechnend agierende Person - ein im hier relevanten Kriminalitätszweig allerdings nicht geradezu dominant vertretener Tätertyp - vermutlich davon abgehalten hätte.

Alle in diesem Zusammenhang zu den einzelnen Urteilsfakten ins Treffen geführten Argumente ändern nichts daran, dass die Tatbegehung unter den spezifischen Modalitäten, wie sie in der allein für glaubwürdig erachteten Aussage des Mädchens behauptet wurden, in jedem Fall, sei es im Freibad Krems (325), am Ratzersdorfer See (363 f), in der Wohnung des Angeklagten (349 f), in jener seiner geschiedenen Gattin in Polen (345, 347) oder schließlich in der Sauna des Hallenbades in Krems (329), ohne Beobachtung durch andere grundsätzlich möglich war, mag auch teilweise die - gelegentlich nicht einmal unwahrscheinliche - Gefahr der Entdeckung bestanden haben.

Aus Letzterem folgt aber nicht der behauptete Gegensatz zu empirischen Erfahrungswerten sondern eine damit durchaus harmonierende Dreistigkeit des Angeklagten in seinem Verhalten gegenüber dem unmündigen Mädchen, die vor dem Hintergrund der Urteilsgründe im Interesse deren gesetzesgewollten Straffung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht jeweils gesondert an Hand der jeweiligen Tatumstände eigenes zu hinterfragen war.

Der Umstand, dass sich Martyna K***** auf Grund einbekannter Erinnerungsdefizite (339, 343) im Einklang mit der Beurteilung der psychologischen Sachverständigen (61) außer Stande sah, den chronologischen Ablauf der jeweils inhaltsgleich geschilderten Taten vor der Polizei einerseits (99 f) und dem Gericht andererseits (207 f, 321 f) übereinstimmend anzugeben, wurde im Urteil ohnehin gewürdigt (US 8 und 9) und damit fallbezogen auch klargestellt, dass sich das Erstgericht insoweit der tatnäheren Version der Zeugin vor der Polizei anschloss.

Gleiches gilt für die problematische Persönlichkeit des Mädchens (US 8). Dass dieses trotz negativer Erfahrungen dem Angeklagten in seine Wohnung folgte, fügt sich nahtlos in das in der Expertise erhobene Persönlichkeitsbild ein (65) und musste angesichts der globalen Übernahme des Sachverständigenkalküls vom Erstgericht nicht gesondert erörtert werden.

Die übrigen Einwände der Mängelrüge (Z 5) betreffen entweder bloße Randbereiche des Geschehensablaufes, etwa die exakte Position des Angeklagten und des Opfers im Schwimmbecken des Bades in Krems (US 5), oder Behauptungen des Beschwerdeführers, die nur in seiner eigenen, vom Erstgericht allerdings abgelehnten Verantwortung, nicht aber in der Aussage der Tatzeugin bzw im Sachverständigengutachten Deckung finden. Dies trifft auf das angebliche Rachemotiv (391) in gleicher Weise zu (65), wie auf die Beschwerdebehauptung, die Plattform am Ratzersdorfer See habe sich in Sichtweite zur Familie des Opfers befunden und sei nicht nur vorübergehend auch von anderen Personen besetzt gewesen (343 f).

Eine Auseinandersetzung in den Entscheidungsgründen war in diesem Zusammenhang demnach ausnahmslos entbehrlich.

Da die bloße Unterlassung eines Freispruchs im Urteilssatz bei insoweit - wie hier (US 6, 7 und 12) - eindeutigen Urteilsgründen nur einen nicht mit Nichtigkeit bedrohten Formalverstoß gegen die Bestimmung des § 259 StPO darstellt (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 7 E 8 und 9), war die im Übrigen offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft ist damit das Oberlandesgericht Wien zuständig (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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