OGH 6Ob300/00m

OGH6Ob300/00m14.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Elisabeth H*****, Rechtsanwältin, ***** als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des Wolfgang S*****, Transportunternehmer, ***** gegen die beklagte Partei W*****-AG, ***** vertreten durch Hajek & Boss & Wagner, Rechtsanwälte OEG in Eisenstadt, wegen 300.000 S, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 31. August 2000, GZ 3 R 121/99g-31, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 14. April 1999, GZ 3 Cg 99/97v-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch von Kosten für ihre Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Gemeinschuldner betrieb ein Güterbeförderungsunternehmen mit ca 40 LKW-Zügen. Er war bei der Beklagten haftpflichtversichert. Am 24. 1. 1996 betrug der Prämienrückstand 898.249,40 S. Der vereinbarte Bankeinzug der Prämien war schon ab Mai 1995 nicht mehr möglich gewesen. Gegen den Gemeinschuldner wurde von anderen Gläubigern Exekution geführt. Er war ursprünglich bei einem anderen Versicherungsunternehmen versichert. Dieses kündigte das Versicherungsverhältnis wegen hoher Prämienrückstände auf. Dieser Umstand war der Beklagten bei Abschluss ihres Versicherungsvertrages mit dem Gemeinschuldner bekannt. Die Beklagte mahnte ihren Versicherungsnehmer mehrfach und drohte ihm die Abnahme der Kraftfahrzeugkennzeichen an. Er erklärte, dass die Zahlung des Rückstandes nicht möglich sei. Er schloss mit der Beklagten eine Ratenvereinbarung. Es sollten zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes Zahlungen zumindest in der Höhe dre laufenden Prämien geleistet werden, und zwar am 1. 7. 1996 100.000 S, weitere 200.000 S in der 28. Woche (Juli) und darüber hinaus jede weitere Woche 100.000 S bis zur Begleichung aller offenen Prämien. Der Versicherungsnehmer leistete am 26. 4. 1996, 1. 7. 1996 und 30. 7. 1996 Zahlungen von je 100.000 S. Am 7. 8. 1996 wurde der Konkurs über das Vermögen des Versicherungsnehmers eröffnet.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes sei eine Widmung der Zahlungen nicht erfolgt. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine Verrechnung ausschließlich auf laufende Prämien erfolgte. Bei der Beklagten seien Zahlungen nur auf einem Prämienverrechnungskonto durch Verringerung des Gesamtsaldos verrechnet worden. Der offene Saldo habe am 1. 4. 1996 2,801.424,60 S an offenen Prämien ausgemacht und habe sich trotz der Zahlung von 100.000 S bis Ende April 1996 auf 2,995.504,90 S erhöht.

Die Masseverwalterin ficht die Prämienzahlungen des Gemeinschuldners vom 26. 4. 1996, 1. 7. 1996 und 30. 7. 1996 wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gestützt auf § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO an.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bejahte eine fahrlässige Unkenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit ihres Versicherungsnehmers im Wesentlichen deshalb, weil schon 1995 ein beträchtlicher Prämienrückstand bestanden habe, im Mai 1995 die Möglichkeit der Einbringung der Prämien im Wege des Bankeinzugs weggefallen und eine getroffene Ratenvereinbarung gescheitert sei. Bei fast ein Jahr andauernden Zahlungsschwierigkeiten habe die Beklagte nicht mehr auf eine bloße Zahlungsstockung vertrauen dürfen, insbesondere weil der Versicherungsnehmer selbst erklärt habe, den Rückstand nicht bezahlen zu können. Zug-um-Zug-Geschäfte könnten nicht nach § 31 Abs 1 Z 1 und 2 erster Fall KO angefochten werden, weil die Gläubigerstellung erst gleichzeitig mit der Sicherung oder Befriedigung begründet werde. Die Vereinbarung einer Zug-um-Zug-Abwicklung und die tatsächliche Abwicklung des Geschäftes in einem engen zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang seien Voraussetzung dafür, dass die Leistung nicht angefochten werden könne. Bei Dauerschuldverhältnissen, bei denen der spätere Gemeinschuldner nachleistungspflichtig sei, gehe die oberstgerichtliche Rechtsprechung jedenfalls dann noch von einer Zug-um-Zug-Abwicklung aus, wenn das auf einen bestimmten Verrechnungszeitraum entfallende Entgelt erst nach Ablauf der nächstfolgenden Verrechnungsperiode bezahlt werde, weil dann immer noch ein enger zeitlicher Zusammenhang vorliege. Dies gelte für den Bereich von Mietzinszahlungen und Zahlungen von Arbeitslohn, nicht aber für die Zahlung von Leasingraten. Gegen diese Ausweitung des Zug-um-Zug-Prinzips gebe es in der Lehre überzeugende Gegenmeinungen. Nach dem Versicherungsvertragsgesetz sei der Versicherungsnehmer im Ergebnis zur Vorauszahlung der Prämie verpflichtet. Durch die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes habe die Beklagte im Ergebnis dem Versicherungsnehmer kreditiert. Durch die gepflogene laufende Verrechnung sei durch die Zahlungen die Schuld aus den Vorperioden (1995) gesenkt worden. Prämienzahlungen seien - wenn nichts Anderes vereinbart werde - auf den ältesten Rückstand anzurechnen. Die Beklagte habe die Deckung des gesamten Rückstandes gefordert, ohne in der Folgeperiode eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten. Im Hinblick auf die Fälligkeit der einzelnen Versicherungsraten könne nicht von einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der geleisteten Zahlung und dem Weitergewähren des Versicherungsschutzes hergestellt werden. Durch die Zahlungen im Juli 1996 sei der rückständige Saldo effektiv gesenkt, also eine Rückzahlung geleistet worden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Zug-um-Zug-Abwicklung bei der Bezahlung rückständiger Versicherungsprämien nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Die Anfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO scheidet bei Zug-um-Zug-Geschäften aus, weil der Anfechtungstatbestand eine schon bestehende Gläubigerstellung voraussetzt, die bei einem Bargeschäft erst gleichzeitig mit dem Leistungsaustausch begründet wird (SZ 64/73; ZIK 1999, 24 uva).

Über den Zug-um-Zug-Charakter von Zahlungen eines Schuldners in der Krise, die im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses und bei Vorliegen von Zahlungsrückständen erfolgen, besteht in der Lehre und der oberstgerichtlichen Rechtsprechung kein einheitlicher Meinungsstand. Eine auf die laufende periodisch wiederkehrende Schuld geleistete (und gewidmete) Zahlung ist anfechtungsfest. Beispielsweise steht die Zahlung von Mieten oder Arbeitslöhnen in einem Zug um Zug zu erfüllenden Austauschverhältnis. Nach einem Teil der Lehre und der ihr folgenden oberstgerichtlichen Rechtsprechung wird in diesem Bereich die Zug-um-Zug-Verknüpfung auch noch bei Zahlungen auf Schulden aus einer früheren Leistungsperiode (also bei Rückstandszahlungen) bejaht, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang dieser Zahlung mit der bereits erbrachten Gegenleistung besteht. Diese für Zahlungen von rückständigen Mietzinsen (7 Ob 2278/96p, Leitsatz veröffentlicht in ZIK 1997, 225) und Arbeitsentgelten (EvBl 1989/21) vertretene Auffassung über eine phasenverschobene Zug-um-Zug-Verknüpfung setzt jedenfalls einen engen zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang der Leistungen voraus. Diese auch auf den Kontokorrentkredit angewendete (ZIK 1999, 24), unter anderem auf die Lehrmeinung H. Finks (ÖBA 1992, 809) zurückgehende wirtschaftliche Betrachtungsweise ist in der Lehre auf Widerstand gestoßen (ua Widhalm, Kontokorrentkredit und Anfechtung nach den Gläubigertatbeständen, ZIK 1999, 39; Rebernig, Konkursanfechtung des Kontokorrentkredites, Rz 100; Rebernig, Das Phantom des "Zug-um-Zug-Geschäftes" im System der Konkursanfechtung, ZIK 2000, 74). Wenn bei beträchtlichen Prämienrückständen über mehrere Zahlungsperioden nicht gewidmete Zahlungen des Versicherungsnehmers erfolgen, ist die an sich erhebliche Rechtsfrage nach dem Zug-um-Zug-Charakter selbst bei Anerkennung der für den Standpunkt der Beklagten günstigen Vorjudikatur über die periodenübergreifende Betrachtungsweise nicht entscheidungswesentlich: Bei länger zurückliegenden Rückstandsperioden fehlt jedenfalls der erforderliche enge Zusammenhang der Zahlung mit der Gegenleistung (7 Ob 2278/96p). Die festgestellte Ratenvereinbarung kann nicht dahin ausgelegt werden, dass die Prämienzahlungen ein Entgelt für den Verzicht auf die Kündigung des Versicherungsvertrages sein sollten. Die Zahlungen waren zwar die vereinbarte Bedingung für die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes, nicht aber das Entgelt für den Kündigungsverzicht. Die Zahlungen haben ihren Charakter als Erfüllungshandlung der schon bestehenden Schuld nicht geändert und eine Gläubigerstellung der Beklagten nicht erst herbeigeführt. Eine nähere Befassung mit diesem Thema kann hier aber schon deshalb unterbleiben, weil die Revisionswerberin dazu nichts ausführt und nur von dem nicht festgestellten Sachverhalt ausgeht, dass vereinbarungsgemäß die "Zahlungen auf die laufenden Prämien zu verrechnen" gewesen wären. Die dazu getroffene Negativfeststellung geht aber zu Lasten der für den Zug-um-Zug-Charakter der angefochtenen Zahlung beweispflichtigen Beklagten. Nach den Feststellungen ist mangels einer Vereinbarung und Widmung der Zahlungen auf die zuletzt fällig gewordenen Prämien von Zahlungen auf den Prämienrückstand auszugehen (§ 1416 ABGB; vgl SZ 62/17). Dazu kann auf die zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden.

Gegen die Bejahung des fahrlässigen Nichterkennens der Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsnehmers führt die Revisionswerberin die bloße Behauptung einer Zahlungsstockung ins Treffen. Damit kann sie die gesetzliche Vermutung des § 66 Abs 2 KO und die im Einklang mit der Lehre und der oberstgerichtlichen Rechtsprechung stehende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht widerlegen. Erhebliche Rechtsfragen werden in der Revision nicht aufgezeigt.

Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, waren ihr keine Kosten für ihre Revisionsbeantwortung zuzusprechen.

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