OGH 15Os161/00

OGH15Os161/0014.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Janitsch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alois W***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 dritter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 6. September 2000, GZ 9 Vr 680/00-10, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil in den Schuldsprüchen 2 bis 5 und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch seine (teilweise) erfolglose Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alois W***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 dritter Fall StGB (5) und des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (1 bis 4) schuldig erkannt.

Danach hat er zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten zwischen Juli 1996 und März 1998 sowie am 29. September 1999 in Apetlon und Deutsch-Jahrndorf außer den Fällen des § 201 StGB Personen mit Gewalt zur Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt, und zwar

1. Ulrike S*****, indem er sie an der Hand in den Bereitschaftsdienstraum zerrte, sie auf ein aufgeklapptes Bett drückte, die Knöpfe ihres Uniformhemdes öffnete, ihr T-Shirt hinaufschob und sie trotz ihres körperlichen Widerstandes an den Brüsten betastete;

2. Klaudia K***** dadurch, dass er von hinten seinen bekleideten Körper und im besonderen sein erregtes Glied gegen ihr Gesäß und sie so gegen die Abwasch drückte;

3. Alexandra K*****, die er gegen die Wand drückte und am ganzen Körper sexuell motiviert betastete;

4. Corinna K*****, der er entgegen ihrer Gegenwehr auf die Brüste griff und

5. Adelheid H*****, die er gegen ihr Auto drückte und sie über der Kleidung an ihren Brüsten betastete, wobei er sie durch die Tat in besonderer Weise erniedrigte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Soweit diese aus Z 3 und 5 des § 281 Abs 1 StPO den Schuldspruch 1 (Faktum Ulrike S*****) bekämpft, kommt ihr keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Unter beiden Nichtigkeitsgründen macht der Beschwerdeführer geltend, das Schöffengericht habe nicht eindeutig festgestellt, wie Ulrike S***** in den Bereitschaftsdienstraum gezerrt worden sei (Urteilsspruch: an der Hand; US 6 und 7: an den Haaren; US 10: an der Hand und mit den Haaren). Damit seien entscheidungswesentliche Feststellungen nicht in den Urteilsspruch aufgenommen worden (Z 3) und liege auch eine Undeutlichkeit (Z 5) vor.

Der Einwand betrifft indes keinen für den Schuldspruch maßgeblichen Umstand. Das Vergehen nach § 202 Abs 1 StGB verwirklicht, wer (außer dem Fall des § 201 StGB) eine Person mit Gewalt (oder durch gefährliche Drohung) zur (Vornahme oder) Duldung einer geschlechtlichen Handlung nötigt. Als Nötigungsmittel genügt jede Art von Gewalt im Sinne des Einsatzes einer nicht ganz unerheblichen physischen Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder vermuteten Widerstandes; einer besonderen Intensität der Kraftanwendung bedarf es nicht (Leukauf/Steininger Komm3 § 202 RN 8 iVm § 201 RN 19; Mayerhofer StGB5 § 202 E 1 und 1a).

Nach den insoweit widerspruchsfreien Feststellungen der Tatrichter drückte der Angeklagte die Ulrike S***** vorsätzlich auf ein Bett, öffnete die Knöpfe ihres Uniformhemdes, schob ihr T-Shirt hinauf und betastete trotz ihres körperlichen Widerstandes deren Brüste (US 2, 7 und 11). Bereits dieser Sachverhalt erfüllt das vom Erstgericht angenommene Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB, weil das Drücken auf das Bett allein als Gewaltanwendung zur Überwindung des körperlichen Widerstandes ausreicht. Damit betrifft aber der in der Beschwerde aufgezeigte Widerspruch über das Verbringen des Opfers in den Bereitschaftsdienstraum keinen für die Entscheidung in der Schuldfrage oder für die Individualisierung der Tat wesentlichen Umstand und liegen daher die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht vor.

In diesem Umfang war somit die Nichtigkeitsbeschwerde als offenbar unbegründet in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Im Recht sind aber die gegen die Urteilsfakten 2 bis 5 erhobenen Rechtsrügen (Z 9 lit a), soweit sie monieren, dass die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen für eine Beurteilung der Taten nach § 202 Abs 1 StGB nicht ausreichen, womit Feststellungsmängel geltend gemacht werden.

Zum Schuldspruch 2 (zum Nachteil von Klaudia K*****) stellte der Schöffensenat fest: Der Angeklagte kam von hinten auf Klaudia K***** zu und drückte seinen Körper und sein erigiertes Glied, wobei sich der Angeklagte in bekleidetem Zustand befand, an das Gesäß der Klaudia K*****. Er hielt sie jedoch nicht mit den Händen fest, sondern drückte nur seinen Körper gegen den ihren, wobei es Klaudia K***** möglich gewesen wäre, sich durch seitliches Ausweichen diesem Andrücken des Angeklagten zu entziehen (US 10).

Aus dem Urteilsspruch ergibt sich darüber hinaus, dass Klaudia K***** durch die Handlungen des Nichtigkeitswerbers (auch) gegen eine Abwasch gedrückt wurde (US 2). Hiezu finden sich jedoch keine weiteren Feststellungen in den Urteilsgründen, insbesondere fehlen solche zur Intensität und Dauer des körperlichen Angriffs. Auch wurde nicht konstatiert, ob und inwieweit durch den Widerstand des Opfers weitere sexualbezogene Handlungen unterblieben sind.

Damit ist eine abschließende rechtliche Beurteilung, ob das inkriminierte Vergehen überhaupt oder allenfalls in Form des Versuches bewirkt wurde, nicht möglich.

Ähnliches gilt für das Faktum 3 betreffend Alexandra K*****. Hiezu wurde nur festgestellt, der Angeklagte habe sein Opfer an eine Wand gedrückt und die Frau am Oberkörper "in der Schulter-Brust-Gegend über der Kleidung, jedoch nicht direkt auf der Brust" betastet (US 12).

Eine geschlechtliche Handlung im Sinn von § 202 Abs 1 StGB setzt aber einen Bezug zu einer spezifischen Geschlechtssphäre eines Tatbeteiligten voraus (Mayerhofer aaO E 16 f). Dies muss bei Berührung des Oberkörpers einer Frau nicht unbedingt vorliegen. Da vom Gericht auch Abwehrhandlungen festgestellt wurden (Wegdrücken des Angeklagten - US 12) wäre zur Gesamtbeurteilung des inkriminierten Verhaltens auch zu prüfen gewesen, ob das Berühren von der unmittelbaren Geschlechtssphäre zugehörigen Körperteile nur durch den Widerstand des Opfers unterblieben ist. Diesfalls wären entsprechende Feststellungen zu treffen und in rechtlicher Hinsicht die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 202 Abs 1 StGB in Form des Versuchs nach § 15 StGB zu erwägen gewesen.

Nach den wesentlichen Konstatierungen zum Urteilsfaktum 4 (zum Nachteil der Corinna K*****) ging Alois W***** zu der im Bett liegenden Frau, zog deren T-Shirt hoch und betastete sie an der Brust, obwohl sie sich dagegen wehrte und wegdrehte und mit ihren Händen versuchte, seinen Körper wegzudrängen (US 27).

Damit wird eine für die Verwirklichung des Vergehens nach § 202 Abs 1 StGB erforderliche Gewaltanwendung nicht eindeutig festgestellt; auch die gleichzeitig konstatierte schwere Alkoholisierung der Corinna K***** (US 26) blieb unbeachtet.

Schließlich haben die Tatrichter das Urteilsfaktum 5 (zum Nachteil der Adelheid H*****) nur damit begründet, der Angeklagte sei ihr unbemerkt gefolgt, habe von hinten unter ihren Oberarmen durchgegriffen und sodann ihre Brüste oberhalb der Kleidung betastet. Das im Urteilsspruch erwähnte Drücken gegen ein Auto (US 2) wurde in den Entscheidungsgründen nicht näher konkretisiert, sodass die Intensität der Gewalt nicht ausreichend überprüfbar feststeht.

Zutreffend sind zu diesem Faktum auch die Ausführungen der Subsumtionsrüge (Z 10). Zwar hat das Erstgericht im Spruch des Urteils festgestellt, dass Adelheid H***** "durch die Tat" in besonderer Weise erniedrigt wurde, in den Gründen hat es für diese Qualifikation jedoch nur Umstände dargestellt, die (teilweise weit) vor der Tatbegehung lagen, wie die wiederholten obszönen Äußerungen des Angeklagten, seine sexuell motivierten Berührungen des Körpers der Frau, das Hervorheben seiner "Chefstellung" sowie das Unterstreichen seiner guten Kontakte zu den vorgesetzten Behörden, das geringe Gewicht der Aussage einer Vertragsbediensteten und Ähnliches (US 21, 22). Demgemäß erfolgte eine besondere Erniedrigung aber nicht durch die Tat, sondern durch andere Faktoren. Weitere diese Qualifikation tragenden Konstatierungen wurden nicht getroffen.

Das Urteil ist somit zu den Fakten 2 bis 5 mit gravierenden Feststellungsmängeln behaftet, die eine abschließende rechtliche Beurteilung des Tatverhaltens nicht zulassen und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung erforderlich machen. Der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher in diesem Umfang bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben und hiezu eine Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285e StPO).

Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht ausführliche Feststellungen zur Dauer und Intensität der Gewalthandlungen des Angeklagten zu treffen haben. Auch den Abwehrhandlungen der Frauen wird insoweit Aufmerksamkeit zu schenken sein, als ihr Umfang dafür maßgeblich sein kann, dass der Angeklagte sexualbezogene Handlungen nicht oder nur in eingeschränktem Umfang setzen konnte. Beim Angriff zum Nachteil von Corinna K***** wird deren allenfalls vorliegende schwere Alkoholisierung dahin zu beurteilen sein, ob diese die Frau widerstandsunfähig machte. Diesfalls wird in rechtlicher Hinsicht § 205 Abs 2 StGB in Erwägung zu ziehen sein. Zur Qualifikation der besonderen Erniedrigung im Sinne von § 202 Abs 2 StGB wird zu berücksichtigen sein, dass diese nur durch die Tat bewirkt werden kann.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf den kassatorischen Teil der Entscheidung und der dadurch notwendig gewordenen Aufhebung des Strafausspruches zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte