OGH 15Os165/00

OGH15Os165/0014.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Janitsch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Michael M***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Generalprokurators gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. März 2000, GZ 12 b Vr 8661/99-49 verso, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. März 2000, AZ 12 b Vr 8661/99 (S 22/II der Vr-Akten), verletzt in Punkt II und III § 409 Abs 1 und Abs 2 StPO iVm § 12 Abs 2 GEG.

Die bezeichneten Entscheidungen und die darauf beruhenden Anordnungen und Verfügungen einschließlich des damit im Zusammenhang stehenden Beschlusses des genannten Gerichtes vom 26. Juni 2000, GZ 12b Vr 8661/99-61, werden aufgehoben.

Dem Landesgericht für Strafsachen Wien wird aufgetragen, dem Verurteilten Michael M***** die Aufforderung zur Zahlung der Geldstrafe gemäß § 409 Abs 1 StPO zuzustellen und über dessen gemäß § 409a Abs 2 Z 3 StPO gestellten Antrag neuerlich zu entscheiden.

Text

Gründe:

Im Verfahren zum AZ 12 b Vr 8661/99 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurde Michael M***** mit (am 6. Dezember 1999) in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 1. Dezember 1999 (ON 36) wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG zu 300.000,- - S Geldstrafe, für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von drei Wochen verurteilt.

Auf Grund der Erfolglosigkeit eines Zustellversuchs (ON 40) bzw der Mitteilung des Verteidigers des Verurteilten, dieser sei ohne Bekanntgabe der Änderung seiner Anschrift (von seinem bisherigen Wohnsitz in Gumpoldskirchen, NÖ) verzogen und somit unerreichbar (ON 46), ersuchte das Landesgericht für Strafsachen Wien das GPK Gumpoldskirchen um Erhebung des tatsächlichen Aufenthaltsortes von Michael M***** (ON 47).

Diese Nachforschungen blieben ohne Ergebnis (ON 48), weshalb die Anklagebehörde den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe beantragte. Der Vorsitzende stellte daraufhin mit Beschluss vom 30. März 2000 fest, dass der Verurteilte einerseits "untergetaucht und flüchtig", andererseits aber - wie sich aus dem Akteninhalt ergebe - "vermögenslos und Bezieher eines Einkommens von 6.000,- - S (Existenzminimums)" sei, "und ... Verfahrenshilfeverteidiger (hatte)" (Punkt I), und "wandelte" (der Sache nach gemäß § 12 Abs 2 erster Satz GEG vorgehend) die verhängte Geldstrafe in die Ersatzfreiheitsstrafe von drei Wochen "um" (Punkt II) und erließ die Strafvollzugsanordnung (Punkt III). Ferner ordnete er die Ausschreibung des Verurteilten zur Verhaftung im Inland zum Zwecke der Vorführung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe an (Punkt IV; siehe S 22/II).

Am 8. Juni 2000 stellte der - nunmehr in Maria Enzersdorf/Südstadt wohnhafte (ON 60) und nach wie vor auf freiem Fuß befindliche - Verurteilte den Antrag auf Zahlung der verhängten Geldstrafe in Raten von je 5.000,- - S pro Monat ab Juli 2000 (ON 56).

Unter Bezugnahme auf die bereits erfolgte Umwandlung der Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe und deren schon angeordneten Vollzug wurde diesem Antrag mit Beschluss vom 26. Juni 2000 nicht Folge gegeben (ON 61).

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde im Ergebnis zutreffend aufzeigt, stehen die Punkte II und III des Beschlusses des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. März 2000, AZ 12 b Vr 8661/99 (S 22/II), mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 409 Abs 1 StPO ist der Verurteilte, wenn er nicht eine über ihn verhängte Geldstrafe unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft erlegt, schriftlich aufzufordern, die Strafe binnen 14 Tagen zu zahlen, widrigenfalls sie zwangsweise eingetrieben werde. Bei Ergebnislosigkeit des Einbringungversuches ist gemäß § 12 Abs 2 erster Satz GEG der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe durch Erlassung der Strafvollzugsanordnung und Aufforderung des Verurteilten zum Strafantritt mit dem Zusatz, dass der Vollzug im Fall des Erlags der ausständigen Geldstrafe durch den Verurteilten unterbleibt, einzuleiten (Mayerhofer StPO4 § 409 E 1 a).

Daraus geht hervor, dass vor der Anordnung des Vollzuges der Freiheitsstrafe dem Verurteilten grundsätzlich die Aufforderung zur Zahlung der Geldstrafe zuzustellen ist. Dazu hat das Gericht auch Nachforschungen über den Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen anzustellen. Nur wenn solche von vornherein aussichtslos sind (etwa bekannt gewordene Flucht, um sich dem Strafvollzug zu entziehen) oder nach angemessener Zeit und entsprechendem Erhebungsaufwand (wozu grundsätzlich eine österreichweite Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung iSd § 413 StPO gehört) erfolglos geblieben sind, ist das Gericht berechtigt, den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe anzuordnen, ohne dass dem Verurteilten davor eine Zahlungsaufforderung zugestellt wurde. Denn dann ist von einer Uneinbringlichkeit der Geldstrafe auszugehen, zumal der Verurteilte in Kenntnis seiner Zahlungspflicht den Aufenthaltsort ohne Meldung an das Gericht verlassen hat.

Ebenso kann von der Einschaltung der Einbringungsstelle des Oberlandesgerichtes abgesehen werden, wenn von vornherein die Erfolglosigkeit einer Einbringung der Geldstrafe feststeht (Mayerhofer aaO Anm 2 und E 1 aa).

Demgemäß hätte sich das Landesgericht für Strafsachen Wien vor Anordnung des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe nicht mit dem (negativen) Erhebungsergebnis der Sicherheitsbehörde über den unbekannten Aufenthalt des Verurteilten begnügen dürfen, sondern diesen zur Aufenthaltsermittlung ausschreiben müssen, um ihm - nach seiner Ausforschung - die Aufforderung zur Zahlung der Geldstrafe rechtswirksam zustellen zu können (vgl Mayerhofer aaO § 79 E 79).

Erst nach erkennbarer Ergebnislosigkeit einer mit Speicherung im EKIS verbundenen Fahndung zur Feststellung des Aufenthalts des Zahlungspflichtigen hätte der Erstrichter mit Recht davon ausgehen dürfen, dass eine Zustellung der Zahlungsaufforderung unmöglich und damit die Geldstrafe uneinbringlich iSd § 12 Abs 2 GEG sei.

Die Vorgangsweise des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gereichte dem Verurteilten zum Nachteil, weil seinem Antrag auf Aufschub der Geldstrafe durch deren Zahlung in Teilbeträgen (§ 409a Abs 2 Z 3 StPO) im Hinblick auf die (bereits erfolgte) Anordnung des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe wegen Uneinbringlichkeit der Geldstrafe nicht Folge gegeben wurde (ON 61). Aus der demnach gebotenen Aufhebung dieser Anordnung gemäß § 292 StPO letzter Satz folgt die Beseitigung der auf ihr beruhenden Beschlüsse und Verfügungen (einschließlich der Ablehnung des Ratengesuches).

Demnach war dem Landesgericht für Strafsachen Wien auch aufzutragen, wie im letzten Satzteil des Spruches vorzugehen.

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