OGH 7Ob276/00i

OGH7Ob276/00i14.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adel B*****, vertreten durch Dr. Christa A. Heller, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, wegen S 133.485,52 samt Anhang, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 29. September 2000, GZ 2 R 173/00a-6, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 11. August 2000, GZ 33 Cg 1/00x-3, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin hat ihren Wohnsitz, die Beklagte ihren Sitz in Moskau. Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage einen Kontoglattstellungsanspruch gegen die Beklagte in der Höhe von S 133.485,52 samt Anhang geltend. Zur Begründung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes stützt sich die Klägerin auf den Vermögensgerichtsstand nach § 99 Abs 1 JN. Die Beklagte habe weder ihren Sitz noch einen allgemeinen Gerichtsstand in Wien. Sie verfüge aber über je ein konkret genanntes Konto bei vier konkret genannten Banken mit dem Sitz in Wien. Auf diesen Konten befänden sich Guthabensbeträge, die den Klagsbetrag bei weitem übersteigen. Als Beweis bot die Klägerin einzuholende Bankauskünfte an.

Das Erstgericht wies - soweit dies noch für das Revisionsrekursverfahren von Bedeutung ist - die Klage wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit zurück. Es gelangte zu dem Ergebnis, dass die vom Gesetz geforderte Gegenüberstellung des im Inland befindlichen Vermögens mit dem Streitwert nicht erfolgen könne, weil die Klägerin keinerlei Ausführungen dazu gemacht habe, in welcher Höhe die Beklagte über inländisches Vermögen verfüge. Dem von der Klägerin angebotenen Beweis der "einzuholenden Bankauskünfte" stehe das Bankgeheimnis entgegen.

Dem dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin gab das Rekursgericht nicht Folge. Es vertrat die Rechtsansicht, dass das Vorliegen der Prozessvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit der amtswegigen Prüfung unterliege. Die Richtigkeit der das Vermögen der Beklagten im Inland bildenden Forderungen müsse erweislich sein. Die Frage der inländischen Gerichtsbarkeit sei nicht auf Grund der Behauptungen der Klägerin allein zu beurteilen, sie könnte sonst durch bloße Tatsachenangaben erschlichen werden. Die gerichtliche Ermittlung der Kontostände käme einer Erkundung gleich. Die angebotene Beweisaufnahme müsse auch am Bankgeheimnis scheitern. Die Richtigkeit der behaupteten Forderungen sei sohin nicht erweislich.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs deshalb zulässig sei, da es zur Frage des Umfanges der Prüfungsbefugnis des Gerichtes in Bezug auf die inländische Gerichtsbarkeit bei Klagseinbringung an oberstgerichtlicher Rechtsprechung fehle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos zu beheben.

Der Rekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin führt im Revisionsrekurs ausdrücklich aus, dass sie keine konkreteren Angaben über den Wert des im Inland befindlichen Vermögens der Beklagten, insbesondere über die einzelnen Guthabensstände machen könne. Ihrer Ansicht nach könnten aber durch die materiellrechtliche Prüfungsbefugnis des Gerichtes die fehlenden Tatbestandsmerkmale ermittelt und festgestellt werden, dass der Wert des im Inland befindlichen Vermögens nicht unverhältnismäßig geringer als der Wert des Streitgegenstandes sei. Auch wenn die genauen Guthabensstände nicht betragsmäßig angegeben werden könnten, so sei aus dem Vorbringen der Klägerin und auf Grund der vom Gericht durchzuführenden Prüfung erweislich, dass das im Inland befindliche Vermögen jedenfalls nicht unverhältnismäßig geringer sein könne als der Wert des Streitgegenstandes. Wollte man genauere Angaben fordern, könnten Gelder auf Bankkonten nicht zur Begründung des Gerichtsstandes nach § 99 Abs 1 JN herangezogen werden.

Zufolge der Einführung des § 27a JN durch die WGN 1997 (BGBl 1997 I/140) ist die inländische Gerichtsbarkeit gegeben - soweit nach Völkerrecht nichts anderes bestimmt ist - wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines Gerichtes gegeben sind. Dies bedeutet das Abgehen von der in ständiger Rechtsprechung vertretenen Indikationentheorie (8 Ob 105/99w, Matscher in Fasching, 1. Bd2, Rz 5 zu § 27a JN, Mayr in Rechberger2 Rz 3 zu § 27a JN). Da die Beklagte ihren Sitz nicht in einem Vertragsstaat des Luganer bzw Brüsseler Übereinkommens hat, könnte gegen sie der Gerichtsstand nach § 99 JN in Anspruch genommen werden (Art 3 Abs 2 EuGVÜ/LGVÜ, Simotta in Fasching2 Rz 97 zu § 99 JN, Mayr aaO Rz 12 zu § 99 JN).

Der Gerichtsstand des Vermögens kann gegen Personen, die im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand haben, wegen vermögensrechtlicher Ansprüche bei jenem Gericht in Anspruch genommen werden, in dessen Sprengel sich das Vermögen dieser Person befindet, wobei der Wert des im Inland befindlichen Vermögens nicht unverhältnismäßig geringer sein darf als der Wert des Streitgegenstandes (§ 99 Abs 1 JN).

Das Vermögen kann auch aus Forderungen des Beklagten gegen einen Inländer bestehen, was sich schon aus § 99 Abs 2 JN ergibt, der den Ort des Vermögens als den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Drittschuldners nennt. Die Richtigkeit der Forderung muss erweislich sein (JBl 1936, 369). Weiters darf zwischen dem Streitgegenstand und dem Wert des Vermögens kein krasses Missverhältnis bestehen, es muss vielmehr eine angemessene Relation zwischen den beiden Größen gegeben sein (EvBl 1991/182, EvBl 1984/133, 3 Ob 514/94 ua). Daraus folgt die Verpflichtung der Klägerin, die Höhe des Vermögens (der Forderungen) zumindest insoweit zu nennen, dass diese Beurteilung erfolgen kann (5 Ob 1565/90). Diesem Erfordernis genügt das Vorbringen des Klägers nicht.

Entgegen ihren Behauptungen im erstinstanzlichen Verfahren, dass die Forderungen der Beklagten gegen die vier genannten Banken den Klagsbetrag bei weitem übersteigen, gesteht die Klägerin im Rechtsmittelverfahren aber zu, dass sie keine konkreteren Angaben über die Guthaben der Beklagten auf den einzelnen Konten, machen könne und dass aber dieses fehlende Tatbestandsmerkmal durch die materiellrechtliche Prüfungsbefugnis des Gerichtes zu ermitteln sei. Damit bleibt unerfindlich, auf welchen anderen Tatsachen (als durch Addition der vier Guthaben) das Vorbringen der Klägerin in erster Instanz über die Höhe des Vermögens fußen könnte. Damit fehlt es aber an einer konkreten Klagsbehauptung über die Höhe des im Inland befindlichen Vermögens, die zur Begründung des Vermögensgerichtsstandes nach § 99 Abs. 1 JN unerlässlich ist. Es kann daher nicht einmal bei einer Prüfung der Klagsangaben (nur) nach § 41 JN beurteilt werden, ob zwischen dem Streitwert und dem der Höhe nach unbekannten Vermögen eine angemessene Relation besteht. Die Existenz von auf die Beklagte lautenden Konten für sich allein ist nicht einmal ein Indiz dafür, dass auf ihnen überhaupt ein der Beklagten zur Verfügung stehendes Guthaben erliegt. Es ist aber - wie oben ausgeführt - Aufgabe der Klägerin, die Voraussetzungen des Vermögensgerichtsstands schlüssig zu behaupten. Erst dann kann die von der Klägerin angesprochene amtswegige Prüfung der Klagsangaben im Hinblick auf die inländische Gerichtsbarkeit durch das Gericht einsetzen. Der Gerichtsstand des Vermögens ist nach dem Klagsvorbringen nicht begründet, sodass auch die inländische Gerichtsbarkeit fehlt, was gemäß § 42 JN in jeder Lage des Verfahrens von amtswegen wahrzunehmen ist.

Dem Revisionsrekurs musste daher der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 40 ZPO.

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