OGH 15Os152/00 (15Os153/00)

OGH15Os152/00 (15Os153/00)14.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Janitsch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andrea S***** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Landesgerichtes Salzburg vom 26. März 1999, AZ 31 E Vr 2334/98-24, sowie des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 4. November 1999, GZ 9 Bs 193/99 nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Schroll, der Angeklagten Andrea S***** und ihres Verteidigers Dr. Peter Lechenauer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Andrea S***** wegen §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB, AZ 31 E Vr 2334/98 des Landesgerichtes Salzburg, verletzen

1. das Urteil dieses Gerichtes vom 26. März 1999 (ON 24) im Ausspruch, das der durch die Angeklagte herbeigeführte Vermögensschaden 31.250 S beträgt, sowie

2. das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 4. November 1999, AZ 9 Bs 193/99, soweit den auf die Schadensberechnung bezogenen Einwänden der Berufung der Angeklagten keine Folge gegeben wurde,

§§ 146, 147 Abs 2 StGB.

Die bezeichneten Urteile werden aufgehoben, und es wird dem Landesgericht Salzburg die Verfahrenserneuerung aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26. März 1999, GZ 31 E Vr 2334/98-24, wurde Andrea S***** des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie am 7. bzw 8. März 1998 in Salzburg bzw andernorts dadurch, dass sie ihren Gebrauchtwagen Volvo 850 GLT, den sie als Autowrack am 3. April 1996 mit einem Kilometerstand von 113.300 angekauft hatte, in einem Zeitungsinserat mit dem Wortlaut "90.000 km, Bestzustand um 125.000 S (Listenpreis 180.000 S)" anpries und am 8. März 1998 an Ewald W***** um 125.000 S mit einem angezeigten Kilometerstand von rund 96.000 verkaufte, obwohl das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt bereits ca 50.000 km Mehrleistung aufwies, Ewald W***** mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung durch Täuschung über die Kilometerleistung und den technischen Zustand des Fahrzeuges unter Benützung eines unrichtigen Messgerätes, nämlich eines manipulierten Kilometerzählers, zum Ankauf des Fahrzeuges zu einem überhöhten Kaufpreis verleitet, wodurch der Genannte einen Schaden von 31.250 S erlitt.

Zum Vermögensschaden stellte das Erstgericht fest, dass ein gebrauchter PKW der gegenständlichen Type (Erstzulassung: April 1993) mit einer zurückgelegten Fahrtstrecke von rund 96.000 km (wie vorgespiegelt) zur Tatzeit einen Verkehrswert von ca 180.000 S gehabt habe. Bei Berücksichtigung der tatsächlich erreichten Fahrleistung von rund 130.000 km reduziere sich der Wert des Fahrzeuges (allerdings nur im - nicht gegebenen - Fall vorschadensfreien Zustandes) um 25 %, sohin auf 135.000 S (US 7).

Auf Basis der tatsächlich geleisteten Kaufsumme von 125.000 S (eines nach den Tatsachenannahmen für ein Fahrzeug der angepriesenen Art auffallend günstigen Preises) ermittelte das Erstgericht einen Betrugsschaden durch Abschlag eines Viertels von dieser (Kauf-)Summe und gelangte solcherart zu einer "Wertdifferenz" von 31.250 S. Dasselbe Ergebnis wird nach Auffassung des Einzelrichters auch bei Anwendung der sogenannten "relativen Berechnungsmethode" erzielt (US 8).

Der dagegen (ua) wegen Nichtigkeit und Schuld erhobenen Berufung der Angeklagten versagte das Oberlandesgericht Linz mit seiner Entscheidung vom 4. November 1999, AZ 9 Bs 193/99, den Erfolg (ON 32). Dabei vertrat es - ebenfalls unter Heranziehung der von der (zivilrechtlichen) Judikatur zum Gewährleistungsrecht (bei Ermittlung der Preisminderung) entwickelten "relativen Berechnungsmethode" (wobei die mit dem Kaufpreis im Verhältnis zum Verkehrswert des Kaufobjekts festgelegte subjektive Äquivalenz aufrecht erhalten wird, also die dem Käufer durch einen günstigen Kauf erworbene Wertrelation erhalten bleiben soll) - die Auffassung, dass die Ermittlung des Schadensumfanges durch das Erstgericht rechtsrichtig erfolgt sei.

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, ist den befassten Gerichten bei der Annahme eines Betrugsschadens und dessen Berechnung ein der Angeklagten zum Nachteil gereichende Rechtsirrtum unterlaufen:

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung und Lehre ist die strafrechtlich relevante Vermögensschädigung am effektiven Verlust an Vermögenssubstanz zu messen, der durch Vergleich der Vermögenslage vor und nach der durch die Täuschung bewirkten Vermögensverfügung (im Wege einer Gesamtsaldierung) - bei Austauschverhältnissen durch rechnerische Differenz zwischen Leistung und Gegenleistung - zu erfassen ist (Differenzschaden - Leukauf/Steininger Komm3 § 146 RN 40 f; Kienapfel BT II3 § 146 RN 145, 160; § 147 RN 79).

Opferbezogene Faktoren sind für die Schadensberechnung nur dann (nach einem objektiv-individuellen Maßstab) zu berücksichtigen, wenn der Getäuschte die als Äquivalent erhaltene Sache nicht (oder nicht zu dem im Vertrag vorausgesetzten Zweck) gebrauchen kann oder ihm das Behalten oder Verwerten der Ware nicht zuzumuten ist (Leukauf/Steininger aaO RN 42; Kienapfel aaO § 146 RN 184 swN). Ist indes (wie hier) der Wiederverkauf zumutbar, so besteht der Schaden in der Differenz zwischen dem geleisteten Kaufpreis und dem erzielbaren Verwertungserlös.

Die im Zivilrecht bei Gewährleistungsansprüchen nach § 932 ABGB zur Ermittlung der Preisminderung grundsätzlich zur Anwendung gelangende "relative Berechnungsmethode" (derzufolge sich der geminderte zum vereinbarten Preis wie der Wert der mangelhaften Sache zum Wert der mängelfreien Sache verhalten soll) ist auf den strafrechtlichen Vermögensschadensbegriff nicht übertragbar. Anders als beim Tatbestand des Betruges kommt es im Gewährleistungsrecht weder auf die Verursachung noch auf das Verschulden des Verkäufers an, sondern fällt die Mangelhaftigkeit einer Ware jedenfalls in die Sphäre des Verkäufers. Aus diesem Grund soll bei Berechnung der Preisminderung nach Gewährleistungsrecht die durch einen günstigen Kauf erworbenen Wertrelation erhalten bleiben (RdW 1999/3, 133).

Die Anwendung dieser Berechnungsmethode bei Ermittlung des strafrechtlichen Betrugsschadens ist somit rechtlich verfehlt. Grundlage für die Schadensberechnung bei Herauslocken der Kaufsumme für eine Ware kann vielmehr immer nur deren angemessener (marktüblicher) Verkaufspreis (in Bezug auf einen Gebrauchtwagen also der wahre Wert des Fahrzeuges in seinem tatsächlichen Zustand) sein (Leukauf/Steininger aaO RN 35; Kienapfel aaO RN 82 f, je zu § 147).

Die dargelegte rechtsfehlerhafte Schadensermittlung zwingt zur Aufhebung der Urteile erster und zweiter Instanz sowie zur Erneuerung des Verfahrens vor dem Landesgericht Salzburg. Sollte eine an den aufgezeigten Kriterien orientierte Sachverhaltsprüfung den im Ersturteil bei Erörterung von Beweisführungsnotwendigkeiten herangezogenen, allerdings von beiden Instanzen rechtsirrig für unwesentlich erachteten Umstand ergeben, dass der entrichtete Kaufpreis dem wahren Fahrzeugwert entsprochen habe (US 10; siehe aber die vom Erstgericht nicht berücksichtigten Verfahrensergebnisse hinsichtlich für Mängelbehebungen entstandener Kosten, ON 14), wäre für die Annahme des Eintritts einer Vermögensschädigung und somit für eine Beurteilung als vollendeter Betrug kein Raum.

Angemerkt wird, dass - der Auffassung der Generalprokuratur zuwider - ein manipulativ hinsichtlich der angezeigten Kilometer veränderter Tachometer ein unrichtiges Messgerät iSd § 147 Abs 1 Z 1 StGB darstellt, weil es hiefür genügt, dass jenes (infolge der Manipulation) falsch anzeigt (vgl 15 Os 21/92, 12 Os 46/93). Der diesbezüglichen Beurteilung durch das Erst- und das Berufungsgericht haftet daher kein Rechtsirrtum an.

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