OGH 13Os129/00

OGH13Os129/0013.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krauss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Vlado A***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten wider das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 5. September 2000, GZ 27 Vr 2346/99-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird jedoch das Urteil in der rechtlichen Beurteilung der Taten (1 und 2) und demgemäß im Strafausspruch mit Ausnahme der Aussprüche über die Vorhaftanrechnung und den Verfahrenskostenersatz erster Instanz aufgehoben.

Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Vlado A***** hat durch die zu 1 und 2 des Schuldspruchs als erwiesen angenommenen Tatsachen das Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB begangen und wird hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Vlado A***** wurde (1) des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach "den §§ 131 erster Fall StGB" (richtig: §§ 127, 131 erster Fall StGB) und (2) des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

zu 1. am 28. November 1999 in Bad Kreuzen bei einem Diebstahl von Toilettartikeln im Wert von ca 155,-- S auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen Gottfried G***** angewendet, indem er ihm einen Stoß versetzte, sodass er beinahe zu Sturz kam, um sich die weggenommene Sache zu erhalten;

zu 2. am 6. Dezember 1999 in Perg eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Packung Vitamin-Tabletten im Wert von ca 115,-- S der Firma DM-Markt mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch Zueignung dieser Sache unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Die lediglich gegen die Annahme eines durch Gewaltanwendung qualifizierten Diebstahls (§ 131 StGB) zu 1 des Schuldspruchs gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Die behauptete unzureichende Begründung (Z 5) des Ausspruchs, der Angeklagte habe Gewalt gegen Gottfried G***** angewendet, um sich "der" weggenommenen Sache zu erhalten (US 3), liegt nicht vor, weil die Erstrichter diese Feststellung mängelfrei aus den Tatumständen, insbesondere aus der Flucht des Beschwerdeführers mit den versteckten Toilettartikeln unter Zurücklassung der beiden zuvor am Kassarollband abgestellten Bierdosen (US 4), abgeleitet haben. Mit dem Beschwerdehinweis, es seien andere Motive (zB ausschließlich Flucht) für das Handeln des Nichtigkeitswerbers "denkbar" gewesen, wird in Wahrheit bloß auf unzulässige Art die Beweiswürdigung bekämpft. Die Möglichkeit, dass andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen gezogen werden können, stellt jedenfalls für sich noch keine Nichtigkeit dar (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 145, 147).

Der Subsumtionsrüge (Z 10) zuwider reichen die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über die Gewaltanwendung (US 1 iVm 3) zur rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes aus.

Unter dem Gewaltbegriff des § 131 StGB fällt jeder Einsatz einer physischen Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder vermeintlichen Widerstandes, wobei eine besondere körperliche Kraftanstrengung nicht erforderlich ist; es genügt vielmehr, dass es gerade der (tätergewollte) Krafteinsatz ist, der das Opfer dazu veranlasst, von seinem Bestreben, die weggenommene Sache wieder zu erlangen, Abstand zu nehmen, und solcherart dazu führt, dass der Dieb den Gewahrsam an der Diebsbeute aufrecht erhalten kann. Dass die Intensität der aufgewendeten physischen Kraft eine zur Willensbrechung beim Opfer geeignete Schwere erreicht hat, ist nicht erforderlich (Leukauf/Steininger Komm3 § 131 StGB RN 8).

Der vom Schöffengericht konstatierte heftige Stoß des Angeklagten gegen Gottfried G*****, der diesen fast zu Sturz kommen ließ, während der Nichtigkeitswerber die Gelegenheit zur Flucht mit der Diebsbeute aus dem Geschäftslokal nützte (US 3), entspricht jedenfalls den genannten Tatbestandskriterien. Hingegen sind den Beschwerdeausführungen keine deutlichen und bestimmten Darlegungen zu entnehmen, inwieweit selbst die zitierten Aussagedetails der Zeugen Gottfried und Ulrike G*****, worin von einem heftigen Stoß bzw einem kleinen Kampf die Rede ist, weitere Feststellungen erforderlich machen sollen, um "das Geschehen in einem milderen Licht erscheinen zu lassen und die in § 131 StGB vorgesehene Gewaltanwendung als nicht erfüllt anzusehen".

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlass war jedoch vom Obersten Gerichtshof ein dem Schuldspruch anhaftender, vom Angeklagten aber nicht geltend gemachter Subsumtionsirrtum (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 StPO). Das Erstgericht hat nämlich durch die gesonderte rechtliche Unterstellung der zu 1 und 2 des Schuldspruchs bezeichneten Taten als Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach "den §§ 131 erster Fall StGB" und zusätzlich als Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB das Strafgesetz unrichtig angewendet.

Nach ständiger Judikatur sind zufolge der Bestimmung des § 29 StGB alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten Diebstähle, mögen sie auch weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen oder jeder für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung zu einer Einheit zusammenzufassen. Die getrennte Annahme eines Vergehens des Diebstahls neben einem Verbrechen des Diebstahls ist unzulässig. Dem Angeklagten fällt daher nur das Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB zur Last (vgl Ratz in WK2 § 29 Rz 5 ff).

Die vom Erstgericht vorgenommene gesonderte rechtliche Unterstellung der beiden Diebstahlsfakten gereicht dem Angeklagten schon insofern zum Nachteil (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO), als er rechtsirrig wegen zweier strafbarer Handlungen (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) schuldig erkannt und bei der Strafzumessung zusätzlich das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend angenommen wurde. Dies wiegt gegenüber der vorliegenden (aber etwa in der Strafregisterauskunft nicht aufscheinenden) Tatwiederholung schwerer (vgl zuletzt 11 Os 97/00).

Die getrennten Schuldsprüche waren daher von Amts wegen zu korrigieren.

Bei der durch die Aufhebung des Strafausspruchs notwendig gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Wiederholung des Diebstahls, als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten und die teilweise Schadensgutmachung (S 59).

Bei gebührender Berücksichtigung aller Strafbemessungskomponenten ist die ausgesprochene Freiheitsstrafe tat- und schuldangemessen. Schon das Verschlimmerungsverbot (§ 290 Abs 2 StPO) gebietet die Strafe bedingt nachzusehen (§ 43 Abs 1 StGB).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet auf der zitierten Gesetzesstelle.

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