OGH 11Os110/00 (11Os111/00)

OGH11Os110/00 (11Os111/00)12.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas Allien J***** und einen anderen Angeklagten wegen des - teils im Stadium des Versuches verbliebenen, teils als Bestimmungstäter begangenen - Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG, §§ 12 zweiter Fall und 15 StGB sowie des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde, die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten Thomas Allien J***** sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft Wien und des Angeklagten Jemis Paul K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Februar 2000, GZ 6a Vr 7038/99-135, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde, soweit für das Nichtigkeitsverfahren relevant, Thomas Allien J***** des - teils im Versuchsstadium verbliebenen, teils als Bestimmungstäter begangenen - Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG, §§ 12 zweiter Fall und 15 StGB (Punkt A I 1, II, III des Urteilssatzes) sowie des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG (B) schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu A) in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgifte in einer großen Menge, nämlich

I Heroin und Kokain mit nicht mehr feststellbarem, zumindest aber durchschnittlichem Wirkstoffgehalt ("in Straßenqualität") und zwar

1) ab April 1999 bis zum 12. Juli 1999 insgesamt ca 4.000 Gramm durch Verkauf an verschiedene, teils namentlich angeführte, teils unbekannt gebliebene Abnehmer in Verkehr gesetzt und

II am 12. Juli 1999 teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Viktor E***** als Mittäter Suchtgifte durch Bereithalten und teilweises Verpacken von insgesamt 174,8 Gramm Kokain (netto) mit einem Wirkstoffgehalt von 93 Gramm reinem Kokain und 63,2 Gramm Heroin (netto) mit einem Wirkstoffgehalt von 2,7 Gramm Diacetyl- und 0,37 Gramm Monoacetylmorphin zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf an unbekannt gebliebene Abnehmer in Verkehr zu setzen versucht, sowie

III im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten Jemis Paul K*****

1) im Mai 1999 gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Prince Frank M***** einen bislang unbekannt gebliebenen Täter, der den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) jedenfalls übersteigenden großen Menge, nämlich zumindest ein Kilogramm Kokain mit nicht mehr feststellbarem, zumindest aber durchschnittlichem Wirkstoffgehalt, aus Brasilien aus- und nach Deutschland einführte, um es in der Folge nach Österreich weiterzuführen, zur Begehung dieser strafbaren Handlung bestimmt, indem sie dessen Auftraggeberin, einer bislang nicht näher ausgeforschten Brasilianerin namens "Patricia", eine Anzahlung in der Höhe von 1.500 US $ überweisen ließen und

2) Mitte Juni 1999 die zu 1) angeführte "Patricia", neuerlich zur Ausfuhr einer nicht mehr feststellbaren, das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge aber jedenfalls übersteigenden großen Menge Kokain aus Brasilien und Einfuhr nach Österreich zu bestimmen versucht, indem sie einen zur Überweisung an "Patricia" bestimmten, der Finanzierung der Schmuggelfahrt dienenden Geldbetrag in der Höhe von jeweils 6.500

S an Prince Frank M***** übergaben,

wobei er die Taten als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher strafbarer Handlungen und mit Beziehung auf Suchtgifte beging, deren Gesamtmenge zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge ausmachte;

(zu B) seit Beginn 1999 bis zum 12. Juli 1999 Cannabisprodukte wiederholt erworben und besessen.

Diese Schuldsprüche bekämpft Thomas Allien J***** mit einer auf die Gründe der Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; gegen den Strafausspruch richten sich die Berufungen J*****s, der auch eine Widerrufsbeschluss mit Beschwerde anficht, und der Staatsanwaltschaft, während der Angeklagte K*****, der keine Nichtigkeitsbeschwerde erhob, den ihn betreffenden Strafausspruch ebenfalls mit Berufung bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu:

Mit seinen Ausführungen zur Rechtsrüge (Z 9 lit a), welche sich allein auf den Schuldspruch zum Faktum A II 2 bezieht, wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Beurteilung des festgestellten Tatverhaltens als strafbare Bestimmungstäterschaft mit der Behauptung, mangels (der nur geplanten) Kontaktaufnahme mit "Patricia" und Überweisung des (an M***** zur Finanzierung des Suchtgiftschmuggels übergebenen) Geldbetrages (an "Patricia") sei der Bestimmungsplan nicht ins (strafbare) Versuchsstadium gelangt.

Mit diesem Vorbringen wird jedoch der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht zur prozessordnungsgemäßen Darstellung gebracht.

Vorauszuschicken ist, dass Grund der Strafbarkeit der - hier vorliegenden - Bestimmung eines unmittelbaren Täters über mehrere Personen ("Kettenbestimmung") nicht die Veranlassung des jeweils nächsten Gliedes der Kette zu einer Bestimmungshandlung ist, weil Bestimmung zur Bestimmungstäterschaft begrifflich aus der Bestimmungstäterschaft iSd § 12 zweiter Fall StGB, welche nur die Bestimmung zur unmittelbaren Tatausführung erfasst, ausscheidet (vgl Hager/Massauer in WK2 § 15 Rz 197); vielmehr ist die Weitergabe der Bestimmungsbotschaft auf den unmittelbaren Täter zu projizieren und deshalb strafbar (Hager/Massauer aaO Rz 198), ungeachtet dessen, ob dieser bereits feststeht oder nicht. Demgemäß ist Kettenbestimmung für jedes einzelne Glied der Kette als Bestimmungstäterschaft iSd § 12 zweiter Fall StGB, und zwar auch dann - als Versuch - strafbar, wenn die Bestimmungskette abreißt oder ein Ausführungstäter noch gar nicht feststeht (Hager/Massauer aaO Rz 200).

Aufgabe einer den prozessualen Anforderung entsprechenden Nichtigkeitsbeschwerde wäre es nun, aus dem Gesetz unter Bezugnahme auf den konkreten Urteilssachverhalt den Einwand zu entwickeln, dass dem Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhaltes ein Rechtsirrtum unterlaufen ist.

Diesem Erfordernis wird der Beschwerdeführer weder mit der oben wiedergegebenen Behauptung noch mit dem Einwand gerecht, es läge ein vom Angeklagten zu verantwortender misslungener Bestimmungsversuch deshalb nicht vor, weil M***** als Initiator dieses Planes als "Kettenglied" ausscheide. Denn damit entbehren die Beschwerdeeinwendungen einer aus dem Gesetz abgeleiteten Begründung, sodass der von der StPO geforderte Vergleich der festgestellten Tatsachen mit dem darauf angewendeten Strafgesetz verfehlt wird.

Auch die Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich prozessordnungswidrig weder am Gesetz noch an den Urteilskonstatierungen und ist damit einer rechtlichen Erörterung entzogen.

Die zunächst gegen die Bewertung des Urteilsfaktums A III 1 als vollendetes anstatt als versuchtes Delikt mit der Begründung vorgetragene Kritik, der Plan, das verfahrensverfangene Kokain widerrechtlich nach Österreich einzuführen, sei gescheitert, lässt im Hinblick auf die für die inländische Gerichtsbarkeit maßgebliche Zuständigkeitsnorm des § 64 Abs 1 Z 4 StGB die festgestellte Ausfuhr des Suchtmittels aus Brasilien und die Einfuhr nach Deutschland unbeachtet. Das Argument aber, § 64 Abs 1 Z 4 StGB käme mangels Verletzung österreichischer Interessen nicht zur Anwendung (womit der Sache nach der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO releviert wird), übergeht den festgestellten Tatplan, das Kokain nach Österreich einzuführen, um es hier in Verkehr zu setzen (US 19).

Die gegen die (zur Faktengruppe A getroffene) Annahme der Mitgliedschaft an einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung der in § 28 Abs 2 SMG genannten strafbaren Handlungen gerichtete Subsumtionsrüge schließlich übergeht jene Feststellungen des Schöffengerichtes, aus welchen sich im Zusammenhang mit der (vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogenen) Gründung der Suchtgiftverteilertruppe "Mugobak" durch den Angeklagten, K***** und M***** die dafür maßgebende Zahl von etwa zehn Personen zwingend ergibt (US 12: organisierte Weitergabe von Heroin und Kokain an zahlreiche Straßenverkäufer; US 13: regelmäßige Versorgung zahlreicher, darunter fünf namentlich genannter Wiederverkäufer; US 17: sechs weitere namentlich angeführte Mitglieder des Verteilerringes; US 14 f: Vermittlertätigkeit der gesondert verfolgten Andrea B***** und einer weiteren Vermittlerin sowie des Murat B***** und des Nicholas A*****) und verfehlt damit ebenfalls die gesetzmäßige Darstellung.

Die Beschwerde war somit als nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt bereits in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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