OGH 13Os131/00

OGH13Os131/0029.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. November 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krauss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl P***** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Deliktsfall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. Juni 2000, GZ 23 Vr 137/00-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthält, wurde Karl P***** der Verbrechen (A) der schweren Nötigung (1) nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Deliktsfall StGB, (2) nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 vorletzter und letzter Deliktsfall StGB, (C) der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (E 1 und 2) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB sowie der Vergehen (B) der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB und (D) der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 Z 3 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz Ingrid A*****

A) teils mit Gewalt und durch gefährliche Drohung, teils mit dem Tode

und mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und gesellschaftlichen Stellung zu nachstehenden Handlungen und Unterlassungen genötigt, und zwar

1) in der Nacht vom 13. zum 14. Jänner 2000 zum tatsachenwidrigen Eingeständnis, dass sie im Jänner 2000 während seines Gefängnisaufenthaltes ein treuwidriges und intimes Verhältnis mit einem anderen Mann gehabt habe, indem er sie an den Haaren riss, ihr wiederholt Faustschläge gegen den Kopf, Kehlkopf, Oberarme und gegen den Oberkörper versetzte, sie würgte und wiederholt sinngemäß äußerte, dass eine Hure wie sie ohnedies umgebracht gehöre, dass sie die Wahrheit sagen solle, sonst bringe er sie auf der Stelle um, dass es um eine solche Hure wie sie nicht schade sei und er ohne weiteres in der Lage wäre, ihr die Schädeldecke und den Kehlkopf einzudrücken und es ihm egal sei, wenn er dafür für 25 Jahre ins Gefängnis wandere, und

2) am 14. Jänner 2000 zur Abstandnahme von einer Anzeigenerstattung wegen der zu den Fakten A 1 und B bis D dargestellten strafbaren Handlungen, durch die eine inhaltlich falsche Strafanzeige ankündigende Äußerung: "Du Drecksau zeigst mich an, wenn du das alles überlebst? Weil, wenn du mich anzeigst, dann zeige ich dich wegen Betrug an!"

B) am 13. Jänner 2000 und in der Nacht zum 14. Jänner 2000 während

der Begehung der zu den Fakten A 1 und D beschriebenen strafbaren Handlungen widerrechtlich mehrere Stunden gefangengehalten, indem er die Wohnungstür von innen versperrte und den Schlüssel abzog.

C) in der Nacht zum 14. Jänner 2000 außer dem Fall des § 201 Abs 1

StGB durch Entziehung ihrer persönlichen Freiheit und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zur Duldung des Beischlafes genötigt, indem er unter Aufrechterhaltung der zu Faktum B beschriebenen Freiheitsentziehung und nach ihrer Weigerung, den von ihm verlangten Geschlechtsverkehr zu dulden, ihr durch das drohende Erheben der zur Faust geballten Hand weitere Schläge androhte und dann mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzog,

D) durch die zu Faktum A 1 beschriebenen Tätlichkeiten und durch

weitere Schläge, die er ihr auch noch nach der zu Punkt C geschilderten Tat gegen den Kopf und gegen den Oberkörper versetzte, wodurch Ingrid A***** Schwellungen im Gesicht, eine Nasen- und Schädelprellung, Beulen im Schläfenbereich, jeweils 10 S-münzgroße Hämatome oberhalb der linken Brust und am linken Oberarm, ein handflächengroßes Hämatom an der Innenseite des rechten Oberarmes, ein 3 x 5 cm großes Hämatom im Bereich des rechten Schlüsselbeines und Rötungen im Bereich beider Handgelenke sowie im Nacken erlitt,

E) dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass

er sie in seiner schriftlichen Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Graz vom 25. Jänner 2000 nachangeführter, von Amts wegen zu verfolgender mit Strafe bedrohter Handlungen mit dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) falsch verdächtigte, dass diese Verdächtigungen falsch sind, der mit einem Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Vergehen

1) des schweren Betruges, begangen im Zeitraum von Herbst 1999 bis 13. Jänner 2000 in Leoben und Graz zu seinem Nachteil durch die Behauptung, sie habe ihn mit Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz unter der Vorgabe, ihn im Mai 2000 heiraten zu wollen, zur Bezahlung der Kosten ihres Verteidigers im Verfahren 16 Vr 1105/98 des Landesgerichtes Leoben sowie zur Bezahlung von diversen Bekleidungsstücken und zur Ausfolgung von Bargeldbeträgen verleitet, wobei der behauptete Gesamtschaden 72.500,-- S betrug, und

2) des schweren Betruges, begangen zwischen Mai und Dezember 1999 in Leoben zum Nachteil der Andrea R***** durch die tatsachenwidrige Behauptung, sie habe diese mit Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz unter der Vorgabe, dem Finanzamt Linz dringend eine Finanzstrafe bezahlten zu müssen und eine rückzahlungsfähige und -willige Darlehensnehmerin zu sein, zu Ausfolgung eines Bargeldbetrages in Höhe von 35.000,-- S verleitet.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO verfehlt ihr Ziel.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider kann in der Unterlassung der Vernehmung der Zeugen Manfred V*****, Max H*****, Roland C*****, Horst P***** und Franz L***** ebensowenig eine Verletzung von Verteidigungsrechten erblickt werden wie in der Nichteinholung eines graphologischen Gutachtens über die Inschrift eines die Zeugin A***** zeigenden Lichtbildes, das mit dem Vermerk "in Liebe" versehen ist, wie auch dem Unterbleiben der kriminaltechnischen Untersuchung der in der Wohnung der Zeugin A***** vorgefundenen Zigarettenstummel.

Da das Erstgericht ohnedies davon ausgegangen ist, dass Ingrid A***** mit ihrem Reitlehrer Roland C***** ein Verhältnis hatte, sie dazu tendierte, andere Menschen für ihre Zwecke zu benützen und auch die Liebes- und Treueschwüre gegenüber Karl P*****, die sich aus dem im Akt erliegenden Briefen dokumentieren, nicht allzu wörtlich zu nehmen sind (US 19), sowie den Umstand, dass die Tatrichter der Frage, ob Ingrid A***** nun nach ihrer Haftentlassung und vor Eintreffen des Karl P***** in Graz mit einer anderen Person männlichen Geschlechtes Sexualkontakt hatte oder nicht, keine Bedeutung beigemessen haben (US 19), war die Vernehmung der genannten Zeugen und Einholung von Gutachten zu diesen Beweisthemen, insbesondere zur sittlichen Lebensgestaltung der Zeugin, nicht erforderlich.

In welcher Form ein Verstoss gegen das in Art 6 MRK statuierten Fairnessgebot durch die Abstandnahme von der Ausschöpfung der in Rede stehenden Beweisquellen erfolgt sein soll, legt die Beschwerde nicht dar.

Die zusätzlichen Anträge auf Rufdatenrückerfassung von

Telefonanschlüssen der Zeugin Ingrid A***** und Renate M***** sowie

die Einholung eines psychologischen Gutachtens zur Klärung der

Aussageverlässlichkeit der Ingrid A***** und die Ergänzung eines

DNA-Gutachtens zur Klärung der Aussageverlässlichkeit der

Belastungszeugin laufen auf die Aufnahme eines Erkundungsbeweises

hinaus. Dies ergibt sich schon sinnfällig aus der Formulierung des

Beweisantrages ".... ob sie zur Lügenhaftigkeit bzw Fantasiebildung

neigt, ...... wodurch sich eine erheblich verbesserte Aussagekraft

bzw eine erweiterte Ausschlussmöglichkeit für jeden nicht

Spurenverursacher ergeben hätten ......". Im Übrigen ist der

Beschwerde zu erwidern, dass die Beiziehung von Sachverständigen über die Aussageverlässlichkeit (erwachsener) Zeugen nur in Ausnahmefällen bei erheblichen Bedenken gegen die Wiedergabsfähigkeit in Betracht zu ziehen ist (Mayerhofer StPO4 § 150 E 40 und 43 f).

Die in der Beschwerdeschrift neu beantragten Beweisaufnahmen verstoßen gegen das Neuerungsverbot; die lediglich im Schriftsatz vom 30. Mai 2000 (ON 78 II) gestellten Beweisanträge wurden in der Hauptverhandlung nicht wiederholt (ON 83, 88 II), sodass dem Beschwerdeführer diesbezüglich die Legitimation zur Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes mangelt. Der Antrag auf Beiziehung eines gerichtsärztlichen Sachverständigen zur Überprüfung der Depositionen des Spitalsarztes Dr. G***** über das von ihm diagnostizierte Verletzungsbild der Zeugin A***** stützt sich ebenfalls nur auf Vermutungen (.... die Verletzungen schwerwiegenderer sein müssten .....), weshalb es ihm an der Darlegung der für die maßgebliche Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlagen relevanten Umstände mangelt.

Die unter Punkt 7 der Beschwerdeschrift zu diesem Nichtigkeitsgrund angeführten, generell gehaltenen Behauptungen, dass die Abweisung dieser Beweisanträge eine Verletzung des fair trial darstellten und bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Beweisaufnahmen ein strenger Maßstab anzulegen sei, sind mangels Substantiierung nicht erwiderungsfähig.

Soweit die Mängelrüge (Z 5) unter herausstreichen der Worte "erscheint", "wohl darauf zurückführen", "mit Sicherheit geeignet", die Feststellungen des Gerichtes als "sich diesbezüglich auf dem Niveau einer unstatthaften Vermutung zu Lasten des Angeklagten bewegend" bezeichnet, begibt sie sich selbst, ebenso wie mit der Argumentation "...... geht das Recht der freien Beweiswürdigung jedenfalls nicht soweit" - unzulässig - auf die Ebene der Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer in kollegialgerichtlichen Verfahren nicht eingeräumten Schuldberufung. Dies zeigt auch deutlich die Kritik an den Annahmen des Erstgerichtes über die Glaubwürdigkeit der Zeugin A***** in Bezug auf die entscheidungswesentlichen Vorfälle unter Hinweis auf isoliert betrachtete Urteilspassagen und dem Anstellen spekulativer eigener Beweiserwägungen unter Berufung auf den Zweifelsgrundsatz.

Die hinsichtlich der Zeugenaussage Ingrid A***** Unvollständigkeit des Urteils monierenden Einwände der Mängelrüge gestehen zum einen inhaltlich ohnedies eine Auseinandersetzung mit den Angaben dieser Zeugin zu und vernachlässigen zum anderen die Urteilsbegründung in ihrer Gesamtheit, wonach sich das Erstgericht mit der Frage der Glaubwürdigkeit des Opfers unter Einbeziehung der Zeugenaussagen zu deren Persönlichkeitsbild, der Stimmungslage des Angeklagten zu Beginn der Vorfälle sowie den weiteren Ergebnissen des Beweisverfahrens (Verletzungsanzeige, Zeugenaussage des behandelnden Arztes, Zeugenaussage der Beamtin über die Blutabspritzspuren an der Wand und auf der Bettwäsche sowie die Lichtbilder in der Tatbestandsmappe, vgl US 21) - dem Gebot der gedrängten Darstellung der Urteilsgründe gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragend - ausreichend auseinandergesetzt und logisch und empirisch einwandfrei dargelegt, warum es die leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt erachtete. Dabei waren die Tatrichter nicht verhalten, sich im vorhinein bereits mit allen, erst im Rechtsmittel vorgebrachten Einwänden auseinanderzusetzen.

Ob Ingrid A***** bei dem Telefonat nach den Vorfällen verstört gewirkt hat, betrifft ebensowenig einen entscheidungswesentlichen Umstand wie die Frage, wann und von wem Ingrid A***** nach der Anzeigenerstattung abgeholt worden ist und wer sodann bei ihr gewohnt habe, und war daher nicht erörterungsbedürftig .

Die Einwände der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Spruchfaktum E 1 und 2 gehen zum einen von anderen Urteilsfeststellungen als den gegenständlichen aus, zum anderen stellen sie bei Behauptung eines Feststellungsmangels zur subjektiven Tatseite - ebenfalls urteilsfremd - eigene Erwägungen an. Im Übrigen übersieht die Beschwerde, dass ein Festhalten an den Konstatierungen des Erkenntnisgerichtes allein zum objektiven Tatbestand unter gleichzeitiger Ableitung anderer, für den Beschwerdeführer günstigerer Schlussfolgerungen zur subjektiven Tatseite als jene des Schöffengerichtes, den Sachverhalt wesentlich verändert und demnach zur gesetzmäßigen Ausführung eines Rechtsmittels ungeeignet ist (Mayerhofer aaO § 285a E 61a).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin gemäß § 285d Abs 1 StPO (zum Teil gemäß § 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO) bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung des Angeklagten wird daher gemäß § 285i StPO der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben.

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