Spruch:
Der Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 15. September 1999, AZ 6 Bs 398/99 (GZ 32 Vr 525/99-41 des Landesgerichtes Innsbruck), verletzt §§ 34 Abs 2 und 35 Abs 1 GebAG.
Dieser Beschluss wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Innsbruck die neuerliche Entscheidung über die Beschwerde des Verdächtigen Günther L***** aufgetragen.
Unabhängig von der endgültigen Gebührenfestsetzung ist die allenfalls entstehende Kostenersatzpflicht des Günther L***** insoweit mit 35.265 S begrenzt.
Text
Gründe:
Beim Landesgericht Innsbruck ist zum AZ 32 Vr 525/99 gegen Günther L***** ein Strafverfahren wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und anderer strafbarer Handlungen anhängig. In diesem erließ der Untersuchungsrichter im Rahmen von Vorerhebungen am 1. und 29. März 1999 Hausdurchsuchungsbefehle für Räumlichkeiten von drei dem Verdächtigen zugeordneten Firmen und beauftragte "Beamte des Finanzamtes Innsbruck in Zusammenarbeit mit Beamten der Bundespolizeidirektion Innsbruck unter Beiziehung des Sachverständigen Dipl. Ing. Mag. Dr. Anton H*****" mit der Durchführung (ON 12 und 17). Dem lag ein Antrag der Staatsanwaltschaft zugrunde, bei der Hausdurchsuchung "einen EDV-Sachverständigen beizuziehen, und zwar zur Datensicherung und zur Überprüfung der Verantwortung des Verdächtigen" (S 2 des Antrags- und Verfügungsbogens).
Bei der Hausdurchsuchung am 8. April 1999 nahmen der Sachverständige und zwei Hilfskräfte an einer EDV-Netzwerkanlage eine umfassende Datensicherung vor. Später überspielte der Experte die Daten so, dass ein direkter Zugriff möglich ist (ON 24).
Ing. Mag. Dr. Anton H***** beanspruchte für Reisekosten, Zeitversäumnis, Mühewaltung nach § 34 Abs 2 GebAG und sonstige Kosten inklusive Umsatzsteuer eine Gebühr von insgesamt 77.977 S (ON 25, 27). Diese bestimmte der Untersuchungsrichter mit Beschluss vom 28. Juni 1999 (ON 32) antragsgemäß.
Der dagegen vom Verdächtigen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck entgegen der Rechtsmittelbeantwortung des Sachverständigen (ON 39) mit dem angefochtenen Beschluss teilweise Folge, bestimmte die Gebühr mit insgesamt 35.265 S und wies das Mehrbegehren des Experten ab (ON 41).
Zur Mühewaltung vertrat der Gerichtshof zweiter Instanz die Auffassung, bei der Tätigkeit des Sachverständigen habe es sich weder um die Aufnahme eines Befundes noch um die Erstattung eines Gutachtens, sondern um eine im Auftrag des Gerichtes durchgeführte "Ermittlung zu Beweissicherungszwecken" gehandelt, für die § 35 Abs 1 GebAG eine besondere Gebühr für Mühewaltung (nach festen Stundensätzen) vorsehe (S 8 f der Beschwerdeentscheidung).
Wie der Generalprokurator in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht der Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck insoweit mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichtes stellte die Datensicherung eine Befundaufnahme eines Sachverständigen dar. Sie war darauf gerichtet, auf Grund besonderen Fachwissens (so zutreffend ON 39) rechtserhebliche Tatsachen festzustellen. Diese können später vom nämlichen oder einem anderen Sachverständigen ausgewertet (weiterer ergänzender Befund) und daraus die notwendigen Schlüsse gezogen werden (Gutachten).
Für seine Tätigkeit wäre der Sachverständige, der nicht nach einem Pauschaltarif des GebAG zu entlohnen ist und (demgemäß) im Falle der Befundaufnahme während seiner Teilnahme an einer im Auftrag des Gerichtes geführten Ermittlung bei Geltendmachung der Gebühr für eine solche ein Wahlrecht zwischen der auf festen Stundensätzen beruhenden "Teilnahmegebühr" nach § 35 Abs 1 GebAG und der an den außergerichtlichen Einkünften für eine gleiche oder ähnliche Sachverständigentätigkeit orientierten Mühewaltungsgebühr (in Strafsachen) nach § 34 Abs 2 GebAG hat (vgl die RV zur Novelle des GebAG mit BGBl 1994/623, 1554 BlgNR XVIII. GP 12, und Krammer, Zur Gebührenanspruchsgesetznovelle 1994, Der Sachverständige 1995, 9 [14]), nach der von ihm herangezogenen Bestimmung des § 34 Abs 2 GebAG zu honorieren gewesen. Weil von einer bloßen Teilnahme des Sachverständigen an einer im Auftrag des Gerichtes durchgeführten Ermittlung (ohne Befundaufnahme oder Gutachtenserstattung) keine Rede sein kann, war die vom verzeichneten Ansatz des § 34 Abs 2 GebAG abweichende Gebührenbestimmung nach § 35 Abs 1 GebAG verfehlt.
Diese Gesetzesverletzung wirkte sich zum Vorteil des Verdächtigen, jedoch zum Nachteil des Sachverständigen aus. Aus diesem Grund war ihrer Feststellung konkrete Wirkung zuzuerkennen, jedoch zugleich sicherzustellen, dass sich daraus keine nachteiligen Auswirkungen für den Verdächtigen ergeben können (vgl EvBl 1992/72, 15 Os 112, 113/99).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)