OGH 10ObS293/00m

OGH10ObS293/00m14.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter DI Walter Holzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Claus Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helga O*****, Küchenhilfskraft, ***** vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Hinterbliebenenleistung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Juli 2000, GZ 25 Rs 67/00i-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. März 2000, GZ 46 Cgs 220/99w-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, dass ein den Bestimmungen des § 175 Abs 1, § 176 Abs 1 Z 4 sowie § 176 Abs 1 Z 6 ASVG zu unterstellender Arbeitsunfall nicht vorlag, ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Den Revisionsausführungen ist noch Folgendes entgegenzuhalten:

a) Arbeitsunfälle sind gemäß § 175 Abs 1 ASVG Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Entscheidend ist demnach, ob die unfallverursachende Handlung mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung in einem inneren Zusammenhang steht. Dies beurteilt sich nach subjektiven und objektiven Kriterien: Die betreffende Handlung muss vom Versicherten mit der Intention gesetzt werden, seiner versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachzukommen (subjektive Bedingung); die Handlung muss darüber hinaus aber auch objektiv, das heißt von der Warte eines Außenstehenden als Ausübung oder als Ausfluss dieser Erwerbstätigkeit angesehen werden können (objektive Bedingung). In diesem Sinn ist zu fragen, ob die unfallverursachende Handlung Ausfluss der Ausübung der Erwerbstätigkeit des Versicherten als Dienstnehmer ist, ob also noch eine Ausübungshandlung der Berufstätigkeit vorliegt, wobei die Üblichkeit gewisser Verhaltensweisen sowie tatsächliche oder gutgläubig angenommene Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber oder den Arbeitskollegen zu berücksichtigen sind (SSV-NF 7/79; 7/59 mwN ua).

Nach den Feststellungen erfolgte die Mithilfe des bei der Gemeinde als Bauhofarbeiter beschäftigt gewesenen Versicherten beim Transport bzw Aufstellen des Mai-Baumes außerhalb der Dienstzeit und ohne dienstlichen Auftrag seines Vorgesetzten. Dem Versicherten war überdies bekannt, dass diese Mithilfe nicht in der Dienstzeit erfolgen darf und dafür Freizeit (erforderlichenfalls auch Urlaub oder Zeitausgleich) in Anspruch zu nehmen ist. Die Dienstzeit des Versicherten hatte am Unfallstag spätestens um 12 Uhr geendet. Der Unfall ereignete sich hingegen erst um 16.15 Uhr, somit in der Freizeit des Versicherten. Damit stand aber seine Mithilfe beim Transport bzw Aufstellen des Mai-Baumes in keinem Zusammenhang mehr mit seiner die Versicherung begründenden Beschäftigung als Bauhofarbeiter der Gemeinde. Die Mithilfe des Versicherten lag daher nicht im Schutzbereich der Unfallversicherung. Nach den Feststellungen waren auch keine objektiven Anhaltspunkte gegeben, welche eine Annahme des Versicherten gerechtfertigt hätten, es handle sich dabei noch um eine geschützte Berufsausübung. Dem Versicherten war im Gegenteil ausdrücklich bekannt gegeben worden, dass seine diesbezügliche Mithilfe nicht mehr - wie bis zum Beginn der 80er-Jahre - im Rahmen seines Dienstverhältnisses zur Gemeinde während der Dienstzeit, sondern nur noch während seiner Freizeit zu erfolgen hatte. Ein Unfallversicherungsschutz nach § 175 Abs 1 ASVG war daher nicht gegeben.

b) Die Revisionswerberin hat ihren Anspruch auch auf § 176 Abs 1 Z 4 ASVG gestützt. Nach dieser Bestimmung sind den Arbeitsunfällen Unfälle gleichgestellt, die sich im Zug der Verrichtung von Hand- und Zugdiensten (Robot) sowie sonstigen Arbeitsleistungen ereignen, wenn sie aufgrund gesetzlicher oder statutarischer Verpflichtung oder aufgrund alten Herkommens erbracht werden. Nach zutreffender Ansicht der Vorinstanzen besteht der Zweck dieser Regelung darin, die bei der Erfüllung von Verpflichtungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen erlittenen Unfälle dem Versicherungsschutz zu unterstellen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die im § 176 Abs 1 Z 4 ASVG genannten Voraussetzungen, nämlich Hand- und Zugdienste (Robot) sowie Arbeitsleistungen aufgrund gesetzlicher oder statutarischer Verpflichtung oder aufgrund alten Herkommens als gleichwertige Tatbestandsmerkmale angeführt sind. Es muss sich daher der Unfall im Zusammenhang mit der Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Arbeitsverpflichtung ereignet haben. Die Erfüllung einer bloß privatrechtlichen oder ethischen Verpflichtung vermag hingegen einen Unfallversicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 4 ASVG nicht zu begründen (Tomandl, SV-System 11. ErgLfg 300/3; ders,

Der Schutzbereich der Unfallversicherung, ZAS 1975, 123 ff [134]; Resch, Sozialrecht 81; Teschner/Widlar, MGA, ASVG 61. ErgLfg Anm 3e zu § 176 mwN; SSV 22/91; 6/110; 4/3 ua). Die bloße Tatsache, dass es sich beim Maibaumaufstellen um ein altes Brauchtum handelt, vermag daher entgegen der Ansicht der Revisionswerberin einen Unfallversicherungsschutz im Sinne des § 176 Abs 1 Z 4 ASVG nicht zu begründen.

c) Der tödliche Unfall des Versicherten ist aber auch nicht nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG einem Arbeitsunfall gleichgestellt, weil er sich nicht bei einer betrieblichen Tätigkeit ereignete, wie sie sonst ein nach § 4 Versicherter ausübt. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt eine ernstliche, dem Unternehmen dienende planmäßige Tätigkeit, die wirtschaftlich als Arbeit zu werten ist, voraus. Sie muss dem mutmaßlichen oder wirklichen Willen des Unternehmers entsprechen und sonst in dem Betrieb anfallen und ihrer Art nach üblicherweise von Personen verrichtet werden, die zum Unternehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit stehen. Entscheidende Bedeutung kommt dem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang zu, in dem im konkreten Fall die helfende Tätigkeit verrichtet wird. Es muss sich um eine arbeitnehmerähnlich betrieblich spezifische Tätigkeit handeln, die als Ausübung der Erwerbstätigkeit erscheint, durch die ein innerer ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen hergestellt wird. Dabei sind die Gesamtumstände zu betrachten, weil es nicht ausreicht, dass die einzelne Verrichtung losgelöst von den sie tragenden Umständen dem Unternehmen nützlich und ihrer Art nach dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist (SSV-NF 11/91; 3/16; 3/28 mwN uva).

Der Gesetzgeber hat somit im Rahmen des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG nur solche Tätigkeiten unter Unfallversicherungsschutz gestellt, die für den jeweiligen Betrieb spezifisch sind. Hingegen steht die Mithilfe bei Arbeiten in einem Betrieb, welche üblicherweise von den Dienstnehmern dieses Betriebes nicht zu verrichten sind, nicht unter Unfallversicherungsschutz (SSV-NF 10/52 ua). Ob eine Tätigkeit als betriebliche angesprochen werden kann, ist jeweils nach den Gegebenheiten des Einzelfalles zu entscheiden. Der Versicherte ist im vorliegenden Fall im Zusammenhang mit dem Transport bzw Aufstellen eines Mai-Baumes tödlich verunglückt. Da er, wie bereits dargelegt, bei dieser zum Unfall führenden Verrichtung keine betriebliche Tätigkeit im Sinn des § 175 Abs 1 ASVG im Hinblick auf sein mit der Gemeinde bestehendes Beschäftigungsverhältnis als Bauhofarbeiter ausgeübt hat, kommt insoweit ein Unfallversicherungsschutz nach der nur subsidiären Bestimmung des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG von vornherein nicht in Betracht (SSV-NF 7/79 mwN). Es liegt aber nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichtes auch keine betriebliche Tätigkeit des Versicherten für die die Mai-Feier veranstaltende Ortsgruppe einer politischen Partei vor. Bei der zum Unfall führenden und für den Unfallversicherungsschutz maßgebenden konkreten Tätigkeit des Versicherten (Erbringung einer Transportleistung) handelte es sich zwar um eine gewerbliche Tätigkeit, welche allerdings üblicherweise von einem Frächter - jedenfalls aber nicht von bei einer politischen Partei beschäftigten Personen - erbracht wird (vgl SSV-NF 10/52; 7/21 mwN ua). Der Versicherte hat somit auch nicht eine betriebliche Tätigkeit für eine politische Partei ausgeübt, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter üblicherweise ausübt, weshalb auch ein Unfallversicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG nicht in Betracht kommt.

Der Revision musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen ausnahmsweisen Kostenersatz nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

Stichworte