OGH 14Os123/00

OGH14Os123/007.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. November 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krauss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann I***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Dr. Wilfried G***** und die Berufung des Angeklagten Dietmar M***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. Juli 2000, GZ 12 b Vr 2.042/99-67, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, der Verteidiger Dr. M. Bernhauser und Mag. Schuster, sowie der Angeklagten Dr. Wilfried G***** und Dietmar M*****, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. Wilfried G***** wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten Dietmar M***** wird nicht Folge gegeben.

Der Berufung des Angeklagten Dr. G***** wird dahin Folge gegeben, dass die über ihn verhängte Freiheitsstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB nunmehr als Zusatzstrafe zu der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4. April 2000, AZ 11 b Vr 9.468/96, verhängten Strafe ausgesprochen und gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil dieser Zusatzstrafe von 12 (zwölf) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 2 StGB wird Dr. G***** die im Verfahren AZ 11 b Vr 9.468/96 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien erlittene Vorhaft vom 28. November 1996, 15.50 Uhr, bis 5. Dezember 1996, 13.10 Uhr, sowie am 4. April 2000, 10.50 Uhr bis 11.15 Uhr, auf die zusätzliche Freiheitsstrafe angerechnet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (im zweiten Rechtsgang) Dr. Wilfried G***** und Dietmar M***** (geborener B*****) des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs l und Abs 2 zweiter Fall StGB, letzterer als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach haben in Wien

1. Dr. Wilfried G***** am 6. April 1994 seine ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er den als Kaufpreisfinanzierung für Liegenschaftsanteile gewidmeten, am l. April 1999 an ihn wertmäßig durch die Bausparkasse der Gemeinschaft der Freunde Wüstenrot registrierte Genossenschaft mbH zu treuen Handen überwiesenen Betrag von 1,600.000 S an Dietmar M***** auszahlte, ohne entsprechend der Treuhandverpflichtung zuvor die grundbücherlich gesicherte Forderung von 563.295,52 S samt Tageszinsen von 207,32 S seit 10. März 1994 der Bank für Oberösterreich und Salzburg (Oberbank) und den für die Aufbringung der Eigenmittel kurzzeitig zur Verfügung gestellten Kredit der Gara Real- und Personalkreditbank AG von 640.000 S zu begleichen, und damit der Bausparkasse der Gemeinschaft der Freunde Wüstenrot registrierte Genossenschaft mbH einen Schaden von insgesamt 1,234.060,84 S zugefügt;

2. Dietmar M***** Anfang April 1994 Dr. Wilfried G***** zu der unter Punkt 1 bezeichneten Tat dadurch bestimmt, dass er ihn im Wissen um den Befugnismissbrauch aufforderte, die treuhändig erhaltene Kaufpreissumme zur Gänze an ihn auszufolgen, ohne zuvor den eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen.

Rechtliche Beurteilung

Allein der Angeklagte Dr. Wilfried G***** bekämpft den Schuldspruch Punkt 1 mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Mit seiner Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, inhaltlich Z 10) strebt der Beschwerdeführer die Tatbeurteilung als Veruntreuung nach § 133 StGB an und weist darauf hin, dass diesbezüglich keine ausreichenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Bereicherungsvorsatz) vorliegen würden.

Das Beschwerdevorbringen, seine Verfügung über die ihm als Treuhänder auf ein von ihm eingerichtetes Anderkonto überwiesene Kreditvaluta habe im Ergebnis kein fremdes Vermögen betroffen, er habe lediglich eine faktische Verfügungsmöglichkeit ausgenützt, nicht als Vollmachtsträger der kreditgewährenden Wüstenrot Bausparkasse gehandelt und keine Rechtshandlungen gesetzt, weshalb eine Verurteilung wegen § 153 StGB nicht in Betracht komme, geht fehl.

Das Wesen der Untreue besteht darin, dass jemand, der befugt ist, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten (Machthaber), diese Befugnis missbraucht, indem er sich bei der Ausübung seiner Dispositionsmacht nach außen hin über die ihm im Innenverhältnis gezogenen Schranken hinwegsetzt, und dadurch demjenigen, über dessen Vermögen er verfügen oder den er verpflichten darf (Machtgeber) einen Vermögensnachteil zufügt. Die Strafbestimmung des § 153 StGB schützt somit das Vermögen des Machtgebers vor den Gefahren, die sich aus der Einräumung von Dispositionsbefugnissen (rechtlicher Art) an den Machthaber im Außenverhältnis ergeben (Leukauf/Steininger Komm3 § 153 RN 2).

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes war der Angeklagte Dr. G***** als Treuhänder der Wüstenrot Bausparkasse für den dem Johann I***** (zum Zwecke des Ankaufes eines Liegenschaftsanteiles) gewährten Kredit bestellt (US 6). Damit war ihm durch Rechtsgeschäft - nämlich durch den Treuhandvertrag - das Vollrecht an der ihm zur Verfügung gestellten Kreditvaluta übertragen, welches er im Außenverhältnis unter eigenem Namen, im Innenverhältnis beschränkt durch den ihm vom Treugeber erteilten Auftrag, sohin in fremdem Interesse, ausüben konnte (vgl Strasser in Rummel ABGB2 § 1002 Rz 42). Somit war er zur Verwaltung (wirtschaftlich) fremden Vermögens berufen (Kienapfel BT II3 § 153 Rz 18). Der Umstand, dass er hiezu keine Vollmacht der Sparkasse benötigte, weil ihm das Vollrecht an der Kreditvaluta zustand, und er im Außenverhältnis im eigenen Namen auftreten konnte, weist ihn als Treuhänder und nicht bloß Bevollmächtigten aus (vgl 11 Os 162/95).

Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass ihm eine unbeschränkte Verfügungsbefugnis über den Darlehensbetrag (im Außenverhältnis) eingeräumt war und nur eine aus der Treuhandverpflichtung resultierende obligatorische Bindung (im Innenverhältnis) bestand; eben deren strafrechtlicher Absicherung dient aber die Strafbestimmung des § 153 StGB (vgl Mayerhofer StGB5 § 153 E 18).

Soweit der Nichtigkeitswerber den Charakter seiner Tathandlung als Rechtshandlung bestreitet, lässt er außer Acht, dass jeder Verfügung über einen Kredit bereits an sich der Charakter einer Rechtshandlung zukommt (vgl abermals 11 Os 162/95). Da der Angeklagte nach den im zweiten Rechtsgang mängelfrei getroffenen Konstatierungen unter wissentlicher Missachtung der Treuhandverpflichtung und mit Schädigungsvorsatz Dietmar M***** einen Bankscheck über den gesamten Kreditbetrag von 1,600.000 S ausstellte, den dieser auch umgehend realisierte, stellt sich dieses Verhalten rechtlich als Ausführungshandlung zur Untreue dar.

Dem Erstgericht ist sohin kein Subsumtionsfehler unterlaufen.

Da der Tatbestand des § 153 StGB in subjektiver Hinsicht Bereicherungsvorsatz nicht voraussetzt, waren entsprechende Feststellungen entbehrlich.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) wendet sich gegen die Annahme der Qualifikation des § 153 Abs 2 zweiter Fall StGB. Bei pflichtgemäßer Durchführung des Treuhandauftrages durch Begleichung der Forderung der Bank für Oberösterreich und Salzburg in der Höhe von 563.295,52 S plus Zinsen und grundbücherliche Sicherstellung der Darlehensforderung der Wüstenrot Bausparkasse wäre dieser der Verkaufserlös aus der Versteigerung der gegenständlichen Liegenschaft in Höhe von 237.094,70 S zugeflossen; nur in dieser Höhe könne aber der Bausparkasse ein Schaden aus der Untreuhandlung des Angeklagten entstanden sein.

Auch damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Ob und in welcher Höhe dem Machtgeber ein Vermögensnachteil durch die Untreuehandlung entstand, ist durch Vergleich der Vermögenslage vor und nach der missbräuchlichen Handlung im Wege der Gesamtsaldierung und unter Berücksichtigung allfälliger unmittelbarer Schadenskompensation zu ermitteln (Kienapfel aaO § 153 Rz 72). Maßgebend ist allein der unmittelbar durch die Tat zugefügte Schaden, bei dessen Berechnung zukünftige Entwicklungen keine Berücksichtigung finden können (Kienapfel aa0 § 147 Rz 76).

Die Frage, welchen Verkaufserlös die Wüstenrot Bausparkasse allenfalls aus dem Verkauf der gegenständlichen Liegenschaft erzielen hätten können, wäre der Angeklagte seiner Treuhandverpflichtung nachgekommen, hat demnach bei der Schadensberechnung außer Betracht zu bleiben.

Im Übrigen übersieht der Beschwerdeführer, dass sich der wissentliche Befugnismissbrauch nicht nur auf den Betrag bezieht, der für die Begleichung der grundbücherlich gesicherten Forderung der Bank für Oberösterreich und Salzburg bestimmt war, sondern auch auf jenen in der Höhe von 640.000 S, der dem Treuhandauftrag zufolge der Gara Bank überwiesen werden sollte.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. G***** war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB, und zwar

Dr. Wilfried G***** auch für den bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig gewordenen Schuldspruch wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 und § 15 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu 18 Monaten Freiheitsstrafe;

Dietmar M***** zu zwei Jahren zusätzlicher Freiheitsstrafe.

Beim Angeklagten Dr. G***** wertete es das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und die Tatwiederholung beim Betrug erschwerend; mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel, den Beitrag zur Schadensgutmachung, das Geständnis und dass es teilweise beim Versuch der strafbaren Handlung blieb.

Beim Angeklagten M***** berücksichtigte es die einschlägigen Vorstrafen und die Bestimmung des Angeklagten Dr. G***** zu strafbarem Verhalten erschwerend, mildernd hingegen das Geständnis.

Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe hinsichtlich beider Berufungswerber im Wesentlichen richtig festgestellt und auch zutreffend gewichtet, sodass sich der Oberste Gerichtshof - ungeachtet des längeren Zurückliegens der strafbaren Handlungen, bei Dr. G***** auch der mildernd ins Gewicht fallenden Bestimmung zur Untreue durch Dietmar M***** und einer nachträglichen teilweisen Schadensgutmachung - zu einer Herabsetzung der Freiheitsstrafen nicht bestimmt findet, wobei auszusprechen war, dass die über Dr. G***** verhängte Freiheitsstrafe eine Zusatzstrafe zu der mit dem in der Zwischenzeit erflossenen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. April 2000, AZ 11 b Vr 9.468/96 verhängten Freiheitsstrafe darstellt (§§ 31, 40 StGB).

Bei Dr. G***** liegen allerdings im Blick auf die Beendigung der Tätigkeit eines Rechtsanwaltes, den bisher ordentlichen Lebenswandel und seinen Beitrag zur Schadensgutmachung die Voraussetzungen für die bedingte Nachsicht eines Strafteiles von 12 Monaten für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren vor.

Bei Dietmar M***** erfordern einschlägige Vorstraftaten und die Wirkungslosigkeit früherer bedingter Strafnachsichten aus spezialpräventiver Sicht den unmittelbaren Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe.

Die im angefochtenen Urteil unterbliebene Anrechnung der Vorhaft Dris. G***** aus dem Verfahren AZ 11 b Vr 9.468/96 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, die er nach der Begehung der hier gegenständlichen Taten erlitten hat (§ 38 Abs 1 Z 2 StGB; vgl Leukauf/Steininger Komm3 RN 5 hiezu), war vom Obersten Gerichtshof anläßlich der auch aus anderen Gründen ergriffenen Berufung dieses Angeklagten nachzuholen. Dies bedurfte keiner ausdrücklichen Geltendmachung, weil § 283 Abs 2 zweiter Satz StPO dem § 294 Abs 2 dritter Satz StPO in Hinsicht auf die Bezeichnung des Berufungsgegenstandes nicht derogiert.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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