OGH 10ObS304/00d

OGH10ObS304/00d24.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dipl. Ing. Gustav Poinstingl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Winfried Kmenta (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Anton H*****, Kraftfahrzeugmechaniker, *****, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Juli 2000, GZ 8 Rs 173/00w-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. Februar 2000, GZ 7 Cgs 166/97h-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 8. 3. 1970 geborene Kläger ist gelernter Kraftfahrzeugmechaniker und war nach der Lehrabschlussprüfung im erlernten Beruf tätig. Im August 1991 erlitt er einen schweren Motorrad-Unfall, als dessen Folge er unter einer praktischen Gebrauchsunfähigkeit des linken Armes leidet. Er kann noch leichte und mittelschwere Arbeiten durchführen, die einhändig mit dem rechten Arm vorgenommen werden. In geistiger Hinsicht kann der Kläger auch schwierige und verantwortungsvolle Tätigkeiten verrichten. Mit 1. 7. 1992 wurde ihm eine befristete Invaliditätspension zuerkannt, deren Dauer mehrfach verlängert und zuletzt mit 31. 5. 1996 zeitlich begrenzt wurde. Seit dem 2. 5. 1995 ist er wieder bei seinem früheren Arbeitgeber beschäftigt (wo er von 1989 bis Ende 1992 tätig war). Er hat eine betriebliche EDV-Schulung absolviert und arbeitet jetzt im Ersatzteillager und verrichtet dort auch EDV-Arbeiten für die Lagerhaltung (die etwa ein Drittel seiner Auslastung bringen. Er ist außerdem im Kanzleibereich tätig, führt Gespräche mit Kunden und hilft in der Administration. Als (reiner) Kraftfahrzeugmechaniker ist der Kläger auf Grund seiner praktischen Einarmigkeit nicht mehr verwendbar, er kann aber die Tätigkeiten auf seinem konkreten Arbeitsplatz erfolgreich verrichten. Er ist allerdings dabei insoweit auf das Entgegenkommen seines Arbeitgebers angewiesen, als er im Ersatzteillager wegen seiner praktischen Einarmigkeit etwa beim Auspacken und Tragen von größeren oder schweren Werkstücken wie zum Beispiel Windschutzschreiben die Hilfe eines zweiten Arbeiters braucht. Die Kombination seines Lehrabschlusses, seiner Erfahrungen im erlernten Beruf, seiner EDV-Zusatzausbildung und seiner allgemeinen Eignung zum persönlichen Kundenkontakt befähigt ihn aber auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu qualifizierten Arbeiten im erweiterten Bürobereich eines Kfz-Betriebes. Er kann Beratungstätigkeiten betreffend Kraftfahrzeuge, Telefonate mit Kunden und Bestellung von Ersatzteilen durchführen und überhaupt als Autoverkäufer arbeiten. Die praktische Einarmigkeit hindert ihn daran nicht, weil bei den üblichen Probefahrten die Kunden selbst am Steuer zu sitzen pflegen. In den genannten Bereichen ist der Kläger auch nicht auf ein besonderes Entgegenkommen des Arbeitgebers angewiesen.

Das Erstgericht wies das auf Weitergewährung der Invaliditätspension über den 31. 5. 1996 hinaus gerichtete Klagebegehren ab. Der Kläger, dessen berufliche Rehabilitation gelungen sei, könne noch als Autoverkäufer oder als Angestellter/Arbeiter im administrativen Bereich eines Kfz-Unternehmens arbeiten, ohne dabei seinen Berufsschutz als gelernter Kraftfahrzeugmechaniker zu verlieren. Die Voraussetzungen für die begehrte Leistung nach § 255 Abs 1 ASVG lägen daher nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und verwies darauf, dass es nach den Feststellungen für die vorgeschlagene Beschäftigung des Klägers mehr als 100 Arbeitsplätze gebe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens, hilfsweise Aufhebung und Zurückverweisung zur neuerlichen Entscheidung.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor. Es werden nämlich nicht Stoffsammlungsmängel, sondern Feststellungsmängel geltend gemacht, die der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen sind.

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, der Kläger sei nicht (mehr) invalid im Sinne des § 255 Abs 1 ASVG, ist zutreffend. Unbestritten ist, dass er Berufsschutz als Kraftfahrzeugmechaniker im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG genießt (vgl SSV-NF 4/27; 12/47 = DRdA 1999, 206). Aus den Feststellungen ergibt sich, dass er im Hinblick auf das erhobene Leistungskalkül diesen Beruf oder verwandte rein handwerkliche Berufe nicht mehr ausüben kann. Strittig ist im Revisionsverfahren, ob er im Rahmen dieses Berufsschutzes auf Tätigkeiten in facheinschlägigen Bereichen der Administration eines Kraftfahrzeugbetriebes und eines Autoverkäufers verwiesen werden kann. Der Senat hat bereits in dem zu SSV-NF 7/6 entschiedenen Fall ausgesprochen, dass von einem bisher als Facharbeiter (angelernter Handwerker) manuell tätigen Versicherten gefordert werden könne, sich einfache kaufmännische Fähigkeiten anzueignen, um in dem von ihm erlernten Beruf (dort: eines Tischlers) als Verkaufsberater tätig zu sein, sofern bei dieser Tätigkeit eine ausreichende Nahebeziehung zum bisher ausgeübten Beruf bestehe. Grundsätzlich sei auch von einem Facharbeiter, der über alle Kenntnisse und Fähigkeiten im erlernten Beruf verfügt, zu verlangen, dass er sich einer Nachschulung zum Erwerb von Spezialkenntnissen in diesem erlernten Beruf unterziehe, wenn er diesen nur mehr in der spezialisierten Form ausüben können. Auch dann halte sich nämlich die in Frage kommende Tätigkeit im Rahmen des erlernten Berufes; dieser werde aufgrund der Nachschulung in einer qualifizierteren Form ausgeübt. Werde allerdings durch die Schulung der Bereich des erlernten Berufes verlassen und stehe der Beruf, zu dessen Ausübung die Schulung erfolgt, mit dem erlernten Beruf in keinem unmittelbaren Zusammenhang, so würde eine Verweisung auf diesen Beruf den Grundsätzen des Berufsschutzes widersprechen. Der Versicherte wäre in diesem Fall nicht gehalten, sich einer solchen Schulung zu unterziehen; er könnte auf den Beruf, auf den die Schulung vorbereitet, nicht verwiesen werden (SSV-NF 8/75 - Konstrukteur; SSV-NF 7/6 und 10/58 - Verkaufsberater oder Vertreter in Einrichtungshäusern; SSV-NF 8/84 - Kundendienstbetreuer).

Nach den Feststellungen verfügt der Kläger über die nötigen Kenntnisse sowie geistigen und körperlichen Fähigkeiten, um den Beruf eines Autoverkäufers auszuüben. Davon abgesehen wäre von ihm selbst eine allfällige kaufmännische Zusatzausbildung zu verlangen. Im Hinblick auf sein Alter von nur 22 Jahren am maßgeblichen Stichtag 1. 7. 1992 (SSV-NF 10/46) bzw von rund 30 Jahren bei Schluss der Verhandlung erster Instanz hat er noch einen wesentlichen Teil seines Berufslebens vor sich; im Hinblick darauf könnte von ihm umsomehr gefordert werden, sich einer Nachschulung zu unterziehen, um in einer spezialisierten Form seines erlernten Berufes weiter tätig zu sein (ähnlich SSV-NF 10/58). Angesichts dieser Verweisbarkeit sind die Erwägungen des Revisionswerbers betreffend die weitere Verweisung auf qualifizierte Arbeiten im erweiterten Bürobereich eines Kraftfahrzeugbetriebes nicht mehr entscheidend; es braucht ferner nicht untersucht zu werden, ob der Kläger nicht auch als Kundendienstberater - ohne manuelle Mitarbeit - in größeren Betrieben einsetzbar wäre (vgl Berufslexikon I "Lehrberufe" 1997, 267 f).

Dass der Kläger im Falle der Ausübung des Verweisungsberufes als Angestellter tätig wäre, stellte entgegen seiner Auffassung kein Hindernis für eine Verweisung dar. Ganz allgemein führt der berufliche Aufstieg von gelernten Arbeitern, insbesondere wenn sie hochqualifiziert sind wie der Kläger, dazu, dass sie in Angestelltenpositionen gelangen. Auch bezüglich des Berufsschutzes wäre für den Kläger mit der Ausübung des Verweisungsberufes kein Nachteil verbunden, weil er damit in den Genuss des Berufsschutzes gemäß § 273 Abs 1 ASVG käme (SSV-NF 8/75 mwN; 10/58).

Die beklagte Partei hat überdies eingewendet, der Kläger sei seit 1995 in einem aufrechten Dienstverhältnis tätig und dieser Umstand stehe nach § 86 Abs 3 Z 2 ASVG dem Anfall einer Invalidiätspension entgegen. Da der Anspruch auf die begehrte Pension auf den oben dargestellten Gründen nicht besteht, braucht zu diesem von den Vorinstanzen mit Stillschweigen übergangenen Einwand nicht Stellung genommen zu werden.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht dargetan.

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