OGH 6Ob226/00d

OGH6Ob226/00d23.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Erika H*****, und 2) Helga L*****, beide vertreten durch Dr. Karl Haas, Dr. Georg Lugert und Mag. Andreas Friedl, Rechtsanwaltspartnerschaft in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien 1) Robert R*****, und 2) Ilse R*****, beide*****, beide vertreten durch Dr. Herbert Gradl, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Feststellung (Streitwert 60.000 S), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 16. März 2000, GZ 36 R 57/00a-36, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 26. Juli 2000, GZ 36 R 57/00a-40, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 27. Dezember 1999, GZ 1 C 698/97b-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit 5.601,69 S (darin 933,61 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerinnen sind je zur Hälfte Eigentümerinnen der Liegenschaft EZ 25 mit den Grundstücken (Gst) Nr 62 und 63 und dem darauf befindlichen Haus Nr 25, die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer der benachbarten Gste Nr 58 und 59 mit dem Haus Nr 27. Ein Glasübergang verbindet die Häuser der Streitteile. Bis 1981 war die Mutter der Klägerin Alleineigentümerin sämtlicher Liegenschaften. Mit Schenkungsvertrag vom 15. 7. 1981 übergab sie der Erstklägerin eine Reihe von Grundstücken, so auch das Gst Nr 62. Mit Kaufvertrag vom 1. 10. 1984 verkaufte sie weitere Liegenschaften, darunter die Gste Nr 58 und 59 an die Beklagten. Der notarielle Kaufvertrag enthält die Bestimmung, wonach "nur das Gst Nr 59 allseits von einem Zubehör bildenden Zaun umgeben ist, soweit es nicht vom Vertragshaus begrenzt wird. Gst Nr 58 hat entlang obiger Landstraße und weiter bis zum Vertragshaus einen Zubehör bildenden Zaun". Der beide Häuser verbindende Glasgang wird im Kaufvertrag nicht erwähnt. Tatsächlich war im Zeitpunkt der Vertragserrichtung an der Grenze zwischen den Gsten Nr 58 und 63 kein durchgehender Zaun vorhanden.

Die Klägerin begehren die Feststellung, dass die Grenze zwischen den Gsten Nr 62 und 63 und den Gsten Nr 58 und 59 entlang der Punkte 908, 960, 951, 912 und 1504 verläuft und die Klägerinnen Eigentümer des von den angeführten Punkten und den weiteren Punkten 919 und 909 begrenzten Grundstücksteiles sind. Anlässlich des Verkaufes der Gste Nr 58 und 59 an die Beklagten sei der Grenzverlauf besichtigt und einvernehmlich festgesetzt worden. Weder bei Abschluss des Kaufvertrages noch in den Jahren danach hätten Zweifel daran bestanden, dass die Grenze zwischen den Grundstücken von der südwestlichen Ecke des an die Beklagten verkauften Hauses entlang der Gebäudebegrenzung bis zum Punkt 912 und von dort geradlinig zu Punkt 1504 verlaufe und dass der zwischen beiden Häusern bestehende Grundstücksstreifen zum Anwesen der Klägerinnen gehöre.

Die Beklagten wendeten ein, die Grundstücksgrenze verlaufe in der Mitte des Glasganges zwischen den beiden Häusern. Bei den zum Verkauf führenden Gesprächen habe die Voreigentümerin den Grenzverlauf beschrieben. Danach liege die Grenze zwischen den Gsten 58 und 63 jeweils im halben Hausabstand und münde im Wesentlichen geradlinig in die Grenze zwischen den Gsten 59 und 62 ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte noch fest, dass weder die Gste Nr 58 und 59 noch die Gste Nr 62 und 63 im Grenzkataster "im technischen Sinn" eingetragen seien. Die Bestimmungen des § 8 Z 1 VermessungsG, wonach der Grenzkataster zum verbindlichen Nachweis der Grenzen der Grundstücke bestimmt sei, sei auf diese Grundstücke nicht anzuwenden. Der mit den Beklagten geschlossene Kaufvertrag sei vom Schwiegersohn der Verkäuferin entworfen worden und habe in seiner Textierung nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen. Der Wille der Vertragspartner habe sich auf einen Verkauf des gesamten Gst Nr 58 bezogen, und zwar so, wie dieses von der Voreigentümerin besessen und benutzt worden sei. Für die Verkäuferin sei die Grenze zwischen den Gsten Nr 58 und 59 einerseits und Nr 62 und 63 andererseits in der Mitte des (beide Häuser verbindenden) Glasüberganges verlaufen. Vor Errichtung des Kaufvertrages sei es zu einer Besichtigung der Liegenschaft gekommen, wobei die Mutter der Klägerinnen (die Verkäuferin) den Verlauf der Grenze mit der Mitte des die beiden Häuser Nr 25 und 27 verbindenden Glasganges angegeben habe. Dementsprechend habe sie auch die Gste Nr 58 und 59 an die Beklagten übergeben. Das Gst Nr 58 werde zur Straße hin von Punkt 901 ostwärts von einem Sockel mit einem Zaun abgegrenzt. Beim (von der Straßenseite aus gesehen) rechten Flügel des (ehemaligen) Einfahrtstores habe sich etwa 1 bis 1,5 m in Richtung auf das Haus der Beklagten ein Zaunsockel mit einem Zaun befunden, den die Erstbeklagte entfernt habe. Es könne weder festgestellt werden, ob dieser Zaunsockel genau zur Hausecke oder etwa zu einem Punkt weiter westlich davon gewiesen habe, noch dass die Grenze zwischen den Gsten Nr 62 und 63 einerseits und Nr 58 und 59 andererseits entlang der im Feststellungsbegehren angegebenen Punkten verlaufe und die Klägerinnen Eigentümer des davon begrenzten Grundstücksteiles seien.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Erwerber eines Grundstückes erwerbe zwar die im Gutsbestandsblatt angeführte Parzelle, nicht aber notwendig mit den in der Mappe angeführten Grenzen und in der aus dieser hervorgehenden Ausdehnung. In Bezug auf die in der Natur übergebene Fläche sei der Wille der Parteien maßgeblich, wie auch der Umstand, in welchem Umfang das Grundstück tatsächlich übergeben wurde. Für den Umfang des Eigentumserwerbs sei der im Titel zum Ausdruck gebrachte Parteiwille ausschlaggebend. Der Kaufvertrag halte fest, dass das Gst Nr 58 entlang der Landesstraße und bis zum Haus der Beklagten (Nr 27) von einem Zaun begrenzt werde. Tatsächlich habe sich im Zeitpunkt der Vertragserrichtung zwischen den Gsten 58 und 63 (zwischen Straße und Haus Nr 27) kein Zaun befunden, sodass der Kaufvertrag allein nicht darüber Aufschluss geben könne, welcher Grenzverlauf vereinbart worden sei. Der Wille der Vertragsparteien sei daher durch Auslegung zu ermitteln. Während die Verkäuferin den Beklagten die Grenze anlässlich einer Besichtigung gezeigt habe, sei der Vertrag durch ihre Kinder bzw Schwiegerkinder formuliert worden. Diese wären bestrebt gewesen, den Grenzverlauf auf eine für sie günstige Weise (aber nicht den tatsächlichen rechtlichen Gegebenheiten entsprechend) festzuschreiben. Der Parteiwille bei Abschluss des Kaufvertrages habe sich demgegenüber auf die Liegenschaft in den von der Voreigentümerin genutzten Grenzen bezogen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge. Für den Umfang des übergebenen Grundstückes sei der im Kaufvertrag zum Ausdruck gebrachte Parteiwille maßgeblich. Nach dem Inhalt des Kaufvertrages habe die Verkäuferin die Gste Nr 58 und 59 mit allen Rechten, mit welchen sie den Kaufgegenstand bisher besessen und benutzt habe oder zu besitzen oder zu benützen berechtigt gewesen sei, mit dem gesamten rechtlichen und natürlichen Zubehör verkauft, wobei das Gst Nr 59 angeblich allseits - soweit nicht vom Vertragshaus begrenzt - von einem Zaun umgeben gewesen sei, während Gst Nr 58 entlang der Landesstraße und weiter bis zum Vertragshaus einen Zaun aufgewiesen habe. Dieser Vertragstext habe, was das Gst Nr 58 und dessen Begrenzung durch einen Zaun betreffe - nicht den tatsächlichen Gegebenheiten bei Vertragsabschluss entsprochen. Seine Auslegung erfordere die Berücksichtigung aller Umstände - wie auch die Erklärungen der Parteien -, aus denen sich Schlüsse auf die Parteiabsicht ziehen ließen. Wesentliche Bedeutung komme daher der gemeinsamen Begehung und Bezeichnung der Grenze durch die Verkäuferin und die Beklagten zu. Dies ermögliche eine Auslegung der Vertragsbestimmung in die Richtung, dass auf die Mitte des Glasüberganges abgestellt werde, wobei in diesem Bereich zumindest teilweise ein Zaun vorhanden gewesen sei. So habe die Verkäuferin selbst die Mitte des Glasüberganges (und nicht etwa die Hausmauer des Objekts Nr 27) als Nutzungsgrenze angegeben. Auch der anlässlich der Schenkung des Gst Nr 62 an die Erstklägerin 1981 errichtete Schenkungsvertrag habe nicht etwa die Mauer des Objektes Nr 27 als Grenze genannt, sondern festgehalten, dass die gesamte Grundfläche (der geschenkten Liegenschaft) von einem Zaun umgeben sei. In einer Vereinbarung vom 18. 10. 1984 über die teilweise Rückgängigmachung der Schenkung sei überdies ausgeführt worden, dass das Gst Nr 62 auch jenen schmalen Grundstücksteil umfasse, der zwischen der Hausnummer 25 und der Grenze zum östlich anliegenden Gst Nr 58 (der Beklagten) gelegen sei. Auch dort sei somit nicht die Hausmauer des Hauses Nr 27 als Grundstücksgrenze definiert worden. Das Auslegungsergebnis des Erstgerichtes sei daher nicht zu beanstanden. Den Klägerinnen sei der Beweis der behaupteten Grenze misslungen. Damit sei aber auch das auf Feststellung des Eigentumsrechts der Klägerinnen gerichtete Begehren (das in untrennbarem Zusammenhang mit der Feststellung des behaupteten Grenzverlaufes stehe) zur Gänze abzuweisen. Einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob die "richtige" Grenze allenfalls zwischen den von den Klägerinnen einerseits oder den von den Beklagten andererseits behaupteten Grenzlinien liege, bedürfe es schon deshalb nicht, weil es für einen derartigen im Zwischenbereich liegenden Grenzverlauf an jeglichen Parteibehauptungen fehle. Die Feststellung des Eigentums der Klägerinnen an einem zwischen den Positionen der Streitteile liegenden Grundstücksteil wäre daher im konkreten Fall kein Minus, sondern ein Aliud und komme nicht in Betracht. Aus diesen Gründen bedürfe es auch keiner näheren Auseinandersetzung mit der Frage, wo im Verhältnis zu den von den Klägerinnen begehrten Punkten die Mitte des Glasüberganges, die das Erstgericht als Grenze herangezogen habe, zu liegen komme. Die Abweisung des Klagebegehrens auf Feststellung des behaupteten Grenzverlaufes hindere aber auch die Feststellung des Eigentumsrechtes der Beklagten am strittigen Grundstücksteil.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000 S, nicht jedoch 260.000 S übersteige und - nach Antragstellung gemäß § 508 ZPO - die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob das Gericht verpflichtet sei, im Zusammenhang mit der Feststellung eines bestimmten Grenzverlaufes und (damit verbunden) des Eigentumsrechts an den sich daraus ergebenden Grundstücksteilen, alle denkbaren Grenzverläufe (auch ohne weitere Parteibehauptungen) zu prüfen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerinnen ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberinnen machen geltend, die Vorinstanzen hätten sich mit dem tatsächlichen Grenzverlauf auseinandersetzen und gegebenenfalls ihr Eigentumsrecht an einem kleineren Grundstücksteil als Minus zum erhobenen Begehren feststellen müssen.

Lehre und Rechtsprechung beurteilen den Zuspruch eines Minus auch bei Feststellungsklagen als zulässig, wobei eine Überschreitung des § 405 ZPO dann nicht vorliegt, wenn ein quantitativ geringerer Umfang des Rechtes, dessen Feststellung begehrt wird, urteilsmäßig festgestellt wird (SZ 58/187; NZ 1996, 233; 1 Ob 55/87; RIS-Justiz RS0037485; Fasching ZPR2 Rz 1451; Rechberger in Rechberger ZPO2 Rz 3 und 5 zu § 405). Maßgeblich ist, dass das festgestellte Recht oder Rechtsverhältnis zur Gänze in jenem Recht oder Rechtsverhältnis Deckung findet, dessen Feststellung begehrt wird (SZ 56/38; NZ 1996, 233).

Diesem Grundsatz entsprechend hat der Oberste Gerichtshof die Stattgebung eines auf Feststellung des Eigentums an einem Grundstück gerichteten Begehrens bloß in Bezug auf einen Teil dieser Grundstücksfläche als Minus behandelt (1 Ob 55/87 = RIS-Justiz RS0041055). Im damals zu beurteilenden Fall machten die Klägerin Ersitzung eines bestimmten Grundstücks geltend und begehrten die Feststellung ihres Eigentumsrechts, wobei sie selbst vorbrachten, ein Teil dieses Grundstückes sei zwischenzeitig zum Bett eines Baches geworden, sie hätten nur die restliche Fläche bis zur Uferlinie ersessen. Der Oberste Gerichtshof hat die Ersitzung des Eigentums bis zur Uferlinie des Baches bejaht und die Stattgebung des Feststellungsbegehrens in Bezug auf diesen Teil des Grundstückes als Minus für zulässig erachtet.

Der nun zu beurteilende Fall unterscheidet sich davon grundlegend. Die Revisionswerberinnen begehrten die Feststellung eines nach Vermessungspunkten konkret bezeichneten Grenzverlaufes und - damit in untrennbarem Zusammenhang - die Feststellung ihres Eigentumsrechts an dem durch diese Vermessungspunkte eindeutig bestimmten Grundstücksteil. Dass sie die Feststellung des Grenzverlaufes in anderen als den in der Klage angeführten Punkten (und dementsprechend die Feststellung ihres Eigentumsrechts bloß an einem Teil des angeführten Grundstücksteiles) anstreben, ist ihrem Vorbringen in keiner Weise zu entnehmen. Die Festlegung des Grenzverlaufes in anderen als in den in der Klage angeführten Vermessungspunkten fände daher schon im erhobenen Begehren keine Deckung und bedeutete den Zuspruch eines vom Begehren nicht umfassten Aliud. Gleiches gilt für die damit schon nach dem Vorbringen in untrennbarem Zusammenhang stehende Feststellung des Eigentumsrechts an der sich aus den Vermessungspunkten ergebenden Teilfläche.

Die Vorinstanzen waren daher nicht gehalten, den genauen Grenzverlauf zu erforschen und festzustellen. Die vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes reichten für eine Abweisung der konkreten Feststellungsbegehren aus, ohne dass sich die Vorinstanzen noch mit der Frage beschäftigen mussten, wo die Grundstücksgrenze konkret verläuft. Diese Frage bleibt einer späteren Klärung (im Sinn der §§ 851 ff ABGB) vorbehalten.

Der unberechtigten Revision wird ein Erfolg versagt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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