OGH 12Os110/00

OGH12Os110/0019.10.2000

1Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Krüger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Friedrich W***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 3. Mai 2000, GZ 42 Vr 48/00-7, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der Gendarmeriebeamte Friedrich W***** wurde des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er "am 12. 12. 1999 in F***** dadurch, dass er aus privaten Motiven sich während seiner Freizeit als Gendarmeriebeamter in den Dienst stellte, in weiterer Folge im Rahmen einer sicherheitspolizeilichen Amtshandlung gemäß § 1 Abs 3 Richtlinienverordnung (zu § 31 SPG - US 6) Markus W*****, Christian K*****, Peter K***** und Eva G***** mit gezogener Faustfeuerwaffe und den Worten: ""Alle Vier aus dem Auto aussteigen - Gendarmerie - stellt euch an die Wand"" zum Verlassen ihres Fahrzeuges zwang, als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch die genannten Personen in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrecht auf Freiheit zu schädigen, seine Befugnis im Namen des Bundes Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht".

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und lit b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Nach den den Schuldspruch tragenden - zusammengefasst wiedergegebenen - erstgerichtlichen Feststellungen näherten sich am 12. Dezember 1999 gegen 22 Uhr zwei Personenkraftwagen dem einsam gelegenen und über eine Zufahrtsstraße erreichbaren Einfamilienhaus, das der Angeklagte mit seiner Ehefrau und seinem Stiefsohn Dieter W***** bewohnt. Während ein PKW, der von Markus W***** gelenkt wurde und in dem sich ferner Christian K*****, Peter K***** und Eva G***** befanden, am Beginn der Zufahrtsstraße angehalten wurde, lenkte Jürgen R*****, dessen persönliche Bekanntschaft mit dem Stiefsohn des Angeklagten durch im Urteil nicht näher erörterte Auseinandersetzungen belastet ist, den zweiten PKW bis zum Wohnhaus des Beschwerdeführers, wendete dort und fuhr sodann zum Standort des PKW des Zeugen W***** zurück. Beide Fahrzeuge verließen in weiterer Folge den Einmündungsbereich der Zufahrtsstraße in die Hauptstraße. Dieser Vorgang wurde von Dieter W*****, seiner Mutter und dem nicht im Dienst befindlichen Angeklagten beobachtet. Um das Fahrtziel der beiden Personenwagen und die Identität ihrer Insassen festzustellen, beschloss der Beschwerdeführer, sie mit seinem PKW zu suchen und entdeckte sie in Alland im Bereich der Autobahnraststätte. Als sich die Fahrzeuge trennten, folgte der Beschwerdeführer dem Zeugen W*****, der seinen PKW in W***** in die zum Wohnhaus der Eva G***** führende Sackgasse lenkte. Der Angeklagte hielt seinen PKW in dieser Sackgasse so an, dass es W***** nicht mehr möglich war zu wenden, verließ sein Fahrzeug, brachte eine Pistole gegen den PKW des Zeugen W***** in Anschlag und forderte - unter gleichzeitigem Hinweis auf seine Eigenschaft als Gendarmeriebeamter - dessen Insassen auf, auszusteigen und sich an eine durch Autoscheinwerfer beleuchtete Wand zu stellen. Nachdem sich beim anschließenden Gespräch herausgestellt hatte, dass der zweite PKW von Jürgen R***** gelenkt wurde, forderte der Beschwerdeführer den Zeugen W***** und dessen Mitfahrer auf, seinen Stiefsohn in Ruhe zu lassen.

In subjektiver Hinsicht stellten die Tatrichter unter ausdrücklicher Ablehnung der insoweit unsubstantiierten Verantwortung des Beschwerdeführers, wonach er sich durch die Positionierung der in Rede stehenden Personenkraftwagen im Bereiche seines Wohnhauses bedroht gefühlt habe, - mit ausführlicher Bezugnahme auf die Bestimmung des § 1 Abs 3 der Richtlinienverordnung zu § 31 SPG - fest, dass der Angeklagte "wusste, dass er außerhalb seines Dienstes nur dann als Gendarmeriebeamter einzuschreiten hat, wenn eine Gefährdung von Personen besteht", sich aber, obwohl diese Prämisse nicht vorlag, dennoch in den Dienst stellte und auf die bereits geschilderte Weise an einen kilometerweit von seinem Wohnhaus (als örtlichem Bezugspunkt der behaupteten Bedrohung) entfernten Ort gegen die bezeichneten Personen vorging, obwohl er wusste, dass er seiner Befugnis, Amtsgeschäfte vorzunehmen, zuwider handelte und "damit rechnete, dass er durch diese Handlung diese Personen in ihrem Recht auf Freiheit schädigte und sich damit abfand" (US 5 bis 7).

Das Erstgericht hat somit sämtliche subjektiven Tatbestandserfordernisse des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt richtig erkannt und festgestellt.

Der unter dem Gesichtspunkt undeutlicher Begründung erhobene Beschwerdeeinwand (Z 5), die tatspezifische Wissentlichkeit des Befugnismissbrauches sei aus den erstgerichtlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht ableitbar, verfehlt somit eine prozessordnungsgemäße Orientierung am gesamten Urteilsinhalt.

Gleiches gilt für die Rechtsrüge (Z 9 lit a und lit b). Denn die Beschwerde zeigt mit der Reklamation "näherer Feststellungen zur subjektiven Tatseite ...., nämlich dass der Angeklagte beim Verfolgen und Stelligmachen der Personen von einer bestehenden Gefahrenlage für Leib und Leben für sich und seine Mitbewohner sehr wohl - jedoch irrtümlich, wie sich im Nachhinein herausstellte - der Annahme sein konnte" nicht, wie dies zur gesetzmäßigen Darstelllung des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlich gewesen wäre, einen auf irriger Rechtsmeinung beruhenden Feststellungsmangel in Bezug auf einen für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Tatumstand auf, sondern versucht lediglich durch neuerliche Erörterung der Tatfrage der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.

Konstatierungen zum thematisierten Rechtsirrtum (§ 9 StGB) hingegen waren weder durch die Verantwortung des Angeklagten noch durch sonstige Verfahrensergebnisse indiziert.

Soweit die Beschwerde auf das jedem Staatsbürger (und damit auch dem Beschwerdeführer) eingeräumte Recht abstellt, eigenen Besitz zu schützen und Rechtsbrecher (zu ergänzen: auf angemessene Weise - § 86 Abs 2 StPO) anzuhalten und auf der Grundlage des hier infolge außerdienstlichen Einschreitens des Angeklagten als Gendarmeriebeamter nicht aktuellen rechtmäßigen allgemeinen Selbsthilferechtes - unter konsequenter Vernachlässigung der (entgegen der Beschwerde die Tatsachenkonkretisierung nicht berührenden und daher auch "inhaltlich" nicht festzustellenden) vom Erstgericht zutreffend für die rechtliche Beurteilung des inkriminierten Verhaltens des Beschwerdeführers herangezogenen Bestimmung des § 1 Abs 3 Richtlinienverordnung zu § 31 SPG, wonach Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außerhalb des Dienstes zur Erfüllung ihrer Aufgaben nur dann einzuschreiten haben, wenn sie erkennen, dass dies zur Abwehr einer gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Gefahr für Leben, Gesundheit, Freiheit von Menschen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß erforderlich ist, das inkriminierte Verhalten als Amtshandlung problematisiert, lässt sie einmal mehr die gebotene umfassende Orientierung am Urteilssachverhalt und an der darauf anzuwendenden Norm vermissen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285a, 285d StPO). In gleicher Weise war mit der in den Prozessgesetzen hier nicht vorgesehenen, angemeldeten aber nicht ausgeführten Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zu verfahren.

Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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