OGH 9Ob175/00a

OGH9Ob175/00a4.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den

Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als

Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.

Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere

Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Mag. Michael W*****, 2) Mag. Anne Christine K*****, vertreten durch Dr. Christian Prader, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1) Helmut F*****, 2) Erika F*****, 3) Clara P*****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Felix Graf, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Übergabe eines Bestandobjektes, über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Aufhebungsbeschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 4. April 2000, GZ 2 R 85/00s-19, womit über Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 30. Dezember 1999, GZ 4 C 1557/99f-13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Kläger sind Eigentümer eines Hauses in Feldkirch, das zwei Wohnungen im Erdgeschoss bzw. im ersten Stock sowie ein Appartement im Obergeschoss enthält. Die Rechtsvorgängerin der Kläger vermietete den Beklagten mit Vertrag vom 1. 10. 1994 die im Erdgeschoss gelegene Wohnung und das im Obergeschoss befindliche Appartement. Es wurde vereinbart, dass der Vertrag auf 5 Jahre geschlossen wird, sodass er am 30. September 1999 ende, ohne dass es einer Kündigung bedürfe.

Das Haus wurde aufgrund einer am 11. November 1965 (allerdings für ein Zweifamilienhaus) erteilten Baubewilligung in der Zeit von Sommer 1966 bis Spätfrühling 1968 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichtet. Die Benützungsbewilligung wurde mit Bescheid vom 3. 7. 1968 erteilt (so die ihm Rahmen der rechtlichen Beurteilung getroffene Tatsachenfeststellung S 14 des Ersturteils).

Am 8. 11. 1967 war vom Stadtbauamt festgestellt worden, dass der Neubau größtenteils fertiggestellt und im Keller mit dem Einbau einer Ölfeuerungsanlage begonnen worden war.

Eine Verlängerung des Mietvertrages haben die Kläger den Beklagten nicht zugesagt.

Das Erstgericht erließ über Antrag der Kläger den Auftrag an die Beklagten, das Bestandobjekt nach Ablauf der Bestandzeit zu übergeben.

Die Beklagten erhoben dagegen Einwendungen und behaupteten das Bestehen eines unbefristeten Bestandverhältnisses. Sie brachten vor, dass die Mietgegenstände in einem vor dem 31. 12. 1967 errichteten (und bewohnten) Wohnhaus mit mehr als zwei selbständigen Wohnungen liege, sodass die vereinbarte Befristung nicht gesetzeskonform sei. Überdies hätten die Kläger eine Verlängerung des Mietvertrages zugesagt.

Das Erstgericht erklärte den Übergabsauftrag für rechtswirksam und verpflichtete die Beklagten, das Bestandobjekt binnen 14 Tagen zu räumen. Die vereinbarte Befristung sei iS des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG zulässig. Diese Bestimmung ermögliche die wirksame Vereinbarung einer Befristung ua dann, wenn der Mietgegenstand nach dem 31. 12. 1967 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichtet worden sei. Dabei sei nicht auf das Datum der Baubewilligung, sondern auf den Zeitpunkt der Benützungsbewilligung oder der vorherigen erstmaligen tatsächlichen Benützung bzw. Vermietung abzustellen. Der Begriff "tatsächliche Benützung" müsse durch die Wendung "im üblichen Sinn" ergänzt werden. Eine Benützung im üblichen Sinn sei aber hier vor dem 31. 12. 1967 nicht möglich gewesen, weil noch keine funktionierende Heizmöglichkeit bestanden habe.

Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Berufungsgericht dieses Urteil über Berufung der Beklagten auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass das Bestandobjekt schon dann nicht iS § 29 Abs 1 Z 3 lit a 2. Fall MRG nach dem 31. 12. 1967 errichtet worden sei, wenn es schon vor dem genannten Zeitpunkt "im üblichen Sinn" benützbar gewesen sei. Dies sei aber hier noch nicht geklärt, weil die bisherigen Feststellungen eine derartige Beurteilung nicht erlaubten und das Erstgericht überdies die dazu beantragten Beweise nicht durchgeführt habe.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil die Auffassung des Berufungsgerichtes, das Bestandobjekt sei schon dann vor dem 31. 12. 1967 errichtet worden, wenn es vor diesem Zeit bereits bewohnbar gewesen sei, durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht gedeckt sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

Die Beklagten haben sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Nach § 29 Abs 1 Z 3 lit a 2. Fall MRG ist die vereinbarte Befristung durchsetzbar (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 4 zu § 29 MRG), wenn der Mietgegenstand nach dem 31. 12. 1967 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichtet worden ist. Die EB zur RV des MRG (425 BlgNR 15. GP 42) weisen darauf hin, dass durch § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG die Sonderregelung des § 1 Abs 3 Z 1 MG beibehalten werden sollte. Der Begriff der Errichtung iSd § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG ist somit gleichzusetzen der "Neuschaffung" eines Mietgegenstandes iSd § 1 Abs 3 Z 1 MG durch Neu-, Um-, Auf-, Ein- oder Zubau. Zur Auslegung des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG kann daher auf die zu § 1 Abs 3 Z 1 MRG ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden (WoBl 1998,/185; WoBl 1998/186 je mwN).

Die ältere Rechtsprechung betrachtete im Falle der Errichtung eines Bestandobjektes durch Neubau als Zeitpunkt der "Neuschaffung" des Objektes den Zeitpunkt der Benützungsbewilligung, weil - so die Begründung - eine Wohnung erst dann als "geschaffen" angesehen werden könne, wenn sie den behördlichen Anforderungen vollkommen entspreche und weil der Neubau erst mit dem Zeitpunkt der Benützungsbewilligung von Rechts wegen als Gegenstand des Anbots für den Mietenmarkt in Betracht kommen könne (SZ VI/290; MietSlg. 10.192 uva; zuletzt zur Errichtung iS § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG: MietSlg 49.340). Die zu § 1 Abs 3 Z 1 MG ergangene Entscheidung SZ 44/77 hielt daran grundsätzlich fest, allerdings mit der Einschränkung, dass sich der Vermieter dann nicht zur Vermeidung von ihm unerwünschter Rechtsfolgen auf das Fehlen der Benützungsbewilligung berufen könne, wenn er den Bestandgegenstand bereits lange vorher dem Mieter zur Benützung übergeben habe. In einem solchen Fall könne er nicht sagen, er habe keine Wohnung, sondern eine "Baustelle" vermietet. Ein solches Vorgehen widerspreche Treu und Glauben (SZ 44/77).

Die folgende Rechtsprechung zu § 1 Abs 3 Z 1 MG, aber auch zu § 29 Abs 1 Z 3 MRG hielt an dieser Rechtsauffassung fest und vertrat ebenfalls die Auffassung, dass eine vor dem 1. 1. 1968 erbaute und "dem Mieter" zur Benützung übergebene Wohnung auch dann als vor dem 1. 1. 1968 neu geschaffen (bzw. errichtet) anzusehen sei, wenn für sie vor diesem Stichtag keine baubehördliche Benützungsbewilligung erwirkt wurde (MietSlg 26.168; MietSlg. 27.252; MietSlg. 30.274; MietSlg. 47.328). Auch die Entscheidungen SZ 49/72 und 3 Ob 653/79 stellen darauf ab, ob trotz späterer Erteilung der Benützungsbewilligung das Bestandobjekt bereits vor dem maßgebenden Stichtag fertiggestellt und auch vermietet wurde, wobei ihnen zu entnehmen ist, dass die Vermietung nicht an "den" (im jeweiligen Verfahren beklagten) "Mieter", also an denjenigen, der sich auf die Undurchsetzbarkeit der Befristung beruft, erfolgt sein muss. In den bereits zitierten Entscheidungen MietSlg. 26.168, 3 Ob 653/79 und MietSlg. 47.328 wird für das Abstellen auf die erstmalige Vermietung des Objektes auch nicht mehr verlangt, dass diese bereits "lange" vor dem Stichtag erfolgt sein müsse. Nach der Entscheidung MietSlg 33.262 sei der Zeitpunkt der behördlichen Genehmigung dann belanglos, wenn ein Raum - wenngleich ohne Benützungsbewilligung - schon lange vor dem maßgeblichen Stichtag bzw. vor der Durchführung der baulichen Veränderungen tatsächlich "zu Wohnzwecken verwendet" bzw. in Bestand gegeben wurde, wobei allerdings auch im dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall das Bestandobjekt bereits vor dem Stichtag als Bestandobjekt benutzt wurde.

Nach Würth/Zingher (Miet- und Wohnrecht20 Rz 15 zu § 29 MRG) kommt es für die Frage, ob ein Mietgegenstand nach dem 31. 12. 1967 errichtet wurde, auf den Zeitpunkt der Benützungsbewilligung oder auf eine frühere Übergabe an den Mieter an (ebenso Würth in Rummel, ABGB**2 Rz 6 zu § 29 MRG). Hingegen bezeichnen Prader/Kuprian, (Befristung im MRG S 19 Rz 25) als maßgebenden Zeitpunkt jenen der Benützungsbewilligung bzw. der (vorherigen) "erstmaligen tatsächlichen Benützung" bzw. Vermietung.

Abgesehen von der Entscheidung MietSlg 33.262 gehen daher sämtliche der zitierten Entscheidungen - und auch die zitierten Lehrmeinungen mit Ausnahme der Meinung von Prader/Kuprian - davon aus, dass es zur Frage, ob das Bestandobjekt nach dem 31. 12. 1967 errichtet wurde, nur dann nicht auf den Zeitpunkt der Benützungsbewilligung ankommt, wenn das Bestandobjekt schon vorher in Bestand gegeben wurde. Dies entspricht auch den in SZ 44/77 angestellten Überlegungen, wonach es dem Vermieter verwehrt sein soll, einerseits das Objekt vor dem 1. 1. 1968 in Bestand zu geben, sich anderseits aber gegenüber dem Mieter darauf zu berufen zu können, bis zur Benützungsbewilligung keine "Wohnung" vermietet zu haben. An dieser Rechtsauffassung hält auch der erkennende Senat fest. Dabei kann es für die hier zu beurteilende Rechtsfrage keinen Unterschied machen, ob das Bestandobjekt vor dem Stichtag gerade an den Mieter übergeben wurde, der sich nunmehr auf die Undurchsetzbarkeit der Befristung beruft. Ebensowenig ist ein Grund dafür erkennbar, dass die Vermietung bereits "lange" vor dem Stichtag erfolgt sein muss. Entscheidend ist daher ausschließlich, ob das Bestandobjekt bereits vor dem 1. 1. 1968 einem Mieter übergeben wurde. War dies der Fall, ist auf die Übergabe an den Mieter abzustellen; war dies nicht der Fall, entscheidet der Zeitpunkt der Erteilung der Benützungsbewillligung.

Auf die bloße Benützung des Bestandobjektes durch den Hauseigentümer oder seine Familienmitglieder oder - wie das Berufungsgericht meint - überhaupt nur auf die Benützbarkeit abzustellen, wäre hingegen eine völlige Abkehr vom Grundsatz der Maßgeblichkeit der Benützungsbewilligung, die den diesem Grundsatz zugrunde liegenden Überlegungen nicht Rechnung tragen würde und sachlich nicht gerechtfertigt wäre.

Im hier zu beurteilenden Fall ist daher entscheidend, ob - wie die Beklagten mit ihrem Beweisantrag in der Tagsatzung vom 30. 12. 1999 behauptet haben - das Bestandobjekt bereits vor dem 1. 1. 1968 vermietet und an einen Mieter übergeben war. Da das Berufungsgericht auch zu dieser Frage - insoweit ausgehend von einer zutreffenden Rechtsauffassung - das Verfahren als ergänzungsbedürftig erachtete, hat es daher bei der Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung zu verbleiben.

Schon jetzt kann gesagt werden, dass den Ausführungen der Rekurswerber über eine mit dem Nachweis der nach dem Stichtag liegenden Benützungsbewilligung eintretende Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten nicht zu folgen ist. Dem allgemeinen Grundsatz gemäß, dass derjenige der sich auf eine Ausnahme von der (vollen) Anwendbarkeit des MRG beruft, dies zu beweisen hat (immolex 1999/146; MietSlg 50.491; Würth/Zingher, aaO, Rz 52 zu § 1 MRG), trifft die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer zulässigen Befristung iSd § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG den Vermieter. Unter den hier gegebenen Umständen gehört zu diesen Voraussetzungen - wie dargelegt - die Tatsache, dass das Bestandobjekt vor dem 1. 1. 1968 nicht vermietet und einem Mieter übergeben wurde. Auch diese Voraussetzung ist daher vom Vermieter zu beweisen, der diesem Beweis auch viel näher steht, als der nunmehrige Mieter, der in vielen Fällen über die für diesen Beweis nötigen Informationen nicht verfügt.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

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