OGH 9ObA199/00f

OGH9ObA199/00f4.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Edith Matejka und Oberrat Dr. Walter Wotzel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gerlinde G*****, Arbeiterin, *****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei B*****AG, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 33.126,68 brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Mai 2000, GZ 8 Ra 265/99y-15, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 31. August 1999, GZ 30 Cga 70/99v-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 676,48 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis dauerte von 26. 3. 1990 bis 9. 2. 1999 und endete durch vorzeitigen Austritt der Klägerin während des Karenzurlaubs.

Seit 1994 hat die Klägerin drei Kinder geboren, das erste Kind am 24. 11. 1994, das zweite am 18. 6. 1996 und das dritte am 26. 4. 1998. Seit Eintritt des Beschäftigungsverbotes für das erste Kind am 22. 9. 1994 hat die Klägerin tatsächlich für die Beklagte nicht mehr gearbeitet. Ab 20. 1. 1995 befand sie sich auf ihrem vereinbarten Karenzurlaub; jeweils innerhalb des vereinbarten Karenzurlaubs trat sie im Hinblick auf die Geburt des nächsten Kindes wieder in die sechzehnwöchige Frist des Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz (MSchG).

Die Klägerin begehrt S 33.126,68 brutto sA an Abfertigung (in der Höhe der Hälfte dreier Monatsentgelte) und Urlaubsabfindung.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, weil die für den Abfertigungsanspruch notwendige ununterbrochene fünfjährige Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht erreicht sei. Anders wäre dies nur, wenn das jeweils 16-wöchige Beschäftigungsverbot bei der Berechnung zu berücksichtigen wäre. Dies sei aber nicht der Fall. Auch der Anspruch auf Urlaubsabfindung bestehe nur im Falle der Berücksichtigung der Zeiten des Beschäftigungsverbotes, die aber nicht zu erfolgen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - von der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens abgesehen - statt.

Das nur von der Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Wie das Erstgericht vertrat es die Rechtsauffassung, dass die Zeiten der Beschäftigungsverbote nach dem MSchG bei der Berechnung der Dauer des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen seien.

Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist auszuführen:

Rechtliche Beurteilung

Schon in der Entscheidung Arb 9639 hat der Oberste Gerichtshof mit eingehender Begründung - im Ergebnis übereinstimmend mit einer früheren Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (Arb 9340) - die Rechtsauffassung vertreten, dass für jene Zeiträume, für die ein Beschäftigungsverbot nach den §§ 3 und 5 MSchG bestehe, Karenzurlaub nicht in Anspruch genommen werden könne. Für derartige Zeiträume bestehe ex lege keine Verpflichtung zur Dienstleistung, sodass eine Enthebung von einer solchen Verpflichtung in Form der Gewährung eines Urlaubs begrifflich ausgeschlossen sei. Hiebei sei es gleichgültig, ob die Arbeitnehmerin im Zeitpunkt der Abgabe der auf die Inanspruchnahme des Karenzurlaubs gerichteten Willenserklärung von der neuerliche Schwangerschaft bereits Kenntnis hatte. Die zweiseitig zwingenden Normen der absoluten Beschäftigungsverbote der §§ 3 und 5 MSchG seien kraft dieser Wirkung und ihrer Eigenschaften als speziellere Normen stärker als jene der zugunsten der Arbeitnehmerin nur einseitig zwingenden Normen des § 15 MSchG und führten im Ergebnis zu einer Verdrängung des gesetzlichen Karenzurlaubs bezüglich der von den absoluten Beschäftigungsverboten umfassten Zeiträume (Arb 9639).

In der Entscheidung JBl 1988, 662 hatte der Oberste Gerichtshof zwar - wie die Revisionswerberin richtig geltend macht - das Verhältnis zwischen Karenzurlaub und Sonderurlaub nach § 20 Abs 2 DO.A zu beurteilen. Er bezog sich in dieser Entscheidung aber ausdrücklich auf die eben zitierte Vorentscheidung Arb 9639 und kam unter Hinweis auf die ihr zugrunde liegenden Überlegungen zum Ergebnis, dass der Sonderurlaub der (damaligen) Klägerin durch den Eintritt des Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs 1 MSchG beendet worden sei (JBl 1988, 662).

In der Entscheidung SSV-NF 7/63 (= 10 ObS 213/92) ließ der Oberste Gerichtshof die Frage, ob das Beschäftigungsverbot nach dem MSchG den Karenzurlaub verdränge, als für die Entscheidung unerheblich offen; er referierte aber ausführlich die wiedergegebene Rechtsprechung und ihr zustimmende Lehrmeinungen (zustimmende Glossen zu Arb 9639 von Klein in DRdA 1979, 30 und von Marhold in ZAS 1998, 229; Mahr, Der arbeitsrechtliche Entgeltanspruch bei neuerlicher Schwangerschaft im verlängerten Karenzurlaub, ZAS 1990, 83 ff; Knöfler/Martinek, MSchG9 84, 88 f, 246 [vgl. nunmehr Knöfler, MSchG13 105]) und resümierte, dass die Meinung vorherrschen "dürfte", dass ein laufender Karenzurlaub bei Eintritt einer neuerlichen Schwangerschaft mit Beginn der neuen Schutzfrist nach § 3 MSchG ende. Im Gegensatz dazu habe sich die zweite Instanz (in der von der Revisionswerberin zitierten Entscheidung ARD 4366/18/92) ohne Auseinandersetzung mit der zitierten Lehre und Rechtsprechung dem gegenteiligen Standpunkt angeschlossen. Auch in dieser Entscheidung hat daher der Oberste Gerichtshof die wiedergegebene Rechtsprechung nicht in Frage gestellt.

Die Revisionswerberin zeigt keinerlei Umstände auf, die ein Abgehen von dieser - wie gezeigt - in der Lehre auf Zustimmung gestoßenen Rechtsprechung rechtfertigen könnten. Dass - wie sie unter Berufung auf Mahr (aaO) geltend macht - im Falle einer (einer neuerlichen Schwangerschaft folgenden) Totgeburt der vorherige Karenzurlaub ab Beginn des Beschäftigungsverbotes nur als unterbrochen anzusehen sei und nach Ablauf des Beschäftigungsverbotes fortlaufe, steht der herrschenden Auffassung nicht entgegen; auch Mahr hält damit am Ergebnis fest, dass das Beschäftigungsverbot während seiner Dauer den Karenzurlaub jedenfalls verdrängt. Dass - wie die Revisionswerberin überdies ins Treffen führt - während des Karenzurlaubes eine geringfügige Beschäftigung möglich sei, für die das Beschäftigungsverbot zum Tragen komme, ist ebenfalls nicht geeignet, die wiedergegebene herrschende Meinung in Frage zu stellen. Auch der erkennende Senat geht daher davon aus, dass mit dem Beginn des Beschäftigungsverbotes der Karenzurlaub verdrängt wird.

Damit erweist sich aber die Meinung der Vorinstanzen, die Zeiten der Beschäftigungsverbote nach dem MSchG seien für die Beurteilung der zeitlichen Voraussetzungen des Abfertigungsanspruchs zu berücksichtigen, als zutreffend, zumal eine dem § 15 Abs 2 (nunmehr § 15e Abs 2) MSchG (Nichtberücksichtigung des Karenzurlaubs bei dienstzeitabhängigen Ansprüchen) entsprechende Bestimmung für die Zeiten der Beschäftigungsverbote nach dem MSchG nicht existiert. Für die Annahme einer die analoge Anwendung der Bestimmung des § 15 Abs 2 (nunmehr § 15e Abs 2) MSchG ermöglichende planwidrigen Gesetzeslücke besteht in diesem Zusammenhang keine rechtfertigende Grundlage.

Dass nach der hier vertretenen Rechtsauffassung auch der Anspruch auf Urlaubsabfindung zu bejahen ist, stellt die Revisionswerberin nicht in Frage.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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