OGH 10ObS275/00i

OGH10ObS275/00i3.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Gründler und Dr. Dietmar Strimitzer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Evelin M*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Kurt Dellisch und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Leistungen aus der Unfallversicherung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Mai 2000, GZ 7 Rs 79/00t-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. Januar 2000, GZ 43 Cgs 83/99i-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 18. 2. 1973 geborene Klägerin, die damals als Kellnerin tätig war, lernte 1994 oder 1995 den als Kellner und Türsteher in einem Nachtklub tätigen Johann F***** kennen; einige Monate später ging sie mit ihm eine Lebensgemeinschaft ein. Die beiden bewohnten in V***** eine gemeinsame Wohnung. Die Klägerin begann bald danach als Prostituierte in dem Nachtklub zu arbeiten, bestritt regelmäßig die gemeinsamen Lebenshaltungskosten und lieferte dem Johann F*****, der seither keiner regelmäßigen Arbeit mehr nachging, sämtliche Einnahmen als Prostituierte ab. Da sie über eine Gastgewerbekonzession verfügte, eröffnete sie im Juli 1998 in B***** die "Go-Go Bar K*****". Ihr Lebensgefährte war dort (vom 20. 7. bis zum 31. 12. 1998) als Dienstnehmer gemeldet, übte diese Tätigkeit aber nie wirklich aus: Er war nur fallweise im Lokal anwesend und half nur zeitweilig hinter der Theke aus, nahm jedoch sämtliche Einnahmen des Lokals an sich. Die Klägerin wollte dieses Verhalten nicht länger akzeptieren, beendete Ende Jänner 1999 die Lebensgemeinschaft und bezog eine eigene Wohnung in A*****, wo sie von Johann F*****, dem ihr neuer Wohnsitz gar nicht bekannt gewesen sein dürfte, niemals besucht wurde. Es gab kaum mehr einen persönlichen Kontakt der beiden. Er suchte sie nur zweimal in der Bar auf, ohne sie dort verbal oder tätlich zu bedrohen, konsumierte ein Getränk, ohne zu zahlen, und verlangte Geld, das ihm aber die Klägerin nicht gab. Am 25. 2. 1999 kam er gegen 22.00 Uhr erneut in das Lokal, in dem sich außer der Klägerin die Tänzerin Petra F. und der als Aushilfskraft tätige Robert W. aufhielten. Johann F***** richtete seine Pistole zuerst auf die Tänzerin und, nachdem er seinen Irrtum bemerkt hatte, auf die Klägerin und schoss auf sie mit den Worten: "Und jetzt erschieß ich dich!". Danach richtete er mit den Worten: "Damit ihr alle seht's, ich erschieße mich auch!" die Pistole gegen seine Schläfe und drückte ab; er fiel tot zu Boden. Die Klägerin hatte einen Bauchschuss erlitten und wurde in das Krankenhaus eingeliefert.

Mit Bescheid der beklagten Allgemeine Unfallversicherungsanstalt vom 27. 7. 1999 wurde das Ereignis vom 25. 2. 1999 nicht als Arbeitsunfall anerkannt und ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen aus der Unfallversicherung verneint. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Ereignis stehe in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung als Betreiberin der Go-Go Bar.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem Begehren, das Ereignis vom 25. 2. 1999 als Arbeitsunfall "anzuerkennen" und demgemäß die "Leistungen aus der Unfallversicherung gemäß § 173 ASVG" zu erbringen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und hielt an ihrer bereits im Bescheid vertretenen Rechtsansicht fest.

Das Erstgericht wies das - von der Klägerin nicht näher präzisierte - Klagebegehren ab. Auch wenn der Mordanschlag auf die Klägerin in ihren Betriebsräumlichkeiten erfolgt sei, müsse nach den Feststellungen davon ausgegangen werden, dass das Motiv hierfür primär im persönlichen Bereich der Klägerin liege und nicht in ihrer Eigenschaft als Barinhaberin. Das Lokal sei nur Schauplatz der Tat gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es teilte - mit ausführlicher Begründung - die Ansicht des Erstgerichtes, der Mordversuch durch ihren ehemaligen Lebensgefährten und Zuhälter stehe in keinem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, sondern sei vielmehr der Privatsphäre zuzurechnen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin mit Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist den Revisionsausführungen, mit denen unrichtige rechtliche Beurteilung nach § 503 Z 4 ZPO geltend gemacht wird, folgendes entgegen zu halten:

Das Berufungsgericht hat unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung (vgl Tomandl, SV-System 8. ErgLfg 304 f mwN) zutreffend ausgeführt, dass die gesetzliche Unfallversicherung dort nicht einzustehen hat, wo die Risikosphäre nur Schauplatz, nicht aber Ursache des Verletzungsereignisses ist. Verletzt jemand einen Versicherten vorsätzlich, während dieser seine Erwerbstätigkeit nachgeht, so genügt dieser Befund allein daher noch nicht zur Zurechnung des Personenschadens an die Unfallversicherung. Der notwendige innere Zusammenhang zwischen dem Schutzbereich (der versicherten Tätigkeit) und der Verletzung wäre zu verneinen, wenn der Angriff seine Ursache im Privatleben des Versicherten hat, er wäre hingegen zu bejahen, wenn der Angriff aus beruflichen Gründen, etwa aus einem betriebsbezogenen Tatmotiv erfolgte (10 ObS 201/99b mwN = RdW 2000, 309 = DRdA 2000, 307/33 mit Anm Rud. Müller). Auch wenn man davon ausgeht, dass es nicht allein auf das Motiv des Täters ankommen kann, so müssen private Motive einer Verletzungshandlung ihre konkrete Ursache in der privaten Lebensführung des Versicherten haben (Müller aaO 309).

Im hier zu beurteilenden Fall bestehen für ein betriebsbedingtes Tatmotiv keine Anhaltspunkte. Der Täter war der ehemalige Lebensgefährte und Zuhälter der damals als Prostituierte tätigen Klägerin. Er war aber im Barbetrieb der Klägerin nie beschäftigt; bei der entsprechenden Anmeldung als Dienstnehmer handelte es sich um eine Scheinmeldung, die im Übrigen im Zeitpunkt des Vorfalls auch nicht mehr aufrecht bestand. Es deutet alles darauf hin, dass der vorsätzliche Angriff auf die Klägerin (möglicherweise Tötungsversuch) seine Ursache im Privatleben der Klägerin hatte, also die Kausalkette ihren Ausgang im Privatleben der Versicherten nahm, nicht aber in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als Betreiberin einer Bar stand. Solche betrieblichen Gründe vermochte die Klägerin auch nicht schlüssig darzulegen. Sie kann in diesem Zusammenhang auch nicht einen Beweisnotstand ins Treffen führen, weil sie entsprechende, unbewiesen gebliebene Behauptungen, die einen betrieblichen Zusammenhang plausibel machen würden, gar nicht aufgestellt hat. Die in der Revision genannten Beispiele (Autounfall auf einer Dienstreise, Sturz eines Arbeiters von der Leiter, Unfall einer Pfarrersköchin mit jeweils dienstlichen und privaten Komponenten) können schon deshalb nicht die gegenteilige Rechtsansicht stützen, weil es sich in den genannten Beispielen nicht um vorsätzliche Verletzungen handelt und es bei fahrlässiger Verletzung grundsätzlich auf die Intentionen des Verletzers nicht ankommt (Tomandl aaO 305).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

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