OGH 7Ob44/00x

OGH7Ob44/00x27.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Walter W*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter über das Vermögen des Rudolf O*****, wider die beklagte Partei Christine J*****, vertreten durch Dr. Berndt Schön, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Zustimmung zur Ausfolgung (Streitwert S 443.249,--), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. Dezember 1999, GZ 1 R 244/99s-12, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20. August 1999, GZ 14 Cg 99/99z-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.845,-- (darin enthalten S 3.307,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rudolf O***** schloss bei einer österreichischen Versicherung eine Kapitalversicherung auf Ab- und Erleben mit Versicherungsbeginn 1. 9. 1992 und Versicherungsende 1. 9. 2012 ab. Für den Erlebensfall sollte er der Bezugsberechtigte, im Ablebensfall sollte die Beklagte als Begünstigte sein. Die Begünstigungsklausel war jederzeit widerruflich.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 22. 6. 1998 wurde über das Vermögen von Rudolf O***** das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger als Masseverwalter bestellt. Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 14. 10. 1998 unter anderem auch diese Lebensversicherung mit dem Ersuchen auf, den derzeit bestehenden Rückkaufswert an ihn zur Auszahlung zu bringen. Allerdings erfolgte diese Kündigung unter der Bedingung, dass wenn es für die Konkursmasse günstiger wäre, noch etwas zuzuwarten, etwa bis zum Ablauf des vollen Versicherungsjahres, solle die Kündigung zu diesem späteren Termin erfolgen. Daraufhin teilte die Versicherung dem Kläger mit, dass die Kündigung der Lebensversicherung zum 1. 1. 1999 vorgemerkt werde, da dies ein günstiger Zeitpunkt wäre.

Am 12. 12. 1998 verstarb dann Rudolf O*****. Im Hinblick darauf wurde von der Versicherung nicht der Rückkaufswert (per 1. 9. 1998 S 93.795,-- und zum 1. 1. 1999 S 115.730,--), sondern die Versicherungssumme in Höhe von S 443.249,-- beim Bezirksgericht Innsbruck zu 33 Nc ***** hinterlegt, da sowohl der klagende Masseverwalter als auch die Beklagte die Auszahlung begehrten.

Der klagende Masseverwalter stützt sein Klagebegehren auf Zustimmung der Beklagten zur Ausfolgung des hinterlegten Betrages zusammengefasst darauf, dass die Versicherungssumme aus der obgenannten Lebensversicherung in die Konkursmasse falle. Die Beklagte hätte nur gemäß § 177 VersVG die Möglichkeit gehabt, innerhalb eines Monats ab Konkurseröffnung anstelle des Gemeinschuldners in den Versicherungsvertrag einzutreten; dies aber gegen gleichzeitige Bezahlung des damaligen Rückkaufswertes in die Konkursmasse. Von dieser Möglichkeit habe sie nicht Gebrauch gemacht, weshalb die Lebensversicherung in die Konkursmasse falle. Auch das Original der Versicherungspolizze habe sich nach der Konkurseröffnung in Händen des Masseverwalters befunden.

Die Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte im Wesentlichen ein, dass es sich um keine widerrufliche Begünstigungsklausel gehandelt habe und vom Masseverwalter ein Widerruf auch nicht ausgesprochen worden sei. Die Versicherungssumme sei zufolge der Begünstigung weder in den Nachlass noch in die Konkursmasse einzubeziehen. § 177 VersVG sei schon deshalb nicht anzuwenden, da der Versicherungsfall eingetreten sei. Auch sei die Anwendung dieser Bestimmung von der Zustimmung des Versicherungsnehmers abhängig. Der Erwerb der Versicherungssumme durch den Begünstigten erfolge originär, sodass dieser Anspruch nie zum Vermögen des Versicherungsnehmers gehört habe. Die Lebensversicherungen dienten der Versorgung der Witwen- und Waisen, hier der Lebengefährtin des Verstorbenen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgerte rechtlich, dass der Masseverwalter entweder anstelle des Gemeinschuldners den Versicherungsvertrag zu erfüllen oder vom Vertrag zurücktreten könne. Ihm stehe es auch zu, eine Bezugsberechtigung zu widerrufen. Durch die Erklärung des Masseverwalters sei auch die Bezugsberechtigung der begünstigten Beklagten widerrufen worden, sodass diese mit Ableben des Versicherungsnehmers auch keinen Anspruch mehr auf die Versicherungssumme gehabt habe.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten Folge und änderte das Urteil im klageabweisenden Sinne ab. Der Gemeinschuldner habe eine gemischte Lebensversicherung abgeschlossen, und zwar für den Erlebensfall zu eigenen Gunsten, für den Todesfall widerruflich zu Gunsten der Beklagten. Diese habe bis zum Versicherungsfall nur eine ungesicherte Anwartschaft gehabt. Erst mit dessen Eintritt spalte sich der Anspruch auf die Versicherungsleistung aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers ab und wachse der Bezugsberechtigten zu. Ein Widerruf der Bezugsberechtigung wäre allerdings auch formlos möglich gewesen. Wenngleich nun regelmäßig angenommen werde, dass mit einer Kündigung der Lebensversicherung durch den Versicherungsnehmer oder Masseverwalter zugleich der Widerruf der Bezugsberechtigung erklärt werde, sei dies auf den vorliegenden Fall einer gemischten Lebensversicherung nicht zu übertragen. Grundsätzlich hätte der Masseverwalter zwar auch Anspruch auf den Rückkaufswert gehabt, er habe aber mit der Versicherung eine einvernehmliche Beendigung des Versicherungsvertrages erst zum 1. 1. 1999 vereinbart, sodass das Ableben des Gemeinschuldners kurz vor Beendigung des Versicherungsverhältnisses als gedeckter Versicherungsfall zu werten wäre. Die Beklagte habe aus dem Versicherungsvertrag mangels erklärtem Widerrufs der Begünstigung einen direkten Anspruch erworben. Die Kündigung durch den Masseverwalter stelle nur die Ausübung des Gestaltungsrechtes nach § 165 VersVG dar. Die in der Literatur geäußerte Ansicht, dass damit regelmäßig auch der Widerruf der Bezugsberechtigung erklärt werde, beziehe sich nur auf das Vorliegen einer widerruflichen Begünstigung im Erlebensfall, nicht aber auch auf die gemischte Versicherung, da es um die Wirkung des Widerrufs mit dem Kündigungstermin gehe. Für den Widerruf der Begünstigung im Ablebensfall bedürfe es besonderer Anhaltspunkte. Die Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die ordentliche Revision des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig aber nicht berechtigt.

Nach § 166 VersVG steht dem Versicherungsnehmer unter anderem im Zweifel die Befugnis zu, ohne Zustimmung des Versicherers an Stelle eines bezugsberechtigten Dritten einen anderen zu setzen, und zwar auch dann, wenn die Bezeichnung des Dritten bereits im Vertrag erfolgt ist. Nach dieser Auslegungsregel (vgl etwa Kollhosser in Prölss-Martin VersVG26 § 166 Rz 2; Römer-Langheid, VersVG § 166 Rz 1, Schwintowski im Berliner Komm z VersVG § 166 Rz 1; Heiss-Lorenz, VersVG2 § 166 Rz 1) ist hier davon auszugehen, dass nur eine widerrufliche Bezugsberechtigung zu Gunsten der Beklagten vorlag.

Nach § 21 KO hat der Masseverwalter bei zweiseitigen Verträgen des Gemeinschuldners, die zur Zeit der Konkurseröffnung noch nicht vollständig erfüllt waren, das Recht, entweder anstelle des Gemeinschuldners in den Vertrag einzutreten oder von diesem zurückzutreten. Dies gilt auch für Dauerschuldverhältnisse, die so wie Verträge auf teilbare Leistungen behandelt werden (vgl MGA KO9 § 21 E 1 a = HS 662, II/14). Da Sonderregelungen für das Versicherungsverhältnis nicht bestehen, kommt § 21 KO grundsätzlich auch auf dieses zur Anwendung (vgl etwa Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 282; Buchegger, Das österreichische Insolvenzrecht4, § 21 Rz 51; Holzapfel, Die Versicherung im Konkurs des Versicherungsnehmers, VR 1987, 109).

Bei Kapitallebensversicherungen ist nach § 165 Abs 1 VersVG die Möglichkeit einer Kündigung zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode vorgesehen, wodurch die Versicherung nach § 176 Abs 1 VersVG zur Erstattung des Rückkaufswertes verpflichtet wird. § 177 VersVG bestimmt, dass ua dann, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers der Konkurs eröffnet wird, ein namentlich bezeichneter Bezugsberechtigter mit Zustimmung des Versicherungsnehmers an dessen Stelle in den Versicherungsvertrag eintreten kann, wobei der Bezugsberechtigte jedoch die Forderung der Konkursmasse bis zur Höhe des Betrages zu befriedigen hat, dessen Zahlung der Versicherungsnehmer im Fall der Kündigung des Versicherungsvertrages vom Versicherer verlangen kann, also den Rückkaufswert. Dieser Eintritt ist innerhalb eines Monats nach Konkurseröffnung vorzunehmen, wobei die Zustimmung durch den Versicherungsnehmer selbst und nicht vom Masseverwalter auszuüben ist (vgl Kollhosser in Prölss-Martin aaO § 177 Rz 2).

Hier hat nun der Masseverwalter an die Versicherung zwar die Erklärung gerichtet, dass er die Versicherungsverträge "aufkündige" und ersucht, die bestehenden Rückkaufswerte an die Masse zur Auszahlung zu bringen, dies allerdings nur unter der Bedingung, wenn es für die Konkursmasse günstiger sei, mit dem "Rückkauf" noch etwas zuzuwarten, etwa bis zum Ablauf eines weiteren vollen Versicherungsjahres erst dann kündigen zu wollen. Daraufhin wurde ihm dann vom Versicherer mitgeteilt, dass die Kündigung zum 1. 1. 1999 vorgemerkt und die noch offene Prämie bis dahin zu bezahlen sei. Zu diesem Beendigungszeitpunkt erfolge eine neue Gewinnbeteiligung. Damit war der Masseverwalter einverstanden. Diese Vorgangsweise kann nun nicht als Rücktritt vom Vertrag im Sinne des § 21 KO gesehen werden, sondern vielmehr als Eintritt in diesen unter gleichzeitiger einvernehmlicher Auflösung des Versicherungsvertrages seitens des Masseverwalters zu einem einvernehmlich festgelegten späteren Termin.

Die Frage, ob neben der Kündigung ein Widerruf der Bezugsberechtigung notwendig ist, wird von der Lehre unterschiedlich beantwortet.

In Österreich hat Ehrenzweig

(Deutsch-österreichisches-Versicherungsvertragsrecht [1952], 435) die Ansicht vertreten, dass auch dann, wenn der Versicherte vor einem Widerruf stirbt, der Begünstigte zwar den Anspruch originär erwerbe, dies aber nur aus dem Anspruch des Versicherungsnehmers abgeleitet wurde, sodass die Versicherungssumme in die Konkursmasse falle. Dem hat sich Holzapfel (aaO 108 f; insb 112) im Wesentlichen angeschlossen. Schwintowski (in Berliner Komm, § 166 Rz 39) vertritt unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 4. 3. 1993, NJW 1993, 1995 (= VersR 1993, 689 = ZIP 1993, 600) die Ansicht, dass bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung eines Dritten mit der Eröffnung des Konkursverfahrens der Anspruch auf den Rückkaufswert auch ohne einen Widerruf des Masseverwalters in die Konkursmasse falle. Diese Ansicht geht allerdings davon aus, dass eben kein Eintritt des Masseverwalters in den Lebensversicherungsvertrag erfolgt und betrifft auch nur den Rückkaufswert, nicht aber den Versicherungsanspruch selbst.

Ausdrücklich von einem Widerrufserfordernis gehen Winter in Bruck-Moeller VVG8 V/2 Anm H 240 mwN und für den Fall des Eintritts des Konkursverwalters in das Versicherungsverhältnis dem folgend auch Schwintowski aaO § 166 Rz 39) aus. Der erkennende Senat schließt sich dieser Ansicht an. Bei widerrufbaren Bezugsberechtigungen lässt eine nicht auf Widerruf gerichtete Willenserklärung des Masseverwalters des Inhalts, das Versicherungsverhältnis über den nächstmöglichen Kündigungstermin hinaus fortsetzen zu wollen, bei Eintritt des Versicherungsfalles des Ablebens während der aufrechten Dauer der Lebensversicherung die Begünstigung nicht untergehen, so dass die Versicherungssumme dem Bezugsberechtigten zuwächst, da dies einen originären Erwerb darstellt (vgl etwa Kollhosser in Prölss-Martin aaO § 166 Rz 4 mwN).

Damit stellt sich die Frage, ob in der konkreten Erklärung des Masseverwalters gegenüber der Versicherung auch ein solcher Widerruf gesehen werden kann.

Kollhosser in Prölss-Martin aaO § 165 Rz 3 f vertritt hiezu nun die unter Bezugnahme auf die oben dargestellte Entscheidung des BGH NJW 1993, 1994 = ZIP 1993, 600 = VR 1993, 689 die Ansicht, dass bei einer Ausübung des Kündigungsrechts nach § 165 Abs 1 VersVG durch den Masseverwalter bei einem widerruflichen Bezugsrecht der Rückkaufswert in die Konkursmasse falle. Die Entscheidung des BGH gründet sich allerdings darauf, dass der Masseverwalter eben nicht in das Vertragsverhältnis eingetreten ist und damit auch nicht nach (- dazu nimmt der BGH nur in einem obiter dictum Stellung -) § 165 VersVG zur Kündigung berechtigt war. Auch bezieht sich dies nur auf den Rückkaufswert, nicht aber den Eintritt des Versicherungsfalls und die dann zustehende Versicherungssumme. Winter in Bruck-Möller aaO, Anm H 240 und ihm folgend der BGH in seinem obiter dictum in der Entscheidung vom 4. 3. 1993 aaO (ebenso Schwintowski aaO, Rz 39) sehen in der Kündigung nach § 165 VersVG auch nur "in der Regel" einen Widerruf der Bezugsberechtigung. Dem ist nun insofern beizutreten, als mit der Kündigung durch den Versicherten bzw den Masseverwalter nach § 165 VersVG eindeutig zum Ausdruck kommt, dass diese den Anspruch auf den Rückkaufswert erheben und insofern eine widerrufbare Bezugsberechtigung einer Begünstigten (vgl zum unwiderruflichen Bezugsberechtigten Schwintowski aaO zu § 166 Rz 43

ff) widerrufen wird. Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob nicht für die Zeit des Laufes der Kündigungsfrist noch eine Absicherung des Bezugsberechtigten erfolgen soll, dessen Interessen ja auch durch die Sonderregelung des § 177 VersVG auf gesetzlicher Ebene besondere Berücksichtigung gefunden haben (vgl im Zusammenhang auch § 5 KO). Im Hinblick auf diese unterschiedlichen Zielrichtungen kann aber nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass jede auf Sicherung des Rückkaufswertes der Versicherung bei deren Auslaufen gerichtete Willenserklärung auch schon darauf abzielt, für die Zeit bis dahin dem Bezugsberechtigten die Absicherung durch die Lebensversicherung zu entziehen.

Die Ausführungen von Heilmann (Die Begünstigung in der Kapitalablebenversicherung, VersR 1972, 1000), dass etwa bei einer Verpfändung regelmäßig auch ein Widerruf der Begünstigung zu sehen sei, können hier nicht übertragen werden, da hier doch zwischen den gesonderten Zwecken unterschieden werden muss, sodass nicht deshalb, weil der Rückkaufswert im Falle des Auslaufens der Versicherung nicht mehr dem Begünstigten zukommen soll, dies eindeutig auch auf den Fall des Ablebens während des Laufes der Versicherung übertragen werden kann.

Insgesamt ist daher das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass hier die Klage des Masseverwalters auf Zustimmung zur Ausfolgung der Versicherungssumme an ihn - und nicht die beklagte Bezugsberechtigte - abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

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