OGH 12Os95/00

OGH12Os95/0021.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Krüger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Tanja Gr***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Tanja Gr***** und Elfriede Gl***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 5. April 2000, GZ 7 Vr 1745/99-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung der Angeklagten Elfriede Gl***** wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Tanja Gr***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (1) und Elfriede Gl***** als Beitragstäterin hiezu nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben "im Jänner 1998 in Graz

1. Tanja Gr***** als Vertragsbedienstete des Oberlandesgerichtes Graz ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass sie mit dem Vorsatz, Martina K***** in ihrem Recht auf Geheimhaltung der sie betreffenden personenbezogenen Daten aus dem Exekutionsregister, insbesondere im Hinblick auf die Achtung ihres Privat- und Familienlebens (§ 1 Abs 1 - richtig: DSG) sowie an der Ehre zu schädigen, an ihrem Arbeitsplatz bei der Einbringungsstelle des Oberlandesgerichtes Graz Auszüge aus dem ADV-E-Register über die gegen Martina K***** anhängigen Exekutionen ausdruckte und die Auszüge an Elfriede Gl*****, der ein berechtigtes Interesse an der Information nicht zukam, ausfolgte;

2. Elfriede Gl***** die Tanja Gr***** zur Ausführung der unter Punkt 1. angeführten strafbaren Handlung dadurch bestimmt, dass sie diese aufforderte, Auszüge aus dem ADV-E-Register zu beschaffen und auszuhändigen."

Den dagegen von der Angeklagten Tanja Gr***** aus Z 5 und 5a, von der Angeklagten Elfriede Gl***** aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Tanja Gr*****:

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht stützte die die Schuldsprüche tragenden Feststellungen unter anderem auf die als verlässlich erachteten Angaben des Zeugen Peter R*****, wonach - zusammengefasst wiedergegeben - jeweils in seiner Gegenwart, im Jänner 1998 seine damalige Lebensgefährtin Elfriede Gl***** die mit ihr befreundete, zur Tatzeit als Vertragsbedienstete in der Einbringungsstelle des Oberlandesgerichtes Graz Dienst versehende Angeklagte Gr***** aufforderte, Informationen über Martina K***** zu beschaffen und die Angeklagte Gr***** etwa 14 Tage später Auszüge aus dem ADV-E-Register über gegen K***** anhängige Exekutionsverfahren an die Angeklagte Gl***** ausfolgte. Als Indiz für die Richtigkeit der Aussagen des Zeugen Peter R***** wertete es den Umstand, dass dieser Zeuge in der Lage war, Exekutionsverfahren gegen Martina K***** betreibende Gläubiger zu nennen, insbesondere ein Blumengeschäft und ein Schlankheitsinstitut, von denen er nur aus den genannten Auszügen (die gemeinsam durchgeblättert wurden - 47/I) Kenntnis haben konnte (US 7, 10).

Schon der einleitende Einwand zu der schwerpunktmäßig auf Darstellung der umfassenden Unglaubwürdigkeit der Angaben des Zeugen Peter R***** abzielenden, undifferenziert mit der Tatsachenrüge (Z 5a) verbundenen Mängelrüge (Z 5), es hätte der Erörterung der - vermeintlich unrichtigen - Angaben dieses Zeugen bedurft, wonach die Beschwerdeführerin von der Angeklagte Gl***** aufgefordert worden sei, "etwas über Martina K***** herauszufinden, wobei sie etwas in Bezug auf Vorstrafen gemeint habe bzw dass ich der Zweitangeklagten Informationen über Männer einholen würde, in dem ich über das Gericht nachsehen würde, ob derjenige bestraft sei", hält in mehrfacher Hinsicht einer sachlichen Überprüfung nicht stand.

Die Martina K***** betreffende Aussagepassage lautet: "Sie" - gemeint die Angeklagte Gl***** - "meinte damit zweifelsohne irgend etwas in Bezug auf Vorstrafen und dergleichen" (45/I). Das Beschwerdezitat ist somit durch die Aktenlage nicht gedeckt. Abgesehen davon können nur Angaben über sinnliche Wahrnehmungen, die in der Vergangenheit liegen, nicht aber - wie hier - subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge, Gegenstand einer Zeugenaussage sein (Mayrhofer StPO4 § 150 ENr 1, Steininger Komm3 § 288 RN 4), weshalb Urteilserörterungen dazu vorweg zu entfallen hatten.

Gleiches gilt für den zweiten Teil der zitierten Zeugenaussage, die nach Ansicht der Beschwerdeführerin deshalb nicht der Wahrheit entsprechen könne, weil es ihr mangels Benützungsberechtigung nicht möglich gewesen sei, Auskünfte aus dem Strafregister einzuholen.

Da der Zeuge Peter R***** angab, dass die Erstangeklagte "in den Gerichtscomputer hineinsah", und Elfriede Gl***** "darüber Auskunft gab, ob derjenige bestraft ist und Exekutionen hat", sowie dass - seiner Ansicht nach infolge entsprechender Information seitens der Beschwerdeführerin - die Angeklagte Gl***** Kenntnis von seinen Vorstrafen hatte (445 f/I), ist die relevierte Einholung von Strafregisterauskünften (§ 9 StRegG - dazu Zeuge Peter R*****: "im Haus der Elfriede Gl***** habe ich nie eine Strafregisterauskunft gesehen" - 67/II) fallbezogen auch in sonstigen Verfahrensergebnissen gar nicht fundiert.

Abgesehen davon ist der Beschwerdeeinwand vorweg unschlüssig, weil aus der fehlenden Befugnis der Angeklagten Gr*****, in andere als in die Geschäftsbehelfe des Exekutionsverfahrens Einsicht zu nehmen, nicht die Unmöglichkeit der ihr im relevierten Bereich tatsächlich eröffneten technischen Möglichkeit abzuleiten ist, österreichweit alle Verzeichnisse und Register sowie Verfahrensdaten der Strafgerichte (mit Ausnahme jener des Obersten Gerichtshofes) abzurufen (3/II - Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz vom 7. September 1999).

Der Zeuge Peter R***** führte ferner im Vorverfahren aus, er könne sich an einige von ihm namentlich bezeichnete betreibende Gläubiger der Martina K*****, die in den von der Angeklagten Gr***** zur Verfügung gestellten ADV-Ausdrucken aufgeschienen seien, erinnern, im Zusammenhang mit abfälligen Bemerkungen der Angeklagten Gl***** zur Person der Zeugin K***** besonders gut an das Blumengeschäft H***** und an ein Schlankheitsinstitut (12 E 1563/98y und 12 E 270/98a, jeweils des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz mit den Einbringungsdaten 31. Juli 1996 und 18. Juni 1996 - nicht journalisierter historischer ADV-Ausdruck, abermals Urteilsseite 7, 10). Er führte ferner aus: "Es waren jedenfalls ca 40 bis 50 Gläubiger angeführt. Genau kann ich dies jedoch nicht sagen (47/I, ON 6)."

Nach Vorhalt, dass einige der von ihm dem in Rede stehenden ADV-Ausdruck zugeordneten betreibenden Gläubiger Exekutionsanträge erst in der Zeit nach dem Jänner 1998 gestellt hatten, schloss der Zeuge in der Hauptverhandlung am 5. April 2000 einen Irrtum nicht aus und deponierte im gegebenen Kontext, nicht darauf geachtet zu haben, ob das "Verzeichnis Verpflichtete" auf den Namen Martina K*****, ihren früheren Familiennamen Kö***** oder auf den Namen ihres früheren Ehemannes oder die Namen der seinerzeit mit ihm betriebenen Firmen, gegen die ebenfalls Exekutionen anhängig waren, lautete.

Im Hinblick auf die vom Zeugen Peter R***** somit sowohl hinsichtlich der - von der Beschwerde bloß unsubstantiiert bestrittenen - Anzahl als auch der Namen der betreibenden Gläubiger eingeräumten Unsicherheiten, erübrigten sich die von der Beschwerde dazu monierten Erörterungen.

Zu welchem Zeitpunkt Martina K***** vom Zeugen Peter R***** vor der Angeklagten Gl***** gewarnt wurde, ist ersichtlich ebenso ohne Relevanz wie das von der Beschwerdeführerin problematisierte Anzeigemotiv der Zeugin K*****.

Die von der Beschwerde schließlich - unter Hinweis darauf, dass die Zeugin Karla R*****, deren Angaben das Erstgericht dem Schuldspruch mitzugrundelegte, die geschiedene Ehefrau des Zeugen Peter R***** ist und dieser im Tatzeitraum Lebensgefährte der Angeklagten Gl***** war - angestrebte "entsprechende Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Aussagen der genannten Zeugen", stellt sich der Sache nach als (hier) unzulässige und daher unbeachtliche Kritik an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung dar, ohne Bedenken gegen entscheidungsrelevante Tatsachenfeststellungen zu erwecken.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Gl*****:

Soweit auch diese - ebenso wie jene der Angeklagten Gr*****, nach Nichtigkeitsgründen undifferenziert, mit dem Ziel umfassender Erschütterung der Verlässlichkeit der Aussagen des Zeugen Peter R***** ausgeführte - Beschwerde darauf abstellt, dass einige der von diesem Zeugen dem in Rede stehenden ADV-Ausdruck zugeordnete betreibende Gläubiger Exekutionsanträge erst nach Jänner 1998 stellten, und überdies die Verlässlichkeit der Angaben der Zeugen Karla R***** und Peter R***** inhaltlich mit dem Rechtsmittel der Angeklagten Gr***** übereinstimmend problematisiert, ist auf das dazu bereits Gesagte zu verweisen.

Der darüber hinaus erhobene Einwand, das Erstgericht hätte sich in der Urteilsbegründung damit auseinanderzusetzen gehabt, dass der Zeuge Peter R***** angab, der von der Erstangeklagten übergebene Auszug sei auf braunem Papier gedruckt gewesen, während der Zeuge H***** angegeben habe, "dass das Gericht ausschließlich weißes bzw helles Papier verwendet", basiert in Ermangelung einer derartigen Erklärung dieses Zeugen auf aktenfremden Prämissen. Nur der Vollständigkeit halber ist dazu festzuhalten, dass sich der thematisierte Teil der Angaben des Zeugen Peter R***** mit der bezüglichen Verantwortung der Angeklagten Gr***** deckt (60/II).

Das weitere Beschwerdevorbringen erschöpft sich durch Betonung der - von den Tatrichtern abgelehnten - eigenen Verantwortung der Beschwerdeführerin, wonach der Zeuge Peter R***** gedroht habe, sie zu vernichten (und sie demzufolge verleumdet habe), weiters durch Bezugnahme auf den Zweifelsgrundsatz und den Hinweis auf "nicht zwingende" Schlussfolgerungen des Schöffensenates sowie auf eine nicht näher substantiierte "allenfalls fahrlässig gesetzte Handlung oder eine Unterlassung ..." sachlich in einer in kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Kritik an der erstgerichtlichen Lösung der Beweisfrage und ist damit einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - wie auch die in den Prozessgesetzen nicht vorgesehene Berufung der Angeklagten Gl***** wegen des Ausspruchs über die Schuld - bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285a, 285d StPO).

Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten (wegen des Ausspruchs über die Strafe - § 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Stichworte