OGH 10ObS252/00g

OGH10ObS252/00g19.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Schenk und MR Mag. Heinrich Lahounik (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karl-Heinz G*****, Trafikant, *****, vertreten durch Dr. Josef Klaunzer und Dr. Alfons Klaunzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Juni 2000, GZ 25 Rs 69/00h-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. März 2000, GZ 42 Cgs 255/97k-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, wonach der am 22. 1. 1949 geborene Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitspension gemäß § 133 Abs 1 und 2 GSVG nicht erfüllt, ist zutreffend. Den Revisionsausführungen des Klägers ist folgendes entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Bis zum 31. 1. 1999 ist die Frage der Erwerbsunfähigkeit des Klägers nach § 133 Abs 1 GSVG zu beurteilen. Erwerbsunfähigkeit im Sinne dieser Bestimmung liegt nur dann vor, wenn der Versicherte gänzlich unfähig ist, einem regelmäßigem Erwerb nachzugehen (SSV-NF 8/83 mwN ua).

Ab dem auf die Vollendung des 50. Lebensjahres folgenden Monatsersten ist die Erwerbsunfähigkeit nach § 133 Abs 2 GSVG zu beurteilen. Nach dieser Gesetzesbestimmung (idF der 19. Novelle BGBl 1993/336) gilt ein Versicherter, der das 50. Lebensjahr vollendet hat und dessen persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war, als erwerbsunfähig, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die der Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat. Der Gesetzgeber verfolgte - wie den Materialien in RV 933 BlgNR

18. GP, 25 zu entnehmen ist - mit der Novellierung dieser Bestimmung die Absicht, dass ab dem 50. Lebensjahr für Kleingewerbetreibende zur Beurteilung der dauernden Erwerbsunfähigkeit nur mehr eine qualifizierte Verweisung zulässig sein soll, so wie das auch bei erlernten oder angelernten Berufen unselbständig Erwerbstätiger schon vor dem 50. Lebensjahr der Fall ist. Ein Tätigkeitsschutz soll hingegen nach dieser Gesetzesbestimmung weiterhin nicht bestehen. Dem Versicherten soll bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 133 Abs 2 GSVG nicht zugemutet werden, völlig neue Kenntnisse zu erwerben oder nunmehr einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen (SSV-NF 11/25 mwN ua).

Der Oberste Gerichtshof hatte sich in den letzten Jahren bereits mehrfach mit der Frage der Erwerbsunfähigkeit von Angehörigen der Berufsgruppe selbständiger Tabaktrafikanten zu befassen (SSV-NF 2/70; 9/43; 10/5; 10/56; 11/114; 12/54; 10 ObS 2300/96z; 10 ObS 316/98p ua). Nach dieser Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Organisationsmöglichkeiten eines Trafikanten insbesondere dann, wenn weiteres Personal vorhanden ist, eher ein strenger Maßstab anzulegen. So wurde beispielsweise in der Entscheidung 10 ObS 2300/96z ausgesprochen, dass dem damaligen Kläger eine Delegierung der ihm selbst nicht mehr zumutbaren Überkopfarbeiten, der zeitweisen Verrichtung von Tätigkeiten in und aus gebückter Körperhaltung (etwa im Zusammenhang mit den am Morgen zugestellten Zeitungspaketen) sowie deren Hochheben und Lagerung der in der Trafik überwiegend benötigten Gegenstände und Materialien in bequem erreichbarer Hüft- bis Bauchhöhe an seine zwei vollbeschäftigten weiblichen Angestellten zweifellos möglich sei. Solche geringfügigen Umorganisierungen der Arbeitsweisen aller drei in der Trafik beschäftigten Personen würden keinerlei erheblichen Mehraufwand an Zeit oder Kosten erfordern und müssten daher als zumutbar bezeichnet werden.

Diese Erwägungen treffen auch auf den vorliegenden Fall zu. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers hat er die Tabaktrafik gemeinsam mit seiner Ehegattin und zwei Teilzeitbeschäftigten geführt. Die vom Kläger für das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit ins Treffen geführte Einschränkung seines medizinischen Leistungskalküls besagt, dass der Kläger zur Betätigung der Venenpumpe die Möglichkeit haben muss, immer wieder - zumindest aber im zeitlichen Abstand von 5 Minuten - einige (vier bis sechs) Schritte zu gehen. Dadurch sei es dem Kläger nicht mehr möglich, längerdauernde Beratungsgespräche mit Kunden zu führen.

Diese Ausführungen hat bereits das Berufungsgericht mit Recht entgegengehalten, es müsse dem Kläger zugemutet werden, allfällige längerdauernde Beratungsgespräche, die mit dem gesundheitlichen Leistungskalkül nicht vereinbar wären, an seine Mitarbeiter zu delegieren. Da für den Kläger in der Regel bereits bei Beginn des Gespräches mit einem Kunden absehbar sein wird, ob es sich dabei voraussichtlich um ein solches längerdauerndes Beratungsgespräch handeln wird, kommt es insoweit auch nicht zu dem von ihm befürchteten "Abwimmeln von Kunden" sondern handelt es sich dabei lediglich um eine dem Kläger zumutbare Aufgabenverteilung zwischen den in der Trafik beschäftigten Personen. Weiters entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass beim Betrieb einer durchschnittlichen Trafik solche längerdauernden Beratungsgespräche nicht den Regelfall sondern den eher seltenen Ausnahmefall darstellen. Schließlich ist bei Tabaktrafikanten zu berücksichtigen, dass gerade bestimmte Personengruppen aus dem Behinderten- und Schwerbeschädigtenkreis bei der Vergabe von Tabaktrafiken bevorzugt werden und daher österreichweit vielfach Trafikanten mit verschiedenen Behinderungen anzutreffen sind (vgl SSV-NF 12/54), sodass auch die vom Kläger geäußerten Bedenken, die ihm zugemutete Vorgangsweise wäre bei den Kunden "ruinös", nicht geteilt werden können.

Da somit der Kläger bereits aufgrund dieser Erwägungen die Tätigkeit eines Tabaktrafikanten weiterhin ausüben kann, waren seine Ausführungen in der in der Berufung enthaltenen Mängel- und Tatsachenrüge nach ebenfalls zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht mehr entscheidungsrelevant. Eine Erwerbsunfähigkeit des Klägers im Sinne der Bestimmungen des § 133 Abs 1 und 2 GSVG liegt nicht vor, weshalb die Vorinstanzen das Klagebegehren zu Recht abgewiesen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch aus Billigkeit wurden nicht dargetan und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

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