OGH 11Os89/00

OGH11Os89/0012.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. September 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Krüger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Charles F***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3, Abs 4 Z 3 SMG und 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Charles F***** und Anastassia C***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Februar 2000, GZ 4a Vr 5651/99-117, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, der Angeklagten Charles F*****, Anastassia C*****, der Verteidiger Dr. Bernhauser, Mag. Werner und Mag. Hauser und der Dolmetscherinnen Mag. Bojtcheva und Mag. Gerrard, jedoch in Abwesenheit des Frank O***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Charles F***** wird teilweise, jener der Angeklagten Anastassia C***** zur Gänze Folge gegeben und teils demzufolge, teils aus deren Anlass das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Punkt I

im Umfang des Schuldspruches zum Faktum C 3,

demzufolge in der rechtlichen Unterstellung der zu I begangenen Straftaten

demgemäß auch in dem alle drei Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und

die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Angeklagten Charles F***** und Anastassia C*****, welche auch die auf sie entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen haben, und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Charles F***** des zum Teil im Stadium des Versuchs verbliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 (erg: erster Fall), Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB, teilweise als Beteiligter nach § 12 (erg: zweiter Fall) StGB (Punkt I C des Urteilssatzes) und des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG (II), Anastassia C***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 (erg: erster Fall) und Abs 4 Z 3 SMG (I A und B) sowie Frank O***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 4 Z 3 SMG (I B) schuldig erkannt.

Darnach haben sie den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte

"(zu I) in einer großen Menge aus- und eingeführt, dazu beigetragen, in Verkehr gesetzt bzw in Verkehr zu setzen versucht, indem

A) Anastassia C***** allein Ende Februar 1999 rund 100 Gramm reines

Kokain aus den Niederlanden über Deutschland nach Österreich einführte und in Wien dem Charles F***** übergab;

B) Anastassia C***** und Frank O***** als Mittäter am 16. Mai 1999

161,9 Gramm reines Kokain sowie eine weitere Kokainmenge von ca 300 Gramm brutto aus Deutschland nach Österreich einführten und in Wien 161,9 Gramm reines Kokain dem Charles F***** übergaben und

C) Charles F*****

1) durch Erteilung entsprechender Aufträge Anastassia C***** und Frank O***** zur Begehung der zu I A und B beschriebenen strafbaren Handlungen bestimmte;

2) von (gemeint wohl: ab) Ende Februar 1999 in Wien rund 100 Gramm reines Kokain Unbekannten verkaufte und

3) am 16. Mai 1999 in Wien 161,9 Gramm reines Kokain zum Zweck des Verkaufes bereithielt; sowie

(zu II) Charles F***** in Wien von Ende November 1999 (richtig: 1998-US 7) bis 16. Mai 1999 wiederholt erworben und besessen."

Nach den Urteilsannahmen haben alle drei Angeklagten die zu I bezeichneten Taten mit Beziehung auf ein Suchtgift begangen, dessen Menge zumindest das 25-fache der in § 28 Abs 2 SMG angeführten (großen) Menge ausmacht, und Charles F***** und Anastassia C***** zusätzlich hiebei in der Absicht gehandelt, sich "durch die wiederholten Tathandlungen ein laufendes Einkommen" zu verschaffen.

Nur Charles F***** und Anastassia C***** bekämpfen ihre Schuldsprüche mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, und zwar Charles F***** aus den Z 3, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO, Anastassia C***** aus jenen der Z 5 und 10 leg cit

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Charles F*****:

Rechtliche Beurteilung

Mit Nichtigkeit im Sinn der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO bedrohte Verfahrensfehler sind dem Erstgericht entgegen dem Beschwerdestandpunkt in der Hauptverhandlung vom 9. Februar 2000 nicht unterlaufen.

Die Beeidigung der beiden Schöffen Margarete P***** und Erika R***** unterblieb der Beschwerde zuwider zu Recht, weil sie der Bestimmung des § 240a Abs 1 und Abs 3 StPO gemäß im selben Kalenderjahr bereits beeidigt worden sind (vgl S 340/II). Dass es der Vorsitzende unterlassen hat, den Angeklagten nach der Verlesung des wesentlichen Akteninhaltes (S 347/II) zu befragen, ob er darüber etwas zu bemerken habe (§ 252 Abs 3 StPO), begründet keine Nichtigkeit.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider haben sich die Tatrichter mit der (Punkt I C 1 des Schuldspruches betreffenden) Verantwortung des Beschwerdeführers, im Mai 1999 nur den Auftrag zur Lieferung von 100 Gramm Kokain erteilt zu haben, ohnehin auseinandergesetzt, diese jedoch - gestützt auf die Aussage des Mitangeklagten O***** - als unglaubwürdig verworfen (vgl US 10 bis 12).

Der relevierte Begründungsmangel haftet dem Urteil daher nicht an.

Verfehlt ist die zur Rechtsrüge (Z 9 lit a) vorgetragene Ansicht des Beschwerdeführers, nicht er, sondern "John" aus Amsterdam habe die ihm angelastete Beitragstäterschaft zur strafbaren Handlung der Mitangeklagten C***** (I A) zu verantworten, weil er selbst nach den Feststellungen bei "John" Anfang 1999 in Amsterdam lediglich eine größere Suchtgiftmenge, die durch Boten nach Wien überstellt werden sollte, bestellt und C***** den Auftrag zur Suchtgiftlieferung nach Österreich erst von "John" erhalten hat (US 8).

Mit dieser Argumentation verkennt der Beschwerdeführer, dass die Bestimmung eines anderen zur Tatausführung (§ 12 zweiter Fall StGB) den unmittelbaren Kontakt zwischen Bestimmenden und Bestimmten nicht erfordert, sondern sich der Bestimmungstäter hiezu auch Mittelspersonen bedienen kann (sogenannte Kettenbestimmung), wobei er weder den unmittelbaren Täter noch die einzelnen Kettenmitglieder noch deren Zahl kennen muss (vgl Fabrizy WK2 § 12 Rz 53).

Dagegen kommt dem (verfehlt auf Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten), gegen das Faktum I/C/3 gerichteten Vorbringen des Beschwerdeführers im Ergebnis wegen eines dem Erstgericht unterlaufenen Subsumtionsirrtums (Z 10) Berechtigung zu. Unter diesem Punkt des Schuldspruchs wird dem Angeklagten F***** das Bereithalten von 161,9 Gramm reinen Kokains (somit einer großen Menge Suchtgift) zum Zweck des Verkaufes als das im Versuchsstadium verbliebene Verbrechen nach § 15 StGB § 28 Abs 2 (Abs 3 und Abs 4 Z 3) SMG, angelastet. Dem Ureilssachverhalt zufolge wurde dieses Suchtgift indes beim Beschwerdeführer, unmittelbar nachdem er es erhalten hatte, bereits sichergestellt (US 9). Eine ausführungsnahe Tathandlung in Bezug auf eine Weitergabe iSd § 28 Abs 2 vierter Fall SMG kann darin noch nicht erblickt werden. Die vom Erstgericht als erwiesen angenommene (bloße) "Bereithaltung zum Zweck des Verkaufes" (an noch völlig unbestimmte Abnehmer, US 10 iVm US 4) würde demnach nur den Tatbestand des Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG erfüllen. Weil indes nicht ausgeschlossen werden kann, dass andere Umstände, deren Vorliegen das Schöffengericht jedoch, ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsansicht, nicht überprüfte, eine strafbare Ausführungsnähe zum beabsichtigten Inverkehrsetzen des Suchtgiftes rechtfertigen könnten, war der Schuldspruch im aufgezeigten Umfang aufzuheben und insoweit eine neue Hauptverhandlung anzuordnen.

Der vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang reklamierte Freispruch vom bezüglichen Anklagevorwurf kommt hingegen trotz des Umstandes, dass in Ansehung der gleichen Suchtgiftmenge bereits wegen Bestimmung zur verbotswidrigen Aus- und Einfuhr ein Schuldspruch erging (I C 1), nicht in Betracht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Anastassia C*****:

Zutreffend zeigt die Beschwerdeführerin auf, dass dem Urteil weder Feststellungen über ihre Vorstellungen zur Qualität des von ihr aus- und eingeführten sowie in Österreich in Verkehr gesetzten Suchtgiftes noch Konstatierungen darüber zu entnehmen sind, ob ihr Vorsatz den mit einer kontinuierlichen Tatbegehung verbundenen Additionseffekt umfasst hat. Die Zusammenrechnung von aus einer Serie von Tathandlungen stammenden Einzelmengen setzt jedoch (ua) die - hier fehlende - Feststellung voraus, dass der Vorsatz des Täters von vorneherein auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war (vgl Foregger/Litzka/Matzka SMG § 28 Anm III 2). Demgemäß steht nicht fest, ob die Beschwerdeführerin bei den ihr angelasteten Straftaten mit dem zumindest bedingten Vorsatz gehandelt hat, eine sogenannte "Übermenge" des Suchtgiftes Kokain, sohin 375 Gramm Reinsubstanz (das ist das 25-fache der in Anhang 1 der Suchtgiftgrenzmengenverordnung, BGBl II 1997/377 genannten Grenzmenge von 15 Gramm des Suchtgiftes Kokain), aus- bzw einzuführen sowie in Verkehr zu setzen.

Weil der gleiche Feststellungsmangel zur subjektiven Tatseite auch den Schuldsprüchen der beiden Mitangeklagten F***** und O***** anhaftet, von diesen aber nicht geltend gemacht wurde, war dieser Nichtigkeitsgrund aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten C***** auch zu Gunsten der Angeklagten F***** und O***** von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 StPO) und die Schuldsprüche aller Angeklagten, insoweit ihnen die Tatbegehung in Beziehung auf eine übergroße Suchtgiftmenge angelastet wird, aufzuheben.

Bei der Verfahrenserneuerung wird das Erstgericht zu beachten haben, dass es sich beim Verbrechen nach § 28 Abs 2 SMG um ein kumulatives Mischdelikt handelt, das drei selbständige und untereinander nicht austauschbare, in sich geschlossene Tatbilder, nämlich die Erzeugung, die (insoweit alternative) Aus- und Einfuhr und das Inverkehrsetzen von Suchtgift vereinigt. Demgemäß kann ein Täter jedes von diesen in einer anderen Beteiligungsform, einem anderen Stadium (Versuch, Vollendung) und einem anderen Umfang (Grenzmenge, Übermenge) verwirklichen.

Gleichfalls zutreffend macht die Beschwerdeführerin C***** unter der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO auch noch einen Begründungsmangel (inhaltlich Z 5 leg cit) in Ansehung der die Qualifikation nach § 28 Abs 3 SMG tragenden Feststellung geltend, die ihr angelasteten Suchtgiftverbrechen gewerbsmäßig begangen zu haben. Die erst bei der rechtlichen Erörterung nachgeholte Feststellung, Anastassia C***** habe ihre Straftaten "in der Absicht gesetzt, sich mit den dabei erzielten Gewinnen eine wiederholte Einnahmequelle zu erschließen", hat das Erstgericht ohne weitere Erörterung nur mit dem Hinweis auf "die getroffenen Feststellungen" begründet (US 14 oben). Aus den Feststellungen lässt sich jedoch lediglich entnehmen, dass die bis dahin nicht einschlägig tätig gewesene Beschwerdeführerin den ersten Auftrag (vom Februar 1999, Punkt I A) zur Aufbesserung ihrer tristen finanziellen Situation angenommen hat. Anlässlich der Übergabe dieses Suchtgiftes lernte sie in Wien den Mitangeklagten F***** kennen und ging zu ihm eine nähere Beziehung ein. Mehrere Monate danach (Mai 1999) hat sie dann über dessen Ersuchen diese Straftat wiederholt (US 8, 9).

Die bloße Feststellung, eine (aus Geldnot begangene) Straftat wiederholt zu haben, reicht jedoch für sich allein zur Annahme gewerbsmäßigen Handelns nicht aus.

Aus den angeführten Gründen war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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