OGH 8Ob145/00g

OGH8Ob145/00g12.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer als Vorsitzende sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Rohrer und Dr. Spenling als weitere Richter in der Konkurssache der ehemaligen Gemeinschuldnerin protokollierte Firma Wilhelm P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Broesigke und Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwälte in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der (ehemaligen) Konkursgläubigerin V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 3. Februar 2000, GZ 28 R 269/99f-1449/17, womit infolge Rekurses der ehemaligen Gemeinschuldnerin der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 23. November 1999, GZ 6 S 595/95g-1446/17, behoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

In der Gläubigerversammlung vom 13. 12. 1995 schloss die Gemeinschuldnerin mit ihren Gläubigern einen Zwangsausgleich. Dessen Punkt 3) lautet gemäß der in der Zwangsausgleichstagsatzung vom 13. 12. 1995 (ON 1171/13) erfolgten Verbesserung:

"Die Konkursgläubiger erhalten eine 20 %ige Quote zahlbar binnen 14 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung des Zwangsausgleiches, wobei das Erfordernis hiefür sowie für die Bezahlung sämtlicher Massekosten und Masseforderungen bei sonstiger Versagung der Bestätigung des Zwangsausgleichs bis 15. 3. 1996 bar beim Masseverwalter zu erlegen ist."

Weiters verpflichtete sich die Gemeinschuldnerin "unwiderruflich, alle Nettoerlöse aus bis zum heutigen Tag entstandenen Forderungen der Gemeinschuldnerin im Rahmen einer Treuhandvereinbarung an den Masseverwalter Dr. Viktor I*****, RA in Wien, zu übertragen. Dr. Viktor I***** übernimmt die Verpflichtung, die ihm übertragenen Erlöse an die Gläubiger anteilsmäßig bis zur vollständigen Befriedigung ihrer festgestellten Forderungen auszuzahlen ..." Mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 3. 12. 1996 wurde der Zwangsausgleich bestätigt (ON 1297/15). Der Konkurs wurde mit rechtskräftigem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 7. 8. 1997 (ON 1346/15) aufgehoben und ausgesprochen, dass alle die freie Verfügung der Gemeinschuldnerin beschränkenden Maßnahmen aufgehoben werden und der Masseverwalter seines Amtes enthoben wird.

Von einer Reihe von Gläubigern, unter anderem der V***** AG wurden dem ehemaligen Masseverwalter in der Folge Einwände gegen eine Ausfolgung der Restmasse an die Gemeinschuldnerin zur Kenntnis gebracht.

Ein Versuch des ehemaligen Masseverwalters, sich seiner Verbindlichkeit zur Herausgabe des nach rechtskräftiger Konkursaufhebung in seiner Verfügungsgewalt verbliebenen Massevermögens durch Gerichtserlag zu entledigen, blieb erfolglos, weil in dem diesbezüglichen Erlagsantrag anstatt der schlüssigen Angabe von Erlagsgründen bloß auf eine dem Antrag beigelegte Darstellung der Gemeinschuldnerin verwiesen worden war. Dies wurde vom Obersten Gerichtshof (2 Ob 182/99z-1440/17) zur schlüssigen Dartuung eines Erlagsgrundes nicht für ausreichend befunden.

Ein (weiterer) Gerichtserlag ist nicht aktenkundig.

Mit dem als "Ergänzungsbeschluss zum Beschluss vom 5. 8. 1997, ON 1343" bezeichneten Beschluss bestimmte das Erstgericht der ehemaligen Gemeinschuldnerin "zur Geltendmachung der Feststellung der Bezahlung der Forderung der Gläubigerin V***** AG" eine Frist von zwei Monaten, "widrigenfalls der auf die Forderung dieser Gläubigerin entfallende, beim ehemaligen Masseverwalter ... treuhändig erliegende Zwangsausgleichsquotenbetrag zu Gunsten der Gläubigerin V***** AG ... zu deren freien Verfügung frei wird". Zur Begründung wurde ausgeführt, die Forderung der Gläubigerin V***** AG sei vom Masseverwalter bei der Prüfungstagsatzung, weil tituliert, anerkannt worden. Die Gemeinschuldnerin habe diese Forderung ihrerseits bestritten. Die Gläubigerin sei nicht verpflichtet einen Rechtfertigungsprozess zu führen. Die ehemalige Gemeinschuldnerin habe dem ehemaligen Masseverwalter die Auszahlung des auf die Gläubigerin V***** AG entfallenden, bei ihm treuhändig erliegenden Zwangsausgleichsquotenbetrages verboten. Der Oberste Gerichtshof habe - nach Ansicht des Erstgerichtes - "einen Erlagsfall verneint". Aus diesen Gründen sei der ehemaligen Gemeinschuldnerin eine Frist zu bestimmen gewesen, innerhalb derer sie die negative Feststellungsklage einzubringen habe. Dies sei deshalb notwendig, weil ansonsten der beim ehemaligen Masseverwalter erliegende Betrag "unbefristet bei ihm verbleiben würde". Der ehemaligen Gemeinschuldnerin sei dabei die Klägerrolle zuzuweisen gewesen, weil die Forderung der Gläubigerin tituliert sei.

Dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs der ehemaligen Gemeinschuldnerin gab das Rekursgericht Folge und behob den angefochtenen Beschluss ersatzlos; weiters erklärte es den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

Zur rechtlichen Begründung führte das Rekursgericht aus, die rechtskräftige Aufhebung des Konkurses bedeute die Beendigung des Konkursverfahrens. Damit ende auch das Amt des Masseverwalters und gleichzeitig erlange der Gemeinschuldner wieder seine volle Verfügungsfähigkeit (§§ 59, 157 Abs 3 KO). Gegenüber dem Masseverwalter habe der Gemeinschuldner Anspruch auf Herausgabe der Konkursmasse. Ausnahmen bestünden hinsichtlich Nachtragsverteilungen und soweit nach dem Inhalt des Zwangsausgleiches Vermögen zur Erfüllung des Ausgleichs in den Händen von mit der Überwachung der Ausgleichserfüllung betrauten Sachwaltern zu verbleiben habe (§ 157 Abs 2 KO). Mit Rechtskraft der Konkursaufhebung ende ansonsten die Tätigkeit der Organe des Konkursverfahrens, also insbesondere des Konkursgerichtes und des Masseverwalters.

Im Hinblick auf die mit rechtskräftigem Beschluss vom 7. 8. 1997 angeordnete Aufhebung des Konkurses und Enthebung des Masseverwalters, dem im Zwangsausgleich keine Überwachungsaufgaben übertragen wurden (ON 1346/15), sei das Konkursgericht zu der im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Verfügung über das ehemalige Massevermögen nicht mehr berechtigt gewesen. Auch die Bezeichnung als "Ergänzungsbeschluss zum Beschluss vom 5. 8. 1997, ON 1343" könne daran nichts ändern. Mit diesem Beschluss habe das Erstgericht ua den Antrag der Gemeinschuldnerin auf Feststellung der Bezahlung der Forderung des Gläubigers V***** AG abgewiesen, weil die Prüfung der Frage, inwieweit eine Konkursforderung im Rahmen der Erfüllung eines Zwangsausgleiches allenfalls erloschen sei, nicht in den Zuständigkeitsbereich des Konkursgerichtes falle. Einer Ergänzung habe dieser - im Übrigen unangefochten gebliebene - Beschluss des Erstgerichtes auch nach Aufhebung des Konkurses nicht bedurft.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Konkursgläubigerin V***** AG mit dem Antrag, ihn im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig.

Die gemäß § 171 KO iVm § 528 Abs 2 Z 1a ZPO maßgebliche betragliche Grenze von S 260.000,-- wird jedenfalls auch dann überschritten, wenn man nicht von der Höhe der strittigen Forderung von S 10,037.585,64, sondern nur von dem auf diese Forderung entfallenden Teil des beim ehemaligen Masseverwalter erliegenden Betrages ausgeht. Zu der im Revisionsrekurs aufgeworfenen Frage, ob und welche Verfügungen das Konkursgericht aus Anlass eines Zwangsausgleiches bezüglich der titulierten, vom Gemeinschuldner bestrittenen Forderungen zu treffen hat, liegt, soweit überblickbar, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor.

Der Revisionsrekurs ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Zunächst ist klarzustellen, dass es entgegen der von der (ehemaligen) Gemeinschuldnerin in ihrem Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichtes vertretenen Rechtsansicht nicht in die Kompetenz des Konkursgerichtes fällt, über die vom Gemeinschuldner bestrittenen Forderungen mit über das Konkursverfahren hinausgehender Wirkung zu entscheiden, insbesondere auch nicht über das Erlöschen einer vom Gemeinschuldner bestrittenen titulierten Forderung. Nur dann, wenn der Gemeinschuldner eine im Konkurs festgestellte Forderung nicht bestritten hat, hat dies das Konkursgericht durch Ausstellung eines Auszuges aus dem Anmeldungsverzeichnis zu beurkunden, auf Grund dessen der Gläubiger nach Aufhebung des Konkurses gemäß § 61 KO Exekution in das zur freien Verfügung verbleibende oder nach Konkursaufhebung erworbene Vermögen des Gemeinschuldners Exekution führen kann. Über die von der ehemaligen Gemeinschuldnerin gegen die titulierte, im Konkurs festgestellte Forderung der V***** AG erhobenen Einwendungen ist daher nicht vom Konkursgericht, sondern von dem sonst für derartige Streitigkeiten zuständigen Gericht zu entscheiden. Wie das Konkursgericht in der Begründung des Beschlusses vom 5. 8. 1997, ON 1343/15, und das Landesgericht Wels als Titelgericht in der Begründung des Beschlusses vom 27. 6. 1997, 3 Cg 172/85-18, zutreffend ausgesprochen haben, kann die ehemalige Gemeinschuldnerin ihren Einwand, die titulierte Forderung der V***** AG sei durch vollständige Zahlung erloschen, mit negativer Feststellungsklage oder - im Falle der Exekutionsführung durch die Gläubigerin - mit Oppositionsklage geltend machen.

Die Auffassung des Rekursgerichtes, nach rechtskräftiger Aufhebung des Konkurses komme eine Beschlussfassung des Konkursgerichtes nicht mehr in Frage, trifft auf eine sich als notwendig erweisende Ergänzung von Beschlüssen dann nicht zu, wenn diese mit der Aufhebung des Konkurses - anders als etwa die Gegenstand der Entscheidung 8 Ob 334/98w bildende nachträgliche Nichtgenehmigung der Schlussrechnung - vereinbar ist. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn anlässlich der Konkursaufhebung die in § 150 Abs 4 KO vorgesehene Setzung einer Klagsfrist bezüglich einer vom Gemeinschuldner bestrittenen Konkursforderung irrtümlich unterblieben wäre.

Es bleibt daher zu prüfen, ob das Konkursgericht anlässlich der Aufhebung des Konkurses nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsausgleiches Klagsfristen nicht nur den Gläubigern für die Geltendmachung nicht titulierter, vom Gemeinschuldner bestrittener Forderungen, sondern auch dem Gemeinschuldner für die Bekämpfung von ihm bestrittener titulierter Forderungen zu setzen hat. Nur in diesem Fall wäre eine auch nach rechtskräftiger Aufhebung des Konkurses zulässige Ergänzung oder Berichtigung - sei es des Beschlusses ON 1343/15 oder ON 1344/15, mit dem das Konkursgericht für die Gläubiger der nicht titulierten, im Konkurs nur von der Gemeinschuldnerin bestrittenen Forderungen Klagsfristen bestimmte - durch eine Fristsetzung auch für die von der ehemaligen Gemeinschuldnerin gegen die Gläubigerin der gegenständlichen titulierten Forderung einzubringende Klage in Frage gekommen.

In § 150 Abs 4 KO ist eine Fristsetzung nur für die Gläubiger der vom Gemeinschuldner bestrittenen (nicht titulierten) Forderungen vorgesehen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass im Hinblick darauf, dass die Bestreitung durch den Gemeinschuldner gemäß § 109 Abs 2 KO für den Konkurs keine rechtliche Wirkung hat, den Gläubigern der nur vom Gemeinschuldner bestrittenen Forderungen auch dann, wenn kein Titel vorlag, keine Frist für die Einbringung der Prüfungsklage gemäß § 110 Abs 4 KO zu setzen ist. In diesen Fällen ist die Setzung einer Klagsfrist nach § 150 Abs 4 KO erforderlich, weil gemäß § 9 Abs 1 KO die durch die Anmeldung unterbrochene Verjährung mit Konkursaufhebung von neuem zu laufen beginnt und die Aufrechterhaltung der Sicherstellung nicht nur für die Dauer eines innerhalb der Klagsfrist eingeleiteten Prozesses, sondern darüber hinaus für die volle, allenfalls dreißigjährige Verjährungsfrist zu einer durch berechtigte Interessen des Gläubigers nicht gerechtfertigten Belastung des Ausgleichsschuldners führen würde.

Eine Fristsetzung bezüglich der vom Gemeinschuldner bestrittenen, titulierten Forderungen ist hingegen nicht gerechtfertigt, weil sie nur dann sinnvoll ist, wenn die innerhalb der gesetzten Frist eingebrachte Klage des (ehemaligen) Gemeinschuldners dazu führt, dass die Forderung bis zur Entscheidung über den dadurch eingeleiteten Rechtsstreit nicht aus der Sicherheit zu bezahlen ist. Damit würde der erst vom Prozessgericht zu treffenden Entscheidung über eine vom klagenden (ehemaligen) Gemeinschuldner zu beantragende einstweilige Verfügung oder der - im Falle der Exekutionsführung auf Grund des Titels - vom Exekutionsgericht gemäß § 45 Abs 2 EO zu treffenden Entscheidung über die vom klagenden (ehemaligen) Gemeinschuldner beantragte Aufschiebung der Exekution gemäß § 42 Abs 1 Z 1 oder Z 5 EO ohne sachliche Rechtfertigung zu Lasten des Gläubigers der titulierten Forderung vorgegriffen. Eine analoge Anwendung der in § 150 Abs 4 KO für die Gläubiger nicht titulierter, vom Gemeinschuldner bestrittener Forderungen vorgesehenen Fristsetzung auf die vom (ehemaligen) Gemeinschuldner gegen die Gläubiger titulierter Forderungen zur Durchsetzung seiner Einwendungen einzubringenden Klagen ist daher nicht gerechtfertigt (vgl Bartsch/Pollak KO I3 635 und Petschek/Reimer/Schiemer Insolvenzrecht 691).

Damit kommt auch die von der Rechtsmittelwerberin - nach dem Inhalt ihres Abänderungsantrages - angestrebte Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses nicht in Frage und hat es bei der Entscheidung des Rekursgerichtes zu verbleiben.

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