OGH 2Ob184/00y

OGH2Ob184/00y8.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Willibald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Verband *****, vertreten durch Dr. Gunter Griss, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 135.777,48 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 22. Februar 2000, GZ 12 R 153/99d-40, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Dezember 1998, GZ 8 Cg 203/97z-22, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 22. 4. 1997 ereignete sich in Graz auf der Kreuzung Wiener Straße/Kalvariengürtel/Peter-Tunner Gasse/Bahnhofgürtel ein Verkehrsunfall, an dem eine von der Klägerin gehaltene und von Hubert R***** gelenkte, selbstfahrende Arbeitsmaschine (Arbeitsbühne) vom Typ LKW Daimler Benz LP 608/36, mit einem österreichischen amtlichen Kennzeichen, sowie ein von David K***** gelenkter Sattelzug mit einem ausländischen Kennzeichen beteiligt waren.

Die Klägerin begehrte in erster Instanz letztlich S 135.777,48 an der Höhe nach nicht mehr strittigem Schadenersatz (Reparaturkosten und Verdienstentgang) und brachte dazu im Wesentlichen vor, die Arbeitsmaschine sei im Kreuzungsbereich mit eingeschalteter Drehlichtwarnanlage abgestellt gewesen, um im behördlichen Auftrag die Behebung eines Schadens an der dortigen Überkopf-Verkehrsampel (Verkehrslichtsignalanlage, in der Folge kurz: VLSA) dadurch zu ermöglichen, dass ein Monteur der Fa. S***** mittels der am Fahrzeug montierten beweglichen Arbeitsbühne zu den Ampelanlagen gehoben würde. Der Sattelzug sei mit viel zu geringem Sicherheitsabstand an der Arbeitsmaschine vorbeigefahren, wodurch die rechte vordere Ecke des Sattelanhängers gegen die linke Ecke der Arbeitsbühne gestoßen sei. Dabei sei der auf der Arbeitsbühne befindliche Monteur auf die Fahrbahn geschleudert und schwerst verletzt worden; die Maschine sei erheblich beschädigt worden. David K***** sei strafgerichtlich verurteilt worden. Es sei damals weder eine Panne vorgelegen, noch sei eine Baustelle eingerichtet gewesen. Die von der beklagten Partei geforderten Verkehrszeichen oder Hinweiszeichen seien weder behördlich vorgeschrieben noch aus anderen Gründen aufzustellen gewesen. Die Ausstattung des Fahrzeuges mit einer Rundumleuchte gewährleiste ausreichende Warnung der nachfolgenden Fahrzeuge, es sei Friedrich S***** unzumutbar gewesen, den Arbeitskorb in Richtung der Gefahr zu bewegen, sofern er überhaupt zu diesem Zeitpunkt eine Gefahr erkannt hätte. Eine derartige Handlung hätte den "Anhalteweg des Beklagtenfahrzeuges" verkürzt. Während des Arbeitsvorganges sei die Arbeitsmaschine auf festen Stützen abgestützt gewesen und habe daher nicht als Kraftfahrzeug am Verkehr teilgenommen, sondern als Arbeitsbühne; es hätte sich daraus keine für ein Kraftfahrzeug typische Betriebsgefahr ergeben, sodass das EKHG nicht anwendbar sei. Die Verwendung eines geeigneten Fahrzeuges bei Instandhaltungsarbeiten an einer VLSA, welche zwangsläufig im Kreuzungsbereich stattgefunden hätten, sodass gewisse Verkehrsbehinderungen unvermeidlich gewesen seien, sei behördlich genehmigt gewesen. Zweck des Bescheides sei, Behinderungen hintanzuhalten, die mit derartigen Erhaltungsarbeiten nicht notwendigerweise verbunden wären. Bei dem Einsatz sei mit einem Zeitaufwand von wenigen Minuten der Austausch einer Glühbirne in der über Kopf angebrachten VLSA erfolgt. Die Arbeitsmaschine sei mit einer Rundumleuchte und Kennzeichnungen an der Rückseite versehen gewesen; eine andere als die praktizierte Vorgangsweise sei geradezu denkunmöglich. Im Interesse der Verkehrssicherheit habe die Funktionsfähigkeit der VLSA gewährleistet werden müssen; dies stelle ein höheres Rechtsgut dar als eine kurzfristige, geringfügige Behinderung des fließenden Verkehrs, welche in Kauf genommen werden müsse. Der Auftraggeber der Klägerin, die Fa. S*****, habe bei den Wartungsarbeiten im behördlichen Auftrag gehandelt.

Der beklagte Verband brachte im Wesentlichen vor, ein Verschulden des LKW-Lenkers K***** sei nicht gegeben. Er habe den LKW auf den zweiten Fahrstreifen der Wiener Straße stadteinwärts gelenkt; der erste Fahrstreifen sei durch die nicht ordnungsgemäß abgesicherte Arbeitsmaschine blockiert gewesen. K***** sei mit langsamer Geschwindigkeit an der Arbeitsmaschine vorbeigefahren, wobei die Arbeitsbühne nicht in seinen Fahrstreifen hereingeragt habe, weshalb die Vorbeifahrt problemlos möglich gewesen sei. Plötzlich sei die Arbeitsbühne nach links verschwenkt worden und so in die Fahrlinie des LKW geraten. Dies sei für den Lenker völlig unvorhersehbar gewesen; er hätte keine Möglichkeit gehabt, einen Anstoß der rechten oberen Ecke des Sattelanhängers gegen die Arbeitsbühne zu verhindern. Er habe zwar sofort ein Bremsmanöver eingeleitet, habe den LKW aber erst nach dem Anprall zum Stillstand bringen können. Laut Bescheid des Magistrats der Stadt Graz vom 20. 1. 1997 hätte die Klägerin die Instandsetzungsarbeiten an der VLSA nur unter der Auflage durchführen dürfen, dass der übrige Verkehr nicht behindert werde. Durch das Parken der Arbeitsmaschine auf dem rechten (westlichen) Geradeausfahrstreifen und das Heineinbewegen der Arbeitsbühne in den Luftraum des linken (östlichen) Geradeausfahrstreifen habe jedenfalls eine Behinderung des Straßenverkehrs stattgefunden. Der Lenker der Arbeitsmaschine und Friedrich S***** seien infolge des Ingerenzprinzips verpflichtet gewesen, andere Verkehrsteilnehmer in geeigneter Weise auf die Gefahr aufmerksam zu machen, die von der Arbeitsmaschine wegen ihrer Position in nächster Nähe zum östlichen Geradeausfahrstreifen ausgegangen sei. Die Maschine hätte jedenfalls durch ein Gefahrenzeichen abgesichert werden müssen, ebenso wäre der östliche, vom LKW befahrene Geradeausfahrstreifen durch ein entsprechendes Verkehrszeichen abzusperren gewesen, weil die Bediensteten der Klägerin auf Grund der Lage der VLSA mit einem Hineinbewegen der Arbeitsbühne auch in diesen Fahrstreifen jedenfalls hätten rechnen müssen. Die Klägerin sei nicht nur auf Grund der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten, sondern auch gemäß § 32 Abs 6 StVO zu einer ordnungsgemäßen Absicherung des durch die Arbeiten an der VLSA verlegten oder eingeengten Fahrstreifens verpflichtet gewesen. Die Leute der Klägerin hätten gegen § 90 Abs 1 StVO verstoßen, weil sie die Arbeiten ohne Absicherung durchgeführt hätten. Sollte dies nicht zutreffen, liege wegen des Verstoßes gemäß § 90 Abs 2 StVO ein überwiegendes Verschulden des Arbeitsmaschinenlenkers vor, weil nicht das Gefahrenzeichen "Baustelle" aufgestellt worden sei; darüber hinaus sei es dem Arbeitsmaschinenlenker zumutbar gewesen, den blockierten Fahrstreifen und jenen, in den die Arbeitsbühne hineingeragt hätte, durch ein Pannendreieck zu sichern. Friedrich S***** hätte den LKW in Annäherung gesehen und den Unfall dadurch vermeiden können, dass er den Arbeitskorb gegen den Uhrzeigersinn in Richtung Westen geschwenkt hätte. Die Klägerin hafte als Halter der Arbeitsmaschine für das Verschulden ihrer Leute nach dem EKHG und habe gegen die Auflagen im Bescheid vom 20. 1. 1997 verstoßen; sie wäre verpflichtet gewesen, auf eine Änderung dieses Bescheides hinzuwirken, weil ohne Verstoß gegen die Auflagen diese Arbeiten offensichtlich nicht möglich gewesen wären.

Das Erstgericht erkannte den beklagten Verband schuldig, der Klägerin S 100.583,11 sA zu zahlen; das Mehrbegehren von S 35.194,37 wies es ab. Es ging hiebei von folgenden Feststellungen aus:

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Graz vom 20. 1. 1997 wurde unter anderem dem jeweiligen Lenker des Klagsfahrzeugs befristet bis 30. 1. 1999 die Genehmigung zum Parken in allen Halte- und Parkverbotszonen auf Bundes-, Landes- und Gemeindestraßen im Stadtgebiet von Graz sowie das Auffahren und Parken auf allen Gehsteigen im Stadtgebiet von Graz zwecks Durchführung von Instandsetzungsarbeiten erteilt, dies unter der Auflage, dass die Bewilligung nur gilt, wenn Instandsetzungsarbeiten an Verkehrssignalanlagen durchgeführt werden und durch die Bewilligung keine Behinderung des Fußgängerverkehrs bzw des übrigen Verkehrs erfolgt. Das Parken auf Abschlepp-, Behinderten- und Buszonen wurde damit nicht gestattet.

Am 22. 4. 1997 gegen 13 Uhr 30 waren Hubert R***** als Lenker und Siegfried S***** als Monteur mit dem Klagsfahrzeug unterwegs. S***** positionierte den LKW im Kreuzungsbereich Wiener Straße/Peter Tunner-Gasse/Kalvariengürtel (...). Er schaltete die links hinten am Aufbau des LKWs befindliche orangefarbige Drehleuchte sowie die Warnblinkanlage ein und senkte die beiden Seitenstützen des LKWs auf die Fahrbahn ab. Weder das Verkehrszeichen "Baustelle" noch ein Pannendreieck wurden hinter dem LKW aufgestellt. Während R***** im Führerhaus des LKWs verblieb, begab sich Siegfried S***** in den Arbeitskorb, welchen er mittels Handschaltung nach oben bewegte. Über der Fahrbahn der Wiener Straße war auf einem Querträger unmittelbar unter drei Wegweisern jeweils eine horizontal liegende Ampel angebracht, deren Unterkante zirka 4,5 m über dem Fahrbahnniveau lag. Die mittlere der Ampeln befand sich oberhalb der Leitlinie zwischen erstem und zweitem Geradeausfahrstreifen, sodass sie zu gleichen Teilen in den Luftraum beider Fahrstreifen ragte. S***** bewegte den Arbeitskorb mit dessen oberer Kante unmittelbar an die Unterkanten der Ampeln. Zunächst schwenkte er den Korb zur äußerst linken Ampel (in Fahrtrichtung der Unfallsfahrzeuge gesehen) und tauschte die Glühbirnen aus. Daraufhin bewegte er den Korb vor die mittlere Ampel, sodass er die drei Leuchten unmittelbar vor sich hatte. Die Mitte des 1 m breiten Arbeitskorbs deckte sich mit der Mitte der Ampel, der Arbeitskorb ragte daher jeweils 50 cm in den Luftraum der beiden Geradeausfahrstreifen. Die Unterkante des Arbeitskorbs befand sich in einer Höhe von 3 bis 3,5 m über dem Fahrbahnniveau. S***** öffnete von rechts beginnend die Leuchtendeckel, um die Glühbirnen auszutauschen. Das von David K***** gelenkte Beklagtenfahrzeug näherte sich im linken Geradeausfahrstreifen der Kreuzung mit einer Geschwindigkeit von zirka 27 km/h. Der Sattelauflieger war 12 m lang, 2,5 m breit und 4,2 m hoch. K***** lenkte den LKW in der Mitte des von ihm befahrenen, 3 m breiten Fahrstreifens, sodass ein Seitenabstand zu den benachbarten Fahrstreifen von zirka 0,25 m verblieb. Es herrschte Tageslicht, die Sichtverhältnisse waren gut. K***** erkannte den Arbeitskorb aus einer Entfernung von zirka 60 bis 70 m, der Arbeitskorb befand sich in fixierter Position vor der mittleren Ampel. In zirka 18 m Entfernung (2,5 Sekunden vor der späteren Kollision) entschloss sich K***** sein Fahrzeug zu bremsen, wobei er jedoch nur eine mäßige Bremsung mit einer Verzögerung von 1 m/sec2 durchführte. Infolge falscher Einschätzung des verbleibenden Fahrraums bzw infolge Unaufmerksamkeit stieß K***** mit der rechten vorderen Oberkante des Sattelaufliegers gegen die linke hintere Ecke des Arbeitskorbs. Die Kollisionsgeschwindigkeit des Sattelschleppers betrug dabei zirka 23 km/h. Der Arbeitskorb befand sich im Kollisionszeitpunkt in unveränderter vor der mittleren Ampel fixierter Position. S***** stand mit dem Rücken zum Nachfolgeverkehr und schraubte gerade die Glühbirne der linken Leuchte ein. Die Annäherung des Sattelschleppers hatte er nicht wahrgenommen. Durch die Kollision wurde der Arbeitskorb in eine Drehbewegung im Uhrzeigersinn versetzt, die wiederum den Hebelarm, mit dem der Arbeitskorb mit dem abgestellten LKW (Klagsfahrzeug) verbunden war, in eine Rotation gegen den Uhrzeigersinn versetzte. Dabei wurde S***** aus dem Korb auf die Fahrbahn geschleudert, sodass er rechts neben dem Klagsfahrzeug im Bereich des rechten Hinterrades zu liegen kam. Der Arbeitskorb und der Hebelarm wurden dabei stark beschädigt. Der Sattelschlepper legte nach der Kollision noch eine Strecke von 20 m zurück, bis er im Kreuzungsbereich zum Stillstand kam.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, K***** sei nicht entsprechend aufmerksam gefahren oder habe die Abschätzung des verbleibenden Fahrraums nicht mit entsprechender Sorgfalt durchgeführt, sodass er gegen den minutenlang im Stillstand befindlichen Arbeitskorb gestoßen sei. R***** und S***** wiederum hätten gegen die Bestimmung des § 90 Abs 2 StVO verstoßen, wonach Arbeiten auf der Straße zu deren Erhaltung sowie für nur kurzfristige dringende Reparaturen an öffentlichen Einrichtungen durch das Gefahrenzeichen "Baustelle" anzuzeigen seien, sofern dies die Verkehrssicherheit erfordere. Das Aufstellen dieses Gefahrenzeichens im Bereich beider Geradeausfahrstreifen sei hier geboten gewesen, um den Nachfolgeverkehr rechtzeitig auf die benachbarten Fahrstreifen umzuleiten und so jede Gefährdung durch den in den Luftraum beider Geradeausfahrstreifen ragenden Arbeitskorb zu verhindern. Die Verschuldensteilung sei im Verhältnis 3 : 1 zu Lasten des LKW-Lenkers vorzunehmen. Demnach habe der Beklagte der Klägerin drei Viertel ihres Schadens zu ersetzen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, der Berufung der klagenden Partei hingegen Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass die beklagte Partei zur Zahlung von S 135.777,48 sA verpflichtet wurde. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Verhältnis des § 27 Abs 2 und 4 StVO zu § 90 Abs 2 StVO fehle, und führte im Wesentlichen folgendes aus:

Werde durch Arbeiten auf oder neben der Straße der Straßenverkehr beeinträchtigt, so sei hiefür unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriftgen gemäß § 90 Abs 1 StVO eine Bewilligung der Behörde erforderlich. Die Bewilligung sei auf Antrag des Bauführers zu erteilen, wenn die Beeinträchtigung nicht wesentlich sei oder wenn es möglich sei, für die Aufrechterhaltung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs in anderer Weise zu sorgen. Gemäß § 90 Abs 2 StVO fänden die Bestimmungen des Abs 1 keine Anwendung auf verkehrsfremde Tätigkeiten, für die gemäß § 82 eine Bewilligung erforderlich sei, sowie für Arbeiten zur Erhaltung, Pflege und Reinigung der Straßen, für Vermessungsarbeiten und für nur kurzfristige dringende Reparaturen an öffentlichen Einrichtungen. Solche Arbeiten seien, sofern dies die Verkehrssicherheit erfordere, durch das Gefahrenzeichen "Baustelle" anzuzeigen.

Gemäß § 27 Abs 1 StVO seien die Lenker von Fahrzeugen ... die für die

... Instandhaltung von Einrichtungen zur Regelung und Sicherung von

Verkehrs ... verwendet werden, bei Arbeitsfahrten an die Bestimmungen

über das Verhalten bei Bodenmarkierungen und über das Einordnen, sowie an Zufahrtsbeschränkungen, an Halte- und Parkverbote und an die Verbote bezüglich des Zufahrens zum linken Fahrbahnrand nicht gebunden. Sie dürften auch durch Nebenfahrbahnen fahren sowie an Schutzinseln in Einbahnstraßen oder in einer Fahrbahnhälfte, für die das Gebot, rechts vorbeizufahren, angeordnet sei, links vorbeifahren und dürften die Betriebszufahrten und -abfahrten sowie die Betriebsumkehren einer Autobahn befahren. Weiters dürften die Lenker von Fahrzeugen des Straßendienstes auf der linken Fahrbahnseite fahren, wenn durch die Ausstattung dieser Fahrzeuge oder durch sonstige Maßnahmen in ausreichender Weise für die Sicherheit anderer Straßenbenützer gesorgt sei. Gemäß § 27 Abs 2 StVO hätten alle Straßenbenützer unbeschadet der Bestimmung des § 26 Abs 5 über das Verhalten gegenüber Einsatzfahrzeugen den Fahrzeugen des Straßendienstes, wenn sie sich auf einer Arbeitsfahrt befinden, insoweit Platz zu machen, als dies zur Erreichung des Zweckes bei der jeweiligen Arbeitsfahrt notwendig sei. Entgegenkommenden Fahrzeugen des Straßendienstes, die auf einer Arbeitsfahrt die linke Fahrbahnseite benützten, sei links auszuweichen. Gemäß § 27 Abs 4 StVO hätten die Lenker von Fahrzeugen des Straßendienstes ... bei Arbeitsfahrten die an den Fahrzeugen angebrachten Warnleuchten mit gelbrotem Licht einzuschalten. Die eingeschaltete Warnleuchte gelte als ausreichender Hinweis auf Gefahren im Sinne des § 43 Abs 6 StVO.

Dieser bestimme: Außer in den in diesem Bundesgesetz besonders angeführten Fällen, dürfe ein Hinweis auf Gefahren und sonstige verkehrswichtige Umstände nur unterbleiben, wenn die Gefahr oder der verkehrswichtige Umstand auch ohne einen solchen Hinweis leicht erkannt werden könne.

Bejahe man die Anwendbarkeit des § 27 StVO auf den vorliegenden Fall, könne es dahingestellt bleiben, ob die von der Arbeitsmaschine der klagenden Partei ausgehende Gefahr auch ohne einen entsprechenden Hinweis leicht erkannt werden habe können, weil die eingeschaltete Warnleuchte als ausreichender Hinweis auf die Gefahr gelte (§ 27 Abs 4 iVm § 43 Abs 6 StVO).

Aber selbst wenn man hier die Vorschrift des § 90 Abs 2 StVO für anwendbar erachte, was insofern naheliege, als § 27 StVO durchwegs von Arbeitsfahrten spreche, § 90 StVO aber von den eigentlichen Arbeiten, sei für die beklagte Partei nichts gewonnen. Nach § 90 Abs 2 StVO seien die dort näher bezeichneten Arbeiten durch das Gefahrenzeichen "Baustelle" anzuzeigen, sofern es die Verkehrssicherheit erfordere. Ein solches Erfordernis sei aber zu verneinen, wenn an einer Arbeitsmaschine, wie im vorliegenden Fall, die gelbrote Warnleuchte eingeschaltet sei, gebe diese doch einen genügenden Hinweis auf die mit den Arbeiten verbundene Beeinträchtigung des Straßenverkehrs.

Ein für das Zustandekommen des vorliegenden Unfalls mitursächliches Fehlverhalten von Mitarbeitern der klagenden Partei als Folge mangelnder Absicherung liege somit nicht vor (...).

Den Lenker des LKWs, der den Arbeitskorb schon lange vor Passieren der Unfallstelle habe beobachten können und durch ein leichtes Auslenkmanöver seine Fahrlinie verändern und den Unfall hätte vermeiden können, treffe demnach das alleinige Verschulden am Verkehrsunfall.

Sicher hätten die beiden Mitarbeiter der klagenden Partei nicht dem Bescheid des Magistrates der Stadt Graz vom 20. 1. 1997 entsprochen, mit dem die dort genannten Genehmigungen unter der Auflage erteilt worden sei, dass keine Behinderung des Fußgängerverkehrs bzw des übrigen Verkehrs erfolge. Durch die Arbeiten sei aber der Fahrzeugverkehr sicher beeinträchtigt worden, sodass ungeachtet des Bescheides und unter Bedachtnahme auf die Art der Arbeiten die Bestimmung des § 90 Abs 2 StVO Anwendung finde, womit es aber, wie bereits ausgeführt, für die beklagte Partei zu keinem günstigeren Ergebnis komme.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren nur mit S 67.888,74 sA stattgegeben werde; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, § 27 Abs 1 und 4 StVO seien nicht anwendbar, weil sich das Fahrzeug der klagenden Partei beim Unfall nicht auf einer Arbeitsfahrt, sondern im Stillstand befunden habe. Anzuwenden sei vielmehr § 90 StVO, der sich auf Arbeiten auf oder neben der Straßen beziehe. Da es sich nicht bloß um kurzfristige dringende Reparaturen gehandelt habe, sei eine behördliche Bewilligung erwirkt worden. Gegen die Bescheidauflagen hätten die Mitarbeiter der klagenden Partei aber verstoßen. Sie hätten das Gefahrenzeichen "Baustelle" aufstellen müssen. Die Fehleinschätzung des LKW-Lenkers wiege nicht schwerer als die Versäumnisse der Mitarbeiter der klagenden Partei, weshalb von einem gleichteiligen Verschulden auszugehen sei.

Hiezu wurde erwogen:

§ 27 StVO normiert Vorrechte für Fahrzeuge des Straßendienstes, mit denen Dienste für die Allgemeinheit - wie hier die Instandhaltung von Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs - erbracht werden; § 90 StVO betrifft Arbeiten auf oder neben der Straße, die gemäß Abs 1 grundsätzlich bewilligungspflichtig sind. Für bestimmte Tätigkeiten auf oder neben einer Straße enthält die StVO Sonderregeln, die als leges speciales zu § 90 Abs 1 StVO zu qualifizieren sind (Dittrich/Stolzlechner, § 90 StVO Rz 17 f). Reparaturen an Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs - wie hier das Auswechseln von Ampelglühbirnen - sind von der Anbringungspflicht nach § 32 StVO erfasst und unterliegen schon aus diesem Grunde nicht der Bewilligungspflicht nach § 90 Abs 1 StVO (Dittrich/Stolzlechner § 90 StVO Rz 26). Eines Rückgriffs auf die Ausnahmebestimmung des § 90 Abs 2 StVO bedarf es im vorliegenden Fall somit nicht; damit kommt auch die dort vorgesehene Aufstellung des Gefahrenzeichens "Baustelle" nicht in Betracht, zumal § 27 Abs 4 StVO die Art des Gefahrenhinweises anders regelt.

Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin und der Andeutung des Berufungsgerichtes ist eine Arbeitsfahrt im Sinne des § 27 StVO nicht deshalb zu verneinen, weil sich das Fahrzeug der klagenden Partei im Unfallszeitpunkt im Stillstand befand. Dies ergibt sich schon aus der Ausnahme von Halte- und Parkverboten in § 27 Abs 1 StVO. Umgekehrt liegt eine Arbeitsfahrt gerade nicht bei einer bloßen Fahrt zur Arbeitsstelle vor; wesentlich ist, dass die Verwendung des Fahrzeugs nicht nur mittelbar, sondern unmittelbar einem gesetzlich vorgegebenen Zweck dient (ZVR 1986/14; RIS-Justiz RS0065645; Dittrich/Stolzlechner § 27 StVO Rz 5).

Durch § 27 Abs 4 zweiter Satz StVO wird klargestellt, dass das Einschalten des gelbroten Drehlichtes genügt, sodass die Mitarbeiter der klagenden Partei nicht verpflichtet waren, darüber hinaus ein Gefahrenzeichen aufzustellen (Dittrich/Stolzlechner § 27 StVO Rz 20 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien).

Was schließlich den Bewilligungsbescheid des Magistrats der Stadt Graz anlangt, so wurde dieser nicht auf § 90 Abs 1 StVO, sondern auf § 45 Abs 2 und 3, § 62 Abs 4 StVO gestützt; die letztgenannte Bestimmung betrifft Ladetätigkeiten, ist also im vorliegenden Fall gar nicht einschlägig. Überdies wird in diesem Bescheid auf das Parken in Halte- und Parkverbotszonen und auf Gehsteigen Bezug genommen; um solche Zonen oder Gehsteige handelt es sich hier aber nicht. Vielmehr ergeben sich die in § 27 StVO genannten Vorrechte für Fahrzeuge des Straßendienstes bereits aus dem Gesetz, ohne dass es hiefür der Erlassung eines Bescheides bedürfte. Im Übrigen werden Instandsetzungsarbeiten an Verkehrssignalanlagen typischerweise geradezu zwangsläufig mit den im Bescheid verpönten Verkehrbehinderungen verbunden sein. Der Warnung vor solchen besonderen Verkehrssituationen dient aber die von den Mitarbeitern der klagenden Partei beachtete gesetzliche Pflicht der Lenker von Fahrzeugen des Straßendienstes gemäß § 27 Abs 4 erster Satz StVO, das gelbrote Drehlicht einzuschalten.

Zutreffend hat das Berufungsgericht somit ein der klagenden Partei zurechenbares Verschulden verneint, weshalb der Revision der beklagten Partei ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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