OGH 2Ob200/00a

OGH2Ob200/00a8.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Raimund Z*****, vertreten durch Dr. Andreas Konrad, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Alois M*****, vertreten durch Dr. Othmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung und Unterlassung, (Streitwert je S 30.000,--), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 4. Mai 2000, GZ 7 R 58/00a-27, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 8. Februar 2000, GZ 3 C 1048/99t-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.103,04 (darin S 1.183,84 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 11.491,04 (darin S 811,84 USt und S 6.620,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist auf Grund des mit dem Beklagten vom 28. 2. 1996 abgeschlossenen Kaufvertrages Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB *****. Zum Gutsbestand dieser Liegenschaft gehören ua die Grundstücke 505/6, 505/7 und 505/8. Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** bestehend aus den Grundstücken 505/3 und .78 Baufläche und Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, nur bestehend aus dem Grundstück 505/1. Mit Kaufvertrag vom 28. 2. 1996 wurde zwischen den Streitteilen nachstehende Servitutsvereinbarung getroffen:

Das im Eigentum des Verkäufers verbleibende Grundstück 505/1 wird von der Hauptstraße in G***** über das Grundstück 505/6 Weg und in weiterer Folge über den entlang der Südgrenze der Grundstücke 505/7 Baufläche und 505/8 LN verlaufenden Servitutsweg in einer Breite von 5 m, dargestellt im Vermessungsplan des DI Gerhard K***** vom 22. 1. 1996 erreicht. Der Käufer als Eigentümer der dienenden Grundstücke 505/6, 505/7 und 505/8 räumt hiemit dem Verkäufer als Eigentümer des herrschenden Grundstückes 505/1 LN der EZ ***** GB ***** die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes mit Fahrzeugen aller Art über das Grundstück 505/6 und über den gemäß dem Teilungsplan des DI Gerhard K***** vom 22. 1. 1996 entlang der südlichen Grenze der Grundstücke 505/7 Baufläche und 505/8 LN verlaufenden Servitutsweg ein.

Der Kläger begehrte gestützt auf sein Eigentumsrecht die Feststellung, dass ein Servitutsrecht zum Befahren und Begehen des Grundstückes 505/6 zu Gunsten der Grundstücke 505/3 und .78 Baufläche und nicht bestehe und dass der Beklagte das Zu- und Abfahren zu den Grundstücken 505/3 und .78 über das Grundstück 505/6 zu unterlassen habe.

Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, dass die im Kaufvertrag vom 28. 2. 1996 enthaltene Servitutsvereinbarung so zu verstehen sei, dass sie der Befriedigung seiner gesamten Liegenschaft diene. Er dürfe daher von seinem Grundstück 505/3 auf den Servitutsweg 505/6 einfahren und dann über diesen Weg entweder zur Parzelle 505/1 oder zur Hauptstraße zufahren. Er fahre auch schon seit 42 Jahren so und hätte auf dieses Recht bei Abschluss der Servitutsvereinbarung vom 28. 2. 1996 nicht verzichtet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im zweiten Rechtsgang ab. Es ging hiebei von folgenden Feststellungen aus:

Die streitgegenständlichen Fahrbewegungen des Beklagten sind derart, dass er von seinem Grundstück 505/3 südlich auf den Servitutsweg 505/6 einfährt und dann Richtung Osten zur Bundesstraße mit der Bezeichnung 671 fährt. Die Befahrung erfolgt in beiden Richtungen, also zufahrenderweise zum Grundstück 505/3. Es stört den Kläger auch, dass der Beklagte zur Erschließung des Grundstückes 505/1 auf dem Servitutsweg Richtung Westen fährt und dabei die Ausfahrt im südwestlichen Bereich zwischen dem Grundstück 505/3 und 505/6 nimmt. In der Natur befindet sich nämlich an der Grenze zwischen dem Grundstück 505/6 und dem Grundstück 505/3 kein Zaun. Der Zaun endet an dem Gebäude, welches sich an der Grundstücksgrenze befindet. Die Fahrbewegungen werden vom Beklagten, weiters vom Sohn der Lebensgefährtin und von Verwandten des Beklagten durchgeführt. Diese Fahrbewegungen dienen nicht nur der Bewirtschaftung des Grundstückes 505/1.

Der Vermesser DI Gerhard K***** hat bei der Teilung der Grundstücke im Jänner 1996 mit dem Beklagten über das Wenden im Hof gesprochen und wurde damals das Grundstück 505/7 noch etwas verkleinert, um dem Beklagten das Wenden im Hof zu ermöglichen. Am 19. 1. 1996 hat die Vermessung stattgefunden, damals hat man auf dem Grundstück 505/6 keinen Weg erkennen können, es gab auch keine Fahrspuren. Auch im Februar 1996 war kein Weg ersichtlich.

Für den Kläger gab es den Wiesenstreifen 505/6 schon immer in unbefestigter Form als Weg. Aus der Sicht des Klägers kann es sein, dass der Beklagte über den südlichen Wiesenstreifen 505/6 zum Grundstück 505/3 gefahren ist, es kann also sein, dass der Beklagte über den Wiesenstreifen 505/6 zu seinem Bauernhof gefahren ist.

Im Rahmen der Aushandlung des Kaufvertrages wurde über das Wegerecht nicht gesprochen. Im Kaufvertrag vom 28. 2. 1996 wurde im § 2c vereinbart, dass der Verkäufer keine Gewähr für eine bestimmte Beschaffenheit oder ein bestimmtes Erträgnis der Liegenschaft leistet, wohl aber dafür, dass die kaufgegenständliche Liegenschaft frei von bücherlichen Lasten und außerbücherlichen Geldlasten ist, sowie frei von Bestandrechten jeglicher Art und geräumt von Fahrnissen sowie frei von jeglichen Nutzungsrechten auf den Käufer übergeht. Weiters ist im § 8 des Kaufvertrages vereinbart, dass Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen. Mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen.

Nach dem Kauf hat der Kläger im Bereich des Grundstückes 505/6 die Beschotterung vorgenommen und im Zuge seiner Bautätigkeit ab Juli 1998 einen Aushub vorgenommen, dies im südlichen Bereich der Grundstücke 505/7 und 505/8. Der Aushub wurde eingeschottert und verdichtet. Der Kläger hat bei der Gemeinde G***** den Bau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück 505/7 beantragt. Es erfolgte eine sogenannte Baufreistellung, dh es haben alle Eigentümer der Nachbargrundstücke auf dem Einreichplan unterfertigt, sodass eine Bauverhandlung entfallen konnte. Auch der Beklagte hat den Plan unterfertigt. Der Kläger hat mit seiner Baubeschreibung auch beantragt, dass er Einfriedungen gegenüber den Nachbargrundstücken, beispielsweise auch dem Grundstück 505/3 durchführen kann.

Der Beklagte fährt von der Bundesstraße über das Weggrundstück 505/6 über die südwestlich gelegene Einfahrt am Servitutsweg zu seinem Hof auf dem Grundstück 505/3 zu. Er kann dies nicht anders tun, weil er mit Wirtschaftsfuhren im Hof nicht umdrehen kann, wenn er über das Hofeingangstor von der Gössendorfer Hauptstraße zufährt. Der Weg 505/6 hat zuvor zum Gutsbestand 505/3 gehört. Der Beklagte musste dem Kläger eine Zufahrt geben, deswegen wurde das Grundstück 505/6 abgetrennt. Der Beklagte ist dagegen, dass der Kläger im südlichen Bereich seines Servitutsweges einen Zaun errichtet. Der Beklagte fährt schon seit zweiundvierzig Jahren von der Hauptstraße über das Grundstück 505/6 zu seinem Grundstück 505/3 zu, auch seine Vorgänger machten es so. Um zum Grundstück 505/1 zu gelangen, fährt der Beklagte im westlichen Bereich der Liegenschaft 505/3 Richtung Süden und dann auf das Grundstück 505/6 und dann benützt er den Servitutsweg zum Grundstück 505/1. Seit 1996 hatte niemand etwas dagegen, wenn er so gefahren ist. Erst jetzt (vor Prozessbeginn) wurde das Ganze streitig. Bei der Errichtung des Servitutsvertrages ist man nie auf die Idee gekommen, dass dem Beklagten die Zufahrt vom Grundstück 505/3 auf das Grundstück 505/6 verboten wird.

Das Erstgericht gelangte zum Ergebnis, der Kläger habe immer gewusst, dass der Beklagte über den Wiesenstreifen 505/6 zu seinem Bauernhof, somit zu seinen Grundstücken 505/3 und .78 zugefahren sei. Es sei irrelevant, dass zum Zeitpunkt der Vermessung der Weg zwar nicht erkannt werden konnte, dies zufolge der Schneelage, weil der Kläger immer schon gewusst habe, dass es den Wiesenstreifen 505/6 in unbefestigter Form als Weg schon immer gegeben habe. Ungeachtet des Wissens des Klägers sei durch Vereinbarung das Entstehen eines Wegerechts zu Gunsten der Grundstücke 505/3 und .78 nicht ausgeschlossen worden. Es sei daher auf Grund der Übereignung eine Dienstbarkeit zu Gunsten der Grundstücke 505/3 und .78 entstanden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil im Sinne der Klagsstattgebung ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000,--, jedoch nicht S 260.000,-- übersteigt und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen, insbesondere auch jene über das Wissen des Klägers von der Hofzufahrt des Beklagten über den Wiesenstreifen, und führte zur Rechtsrüge folgendes aus:

Ein Überblick über die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zeige, dass die unmittelbare Entstehung einer Dienstbarkeit durch einen Übertragungsakt eine offenkundige bzw zumindest ersichtliche "Anlage", aus der der Zweck des Dienens erkennbar sei, voraussetze. Im vorliegenden Fall sei zum Zeitpunkt der Übertragung (Februar 1996) nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes auf dem Grundstück 505/6 kein Weg erkennbar gewesen und habe es auch keine Fahrspuren gegeben. Somit sei zum Zeitpunkt der Übertragung auch keine Anlage vorhanden gewesen, die den Zweck des Dienens erkennen hätte lassen. Nur das Wissen des Klägers, dass der Beklagte vor dem Verkauf über den Wiesenstreifen zu seinem Bauernhof zugefahren sei, reiche zur unmittelbaren Entstehung einer Dienstbarkeit (hier Wegerecht, wobei der Umfang des Fahrrechts noch erörterungsbedürftig wäre), nicht aus.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen gewesen, weil zur Rechtsfrage, ob auch ohne ersichtliche Anlage bereits das Wissen eines Erwerbers, dass ein Grundstücksteil vor seinem Verkauf an einem anderen Grundstücksteil als Zufahrt gedient habe, zur Begründung einer Dienstbarkeit ausreiche, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das abweisende Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision, die er überdies für unzulässig hält, nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil die Rechtslage einer Klarstellung bedarf; sie ist auch berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Satz 3 ZPO).

In seiner Rechtsrüge macht der Beklagte zusammengefasst geltend, das Wissen des Klägers von der Wegbenützung reiche aus, um dem Beklagten das Recht zum Fahren auf seinen Bauernhof wie bisher zu gewährleisten.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

In der im Kaufvertrag vom 28. 2. 1996 enthaltenen Servitutsvereinbarung ist als herrschendes Grundstück lediglich Nr 505/1 angeführt, nicht hingegen die Hofliegenschaft des Beklagten 505/3 und 78. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen wusste der Kläger, dass der Beklagte über den Wiesenstreifen 505/6 (auch) zu seinem Bauernhof zugefahren ist. Bei der Aushandlung des Kaufvertrages wurde über das Wegerecht nicht gesprochen. Auf die Idee, dass dem Beklagten die Zufahrt vom Grundstück 505/3 auf das Grundstück 505/6 verboten werde, kam man bei der Vertragserrichtung nie. Unter diesen Umständen ist es trotz der vertraglichen Nennung allein des Grundstücks 505/1 als herrschend nicht ausgeschlossen, eine stillschweigende Servitutsbegründung auch zu Gunsten der Hofliegenschaft 505/3 und 78 in Betracht zu ziehen.

Nach ständiger Rechtsprechung entsteht bei Übereignung einer von zwei

Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig der

anderen dient und weiterhin dienen soll, eine Dienstbarkeit auch ohne

spezifische Vereinbarung und Verbücherung. Dabei wird angenommen,

dass der mittels des Übertragungsaktes tatsächlich geschaffene

Zustand der Natur einer Dienstbarkeit entspricht und die

Dienstbarkeit somit unmittelbar durch den Übertragungsakt entsteht,

weil im Zweifel anzunehmen ist, dass ein bestehender Zustand

aufrechterhalten bleiben und demnach die Eigentümerbefugnis als

Grunddienstbarkeit fortbestehen soll. Im Zeitpunkt der Übereignung

des dienenden Grundstückes müssen Anlagen vorhanden sein, die den

Zweck des Dienens offenkundig machen. Der Erwerber der dienenden

Liegenschaft muss somit die bisher faktisch bestehende Dienstbarkeit

entweder gekannt haben oder er hätte sie wegen ihrer Offenkundigkeit

zumindest kennen müssen (1 Ob 292/98t = NZ 1999, 223 mwN; 6 Ob 79/98f

= MietSlg 50.236; 1 Ob 58/97d = MietSlg 49.026; RIS-Justiz RS0011643,

RS0011618; vgl Kiendl-Wendner in Schwimann, ABGB2 § 480 Rz 3, § 481 Rz 6, 7).

Diese Rechtsprechung ist dahin zu verstehen, dass es auf die durch Anlagen offenkundigen Verhältnisse nur für das Kennenmüssen des Erwerbers ankommt. Hatte der Erwerber hingegen ohnehin positive Kenntnis von der faktisch bestehenden Dienstbarkeit, ist das Vorhandensein von Anlagen im Übereignungszeitpunkt nicht von Bedeutung, weil der Erwerber dann eines solchen Hinweises gar nicht bedurfte.

Im vorliegenden Fall wusste der Kläger, dass der Beklagte über den Wiesenstreifen 505/6 (durch die hintere, der Hauptstraße abgekehrte Einfahrt) zu seinem Bauernhof (Grundstück 505/3 und 78) zugefahren ist. Der Annahme einer stillschweigenden Dienstbarkeitsbestellung steht es daher nicht entgegen, dass bei Übereignung (unter den damaligen winterlichen Verhältnissen) keine Fahrspuren zu sehen waren.

Auf die Art und Weise der Wegerechtsnutzung (nur für landwirtschaftliche Fahrzeuge oder auch für PKW) muss bei der Prüfung des vorliegenden Klagebegehrens, dass hierauf nicht Bezug nimmt, nicht eingegangen werden.

Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes erweist sich somit als zutreffend, weshalb dessen Urteil wiederherzustellen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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