Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im angefochtenen Umfang (Sommerurlaubs-Besuchsrecht des Vaters) aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern des am 8. 12. 1993 geborenen Kindes wurde 1996 geschieden. Die Obsorge steht der Mutter zu. 1997 schlossen die Eltern vor dem Jugendamt eine pflegschaftsgerichtlich genehmigte Vereinbarung, dass der Vater sein Kind alle 14 Tage von Samstag, 08.00 Uhr bis Sonntag, 21.00 Uhr sowie in der Zeit vom 25. 12. 1997 bis 10. 1. 1998 besuchen kann.
Am 13. 8. 1999 beantragte der Vater ua die Festsetzung eines Besuchsrechts von vier Wochen im Juli eines jeden Jahres, beginnend am ersten Samstag. Das Kind sei im Sommer 1998 von Anfang Juni bis September bei den mütterlichen Großeltern in Ungarn gewesen und auch im Juli 1999 dorthin gebracht worden, wo es bis 30. 9. 1999 bleiben solle. Dadurch könne er sein Wochenendbesuchsrecht nicht ausreichend ausüben.
Das Erstgericht setzte im ersten Rechtsgang das Besuchsrecht des Vaters für den Juli eines jeden Jahres in der Dauer von zwei Wochen fest und wies das Mehrbegehren ab. Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es dem Vater das beantragte Sommerbesuchsrecht von vier Wochen zusprach. Der erkennende Senat hob die Entscheidungen der Vorinstanzen im Umfang der zwei Wochen übersteigenden Besuchsrechtsregelung für den Juli eines jeden Jahres wegen Nichtigkeit auf. Der Antrag des Vaters war der Mutter nicht zur Kenntnis gebracht worden (6 Ob 9/00t, ON 54).
In ihrer Äußerung (ON 60) zum Besuchsrechtsantrag erhob die Mutter schwere Vorwürfe gegen den Vater. Dieser vernachlässige das Kind bei der Ausübung des Besuchsrechts an den Wochenenden. Das Kind werde irritiert und sei Bettnässer. Der Vater halte sich nicht an die vereinbarten Zeiten und hole das Kind zu spät ab oder bringe es zu spät zurück. Es hätte aggressive Auftritte des Vaters im Kindergarten gegeben. Er übe einen psychologischen Druck auf das Kind aus und hetze es gegen die Mutter auf. Er verleite es zum Lügen. Der Vater wolle ein ausgedehnteres Urlaubsbesuchsrecht, obwohl er im Juli 1999 das Kind zu seinen Eltern gebracht habe.
In seiner Gegenäußerung (ON 68) bestritt der Vater im Wesentlichen nur die Tatsachenbehauptungen der Mutter. Diese hintertreibe das Besuchsrecht des Vaters. Sie werde das Kind auch im Jahr 2000 im Sommer drei Monate zu den Großeltern in Ungarn "abschieben".
Das Erstgericht holte eine Stellungnahme des Jugendamts ein, aus der zu den von den Eltern vorgetragenen srittigen Tatumständen nichts hervorgeht. Das Jugendamt bestätigte nur den aus den Schriftsätzen der Eltern ohnedies hervorgehenden Umstand, dass diese "momentan in einer konfliktreichen Phase" seien und ohne Unterstützung des Jugendamts keine Besuchsrechtsvereinbarung treffen könnten (ON 73).
Neben der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung des Antrags des Vaters auf Einräumung eines Besuchsrechts für die Zeit vom 15. bis 24. 4. 2000 wies das Erstgericht ohne jede Erhebung des von den Eltern behaupteten strittigen Sachverhalts den Antrag des Vaters auf Einräumung eines zwei Wochen im Juli eines jeden Jahres übersteigenden Urlaubsbesuchsrechts ab. Es stellte sehr eingehend den bisherigen Gang des Verfahrens und das Vorbringen der Eltern fest, traf im Übrigen aber nur folgende Feststellungen:
Das Kind werde im Haushalt der Mutter ordnungsgemäß versorgt und betreut. Der Vater besuche das Kind gerne und habe zu ihm ein gutes Verhältnis. Die Beziehung zum Kind sei tragfähig und stabil. Das Kind habe im Juli 1999 bereits zwei Wochen mit dem Vater verbracht. Das Verhältnis der Eltern zueinander sei derzeit gespannt und konfliktreich. Dies stelle eine Belastung für das Kind dar. An den Besuchswochenenden komme es offenbar immer wieder zu Schwierigkeiten, wobei nicht festgestellt werden könne, ob diese mehr von der Mutter oder vom Vater ausgingen. Die Eltern seien mit einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Jugendamt einverstanden.
In rechtlicher Hinsicht verwies das Erstgericht auf die Rechtsprechung, die das Sommerurlaubs-Besuchsrecht bei Kindern über sechs Jahren mit 14 Tagen festsetze. Konkrete Gründe, warum hier von diesem Ausmaß abgegangen werden sollte, seien nicht aufgezeigt worden.
Das Rekursgericht gab auch im zweiten Rechtsgang dem Rekurs des Vaters Folge und setzte das Sommerurlaubs-Besuchsrecht mit vier Wochen im Juli eines jeden Jahres fest. Es verwies auf die tragfähige Beziehung zwischen dem Vater und dem Kind, das gerne seinen Vater besuche. Das gute Verhältnis sei zu intensivieren. Der Minderjährige sei längere Abwesenheiten von seiner Mutter gewohnt, weil er 1998 und 1999 jeweils mehrere Wochen bei den Großeltern in Ungarn verbracht habe.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Mutter die Abänderung dahin, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig. Er ist auch im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.
Die Mutter erblickt eine Nichtigkeit des Verfahrens darin, dass ihr die Gegenäußerung des Vaters (ON 68) zu ihrer Äußerung (ON 60) zum Besuchsrechtsantrag des Vaters vor der Entscheidung erster Instanz nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. Dies trifft zwar zu, begründet aber keine Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, weil die Gegenäußerung des Vaters im Wesentlichen nur in der Bestreitung des Tatsachenvorbringens der Mutter bestand.
Es liegt aber die weiters gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens infolge Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes vor:
Vorauszuschicken ist, dass die Entscheidung über das Ausmaß des Besuchsrechtes eines Elternteils grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalles abhängt, sodass eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG nur dann vorliegen kann, wenn leitende Grundsätze der Rechtsprechung nicht beachtet oder das Wohl des Kindes verletzt wurden (9 Ob 2024/96d). Das Ferienbesuchsrecht ermöglicht das längere Beisammensein des Kindes und des nicht obsorgeberechtigten Elternteils und setzt eine tragfähige Eltern-Kind-Beziehung und regelmäßige Besuchskontakte voraus (Schwimann in Schwimann ABGB2 Rz 16 zu § 148 mwN). Unter diesen - hier auch vorliegenden - Voraussetzungen setzen die Gerichte zweiter Instanz bei Kindern ab dem 6. Lebensjahr in der Regel ein Ferienbesuchsrecht von zwei Wochen fest, was vom Obersten Gerichtshof gebilligt wird, auch wenn mit der Besuchsrechtsausübung gewisse Irritationen des Kindes verbunden sein sollten (3 Ob 83/98x). Das Rekursgericht hat hier ein über das übliche Maß hinausgehendes längeres Ferienbesuchsrecht des Vaters festgelegt. Der erkennende Senat hat grundsätzlich keine Einwände gegen die Zulässigkeit einer solchen Anordnung, wenn triftige Gründe hiefür sprechen. Keinesfalls ist beim Ferienbesuchsrecht (im Sommer) aber davon auszugehen, dass die durch die Schulferien vorgegebene Zeitspanne rein arithmetisch zu gleichen Teilen auf die Elternteile aufzuteilen wäre (so schon 6 Ob 830/83; Schwimann aaO). Für ein längeres Besuchsrecht des Vaters können besondere Gründe sprechen, etwa nur die bei ihm bestehende Möglichkeit einer für die Bildung und die Förderung der Interessen des Kindes nützlichen längeren Reise. Ein anderer Grund für ein längeres Besuchsrecht des nicht obsorgeberechtigten Elternteils könnte in dessen besserer Eignung liegen, die allenfalls erforderliche Schulvorbereitung des Kindes in den Ferien zu fördern. Der erkennende Senat schließt somit das vom Rekursgericht festgesetzte unüblich lange Ferienbesuchsrecht generell nicht aus.
Das Rekursgericht hat seine Entscheidung primär mit dem von ihm selbst festgestellten Umstand begründet, dass die Mutter das Kind sowohl 1998 als auch 1999 mehrere Wochen (in den Sommerferien) bei den Großeltern in Ungarn untergebracht habe. Diese Feststellung wurde zwar ohne Erhebungen der Vorinstanzen getroffen. Die Mutter hat aber die schon im Antrag des Vaters vom 13. 8. 1999 (ON 39) aufgestellte Behauptung, das Kind wäre von Anfang Juni bis Anfang September 1998 bei den mütterlichen Großeltern in Ungarn gewesen, nicht bestritten und bekämpft auch im Revisionsrekurs die angeführte Feststellung des Rekursgerichtes nicht. Dies ist allerdings nicht ausreichend, um schon von der vom Vater offenkundig ins Treffen geführten Vernachlässigung des Kindes durch die Mutter während der Sommerferien ausgehen zu können. Immerhin könnte ein für ein längeres Besuchsrecht des Vaters sprechender Sachverhalt vorliegen, wenn die Mutter das Kind nahezu die gesamte Ferienzeit (außer in den 14 Tagen, in denen der Vater sein Besuchsrecht ausübt) der Pflege ihrer Eltern überlässt, sodass sich zwangsläufig die Frage stellt, ob das Kindeswohl besser durch eine Intensivierung der Beziehung zum Vater entsprochen wird als durch eine intensive Betreuung der Großeltern, die damit die Obsorgeverpflichtungen der Mutter erfüllen. In diese Richtung hätte das Erstgericht auch ohne konkrete Parteibehauptungen nach dem Untersuchungsgrundsatz des § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG Erhebungen durch Vernehmung beider Elternteile durchzuführen gehabt. Dabei wären zumindest die Fragen zu klären gewesen, wie der Vater sein längeres Ferienbesuchsrecht zu gestalten beabsichtigt, wie lange das Kind von den mütterlichen Großeltern ohne Beisein der Mutter betreut und wie diese Betreuung durchgeführt wurde. Schließlich wären Feststellungen über den Schulerfolg und die Interessen des Kindes erforderlich. Ein Absehen von diesen Erhebungen kann jedenfalls nicht damit begründet werden, dass ein 14 Tage übersteigendes Ferienbesuchsrecht keinesfalls in Frage komme, weil eine solche Ansicht weder dem Gesetz noch der oberstgerichtlichen Rechtsprechung, die immer von den Umständen des Einzelfalls und dem Kindeswohl ausgeht, entnommen werden kann.
Das Verfahren ist schließlich wegen der Gewichtigkeit der erhobenen wechselseitigen Vorwürfe vorrangig deshalb noch nicht spruchreif, weil diese entgegen dem tragenden Grundsatz der amtswegigen Erforschungspflicht überhaupt nicht geprüft wurden. Sollten sich die Vorwürfe der Mutter (beispielsweise das behauptete Aufhetzen des Kindes und die Anleitung zum Lügen durch den Vater) als berechtigt erweisen, wäre dies sogar Anlass, die gänzliche Aussetzung des Besuchsrechts des Vaters ins Auge zu fassen (die Mutter ließ freilich widersprüchlich das Ferienbesuchsrecht des Vaters von 14 Tagen unbekämpft, woraus der Schluss zu ziehen ist, dass die Vorwürfe wohl doch nicht so gravierend sein können). Stimmten die Vorwürfe des Vaters (etwa die Hintertreibung des regelmäßigen Besuchsrechts oder das Abschieben des Kindes über drei Monate zu den Großeltern und die behauptete Drohung mit Schlägen) bestünden Zweifel an der Erziehungsfähigkeit und Erziehungswilligkeit der Mutter. Der erkennende Senat verkennt nicht, dass die wechselseitigen Vorwürfe, die auf dem Rücken des Kindes ausgetragen werden, in der vom Jugendamt hervorgehobenen besonderen Konfliktsituation der Eltern ihre Gründe haben und allenfalls in übertriebener Form ausgedrückt wurden. Solange sich die Eltern aber nicht zu einer einvernehmlichen Lösung der strittigen Besuchsrechtsregelung verstehen, hat das Pflegschaftsgericht den behaupteten, dem Kindeswohl abträglichen Sachverhalt zu erheben und darüber mit begründeter Beweiswürdigung Feststellungen zu treffen. Das Verfahren über den schon am 13. 8. 1999 gestellten Besuchsrechtsantrag des Vaters ist daher auch im zweiten Rechtsgang noch nicht spruchreif.
Der im Rechtsmittel gestellte Aufhebungsantrag zur Verfahrensergänzung ist berechtigt.
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