Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass wird jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch B. sowie demgemäß auch im Strafausspruch - einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung, aber mit Ausnahme des Adhäsionserkennnisses - aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter P***** (auch P*****), geborener P*****, (zu A. I. und II.) als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB zum Verbrechen des teils (richtig) vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 und 15 StGB sowie (zu B.) des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er
(zu A.) am 9. Mai 1999 in Wien dadurch, dass er mit dem Vorsatz, sich oder andere unrechtmäßig zu bereichern, die unter A. I. 1. bis 5. des Urteilsspruchs bezeichneten Kreditkarten "skimmte" (darunter ist das Auslesen der auf einer Kreditkarte gespeicherten Daten mit Hilfe eines Magnetstreifenlesegerätes und eines Laptops zu verstehen - vgl US 7) und das verwendete Magnetlesegerät mit den gespeicherten Daten ca zwei Tage später an unbekannt gebliebene Täter weitergab, zur Ausführung deren strafbaren Handlungen beigetragen, die vom 11. bis 31. Mai 1999 in Österreich, Ungarn und in der Türkei mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten zu bereichern, Angestellte verschiedener Geschäftsinhaber durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung (richtig) gefälschter Urkunden, indem sie bei Vorlage jeweils vorspiegelten, berechtigte Inhaber der missbräuchlich duplizitierten Kreditkarten zu sein, zur Ausfolgung von Waren und zur Erbringung von Leistungen, sohin zu Handlungen, teils verleitet, teils zu verleiten versucht, welche nachgenannte Firmen in einem 500.000 S übersteigenden Betrag an ihren Vermögen schädigen sollten und im Betrag von 300.173,91 S auch tatsächlich schädigten, nämlich die V***** Service Kreditkarten AG (A. I. 1. und 2.) um einen Betrag von 32.877,51 S (durch die Verwendung der gefälschten Kreditkarten des Rainer J***** - Schaden 15.313,77 S, und des Rudolf C***** - Schaden 17.543,74 S), die D*****-Club Austria AG (A. I. 4. und 5.) um einen Betrag von 267.296,40 S (Verwendung der gefälschten Kreditkarten des Klaus M***** - Schaden 108.527,50 S - und der Ingeborg L***** - Schaden 158.768,90 S), sowie die V***** Service Kreditkarten AG (II.) insgesamt um einen Betrag von 1,665.133,58 S (weitere Verwendung der gefälschten Kreditkarte des Rainer J*****) schädigen sollten;
(zu B.) vom 10. Juni 1995 bis 28. Jänner 2000 in Wien und anderen Orten seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber den minderjährigen ehelichen Kindern Jesinka und Marko (richtig: S 21 und 93 des einbezogenen Aktes 9 U 395/96 des Jugendgerichtshofes Wien - ON 24/I) P***** dadurch gröblich verletzt, dass er keine Unterhaltszahlungen leistete und es unterließ, einem Erwerb nachzugehen, der ihm die Erfüllung dieser Verpflichtung ermöglicht hätte, und dadurch bewirkt, dass der Unterhalt der Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre.
Auf die hiefür verhängte (teilbedingte) Freiheitsstrafe rechnete das Erstgericht dem Angeklaten gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB die Vorhaft vom 12. Juni 1999, 7 Uhr 35, bis zum 27. September 1999, 14 Uhr 45 an. Gemäß § 369 Abs 1 StPO verurteilte es ihn überdies, den privatbeteiligten Firmen V***** Service Kreditkarten AG 32.877,51 S und der D***** Club Austria AG 267.296,40 S zu zahlen.
Dagegen erhob der Angeklagte - zu beiden Schuldsprüchen getrennt - Nichtigkeitsbeschwerde jeweils aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO, der jedoch keine Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Der Mängelrüge (Z 5) und einem Teil der Rechtsrüge zum Schuldspruch A. zuwider begründen die Erkenntnisrichter die Feststellung, der Angeklagte habe die Herbeiführung eines Schadens von über 500.000 S durch die unbekannten Täter ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden (US 9 zweiter Absatz), deutlich, zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und im Einklang mit den Denkgesetzen. Soweit er - mit Blick auf ein von ihm angenommenes Kreditkartenlimit von jeweils nur 5.000 S - die subjektive Tatseite in Bezug auf die Schadensqualifikation des § 147 Abs 3 StGB in Abrede stellt, lehnten die Tatrichter diese Verantwortung in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) mit mängelfreier Begründung als unglaubwürdig deshalb ab, weil er in Kenntnis der kriminellen Logistik sowie der nachfolgenden (von ihm nicht mehr beschränkbaren und kontrollierbaren) betrügerischen Verwendung insgesamt fünf Kreditkarten "skimmte" und die solcherart widerrechtlich erlangten Daten an eine kriminelle Bande ihm unbekannter Täter weitergab (US 10). Angesichts dessen sowie der (von der Beschwerde allerdings unberücksichtigt gelassenen) Tatsache, dass mit der V***** Card des Rainer J***** eine Vielzahl von (letztlich erfolglosen) Scheingeschäften abgeschlossen wurde (US 8 f, 11), geht die - den vom Tatgericht in seine Annahmen einbezogenen Umstand wiederholter Verwendung gefälschter Kreditkarten (US 10) vernachlässigende - weitere Beschwerdekritik und die daran geknüpfte Forderung nach einer Feststellung, welches Limit die einzelnen Kreditkarten tatächlich gehabt haben, an den erstgerichtlichen Urteilstatsachen vorbei.
Demnach stellt sich das gesamte Vorbringen nach Inhalt und Zielrichtung bloß als eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung dar, ohne einen formalen Begründungsfehler aufzuzeigen.
Mit der Behauptung, bei der im Schuldspruch A. II. umschriebenen Tat handle es sich um einen "absolut untauglichen Versuch", weil es ausgeschlossen sei, ohne Autorisierung einen "einzelnen" Umsatz in Höhe von 1,665.133,58 S zu tätigen, argumentiert der Nichtigkeitswerber nicht auf Basis der unmissverständlich festgestellten Tatsache, dass mit der gefälschten Kreditkarte des Rainer J***** versucht wurde, durch eine "Vielzahl von Transaktionen" den inkriminierten Betrag geltend zu machen, wobei nur von wenigen "Firmen" immer wieder Beträge von gleicher Höhe verbucht wurden und die geplanten "Betrügereien" nur deshalb scheiterten, weil die V***** Service Kreditkarten AG wegen mangelhafter Autorisierung die Zahlung verweigerte (abermals US 8 f). Des weiteren unterlässt die Beschwerde jegliche sachbezogene Auseinandersetzung mit der Frage, warum den festgestellten Tatsachen zuwider dennoch die mehrfachen, nur zufällig gescheiterten Betrugsversuche unter keinen Umständen zum Erfolg geführt hätten.
Entgegen der Mängelrüge (Z 5) zum Vergehen nach § 198 Abs 1 StGB (B.) stützt sich das Tatgericht zur Begründung des Schuldspruchs nicht allein auf die geständige Verantwortung des Angeklagten, sondern zudem auf die Zeugenaussage der informierten Vertreterin des Amtes für Jugend und Familie, Sonja T***** (US 11). Dabei lässt es keineswegs unberücksichtigt, dass sich der Beschwerdeführer ab Anfang 1990 oft in Rumänien aufgehalten hat (US 7).
Mit dem pauschalen Einwand einer unvollständigen Urteilsbegründung, weil nicht darauf Bezug genommen werde, "welche Umstände" dazu geführt haben, dass er keine Unterhaltszahlungen geleistet hat, wird der formale Nichtigkeitsgrund mangels einer sachbezogenen Erörterung nicht prozessordnungsgemäß dargetan; konnte das Erstgericht doch - insoweit auch unbekämpft - feststellen, dass der Rechtsmittelwerber nach dem Gutachten des Sachverständigen Dris. S***** während des gesamten Deliktszeitraums aus gesundheitlichen Gründen sehr wohl in der Lage gewesen wäre, leichte bis mittelschwere Arbeiten zu verrichten, und tatsächlich zeitweise auch aushilfsweise beschäftigt war, aber dennoch keine Unterhaltsleistungen erbrachte (US 9 f und 11), sodass der Gesamtrückstand per 31. Jänner 2000 auf 283.200 S anwuchs (S 154/II).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) reklamiert undifferenziert (für den gesamten Tatzeitraum) die (fallbezogen ohnehin keinen entscheidenden Umstand berührende) Konstatierung, "wieviel" der Angeklagte im Tatzeitraum verdient habe. Der weitere, gleichfalls nur allgemein erhobene Vorwurf fehlender Konstatierungen dazu, "ob" es ihm überhaupt möglich war, "den Kindesunterhalt" zu leisten, übergeht zum einen, dass ihm gar nicht vorgeworfen wird, den gesamten Unterhaltsbetrag von monatlich 4.800 S nicht gezahlt, sondern (in Übereinstimmung mit seiner Verantwortung) über mehrere Jahre hinweg überhaupt keine, also nicht einmal teilweise, Unterhaltsleistungen erbracht und es unterlassen zu haben, einem Erwerb nachzugehen, der ihm die Erfüllung dieser Verpflichtung ermöglicht hätte (US 5 iVm US 10, 11), obwohl er dazu nach den Urteilsfeststellungen bei gebotener, konkret auch zumutbarer Anspannung (vgl hiezu Markel in WK2 § 198 Rz 7 ff, 50 f) - zumindest zeitweise - durchaus in der Lage gewesen wäre (US 10). Zum anderen fehlt in der Beschwerde jeglicher Hinweis auf konkrete Beweiswergebnisse, welche die vermissten Feststellungen zur objektiven Tatseite indizieren.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Dem vermag die bloß die Durchführung eines Gerichtstages zur öffentlichen Verhandlung über die Rechtsmittel fordernde Äußerung des Verteidigers zur Stellungnahme des Generalprokurators (§ 35 Abs 2 StPO) nichts entgegen zu setzen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 290 Abs 1 StPO) überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon, dass im Schuldspruch B. das Gesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet wurde.
Während der Zeit, in der sich der Unterhaltspflichtige in polizeilicher oder gerichtlicher Haft oder im Krankenhaus befindet, ist es ihm nicht möglich, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das Unterlassen von Unterhaltszahlungen begründet daher in diesen Zeiträumen in der Regel keine gröbliche Pflichtverletzung, sodass es diesbezüglich bereits am objektiven Tatbestand des § 198 Abs 1 StGB mangelt. Darüberhinaus ist dem Unterhaltspflichtigen nach der Entlassung aus der Haft und/oder Spitalspflege ein angemessener Zeitraum zur Arbeitsbeschaffung zuzubilligen, innerhalb dessen eine Zahlungssäumnis des Unterhaltsschuldners gleichfalls (grundsätzlich) als nicht tatbildlich anzusehen ist (vgl Markel aaO Rz 51, 54 f, Leukauf/Steininger Komm3 RN 29, Foregger/Fabrizy StGB7 Rz 5 jeweils zu § 198; 11 Os 123, 124/98, 15 Os 185/99).
Nach dem Akteninhalt befand sich Peter P***** während des ihm angelasteten Deliktszeitraums erwiesenermaßen vom 12. Juni 1999, 7 Uhr 35, bis 27. September 1999, 14 Uhr 45, in Verwahrungs- und Untersuchungshaft (vgl US 6). Es finden sich weiters Hinweise dafür, dass er sich vom 22. Mai 1997 bis 18. August 1997 in Ungarn in Polizeihaft (vgl S 97, 208 des einbezogenen Aktes, AZ 9 U 395/96 des Jugendgerichtshofes Wien) sowie von August bis September 1998 in Rumänien in Spitalspflege befand (S 256 des vorbezeichneten U-Aktes). Dieses für die Schuldfrage wesentliche Vorbringen insbesondere über die Polizeihaft in Ungarn und den Krankenhausaufenthalt in Rumänien einschließlich jeweils einer angemessenen Zeit zur Arbeitsbeschaffung blieb jedoch bisher ungeprüft und in den Entscheidungsgründen ebenso wie die Zeit der gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB angerechneten Vorhaft unberücksichtigt. Es mangelt aber auch an (positiven oder negativen) Feststellungen darüber, ob der Angeklagte während dieser Zeiten auf Grund seiner Vermögenssituation dennoch in der Lage gewesen wäre, den Unterhalt für seine beiden ehelichen Kinder zumindest teilweise zu leisten.
Im aufgezeigten Umfang haftet demnach dem Urteil der sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkende Nichtigkeitsgrund gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO an. Da dieser von keiner der beiden Prozessparteien geltend gemacht wurde, ist er gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen. Die zur verlässlichen Beurteilung des Vorliegens des Tatbestandes nach § 198 Abs 1 StGB fehlenden, sich teilweise schon aus der Aktenlage ergebenden, teilweise erst nach Ergänzung des Beweisverfahrens zu treffenden (und mängelfrei zu begründenden) Konstatierungen darf der Oberste Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, wegen der strikten Bindung an den erstgerichtlichen Urteilssachverhalt nicht nachholen. Daraus folgen (§ 285e StPO) die Kassierung (wegen des Sachzusammenhangs) des gesamten Schuldspruchs B., des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie die Verweisung des Angeklagten mit seiner Berufung auf diese Entscheidung. Das zum Schuldspruch A. ergangene Adhäsionserkenntnis bleibt hingegen von der (teilweisen) Urteilsaufhebung unberührt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Nicht nachvollziehbar ist Punkt 1. der Rechtsmittelanträge (S 215/II), "nach § 288a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten". Denn diese Bestimmung stellt ausdrücklich nur auf den Nichtigkeitsgrund des § 281a StPO ab. Im vorliegenden Fall konnte dieser gar nicht verwirklicht werden, weil kein Gerichtshof zweiter Instanz die Versetzung in den Anklagestand ausgesprochen hat, vielmehr wurde die am 22. November 1999 dem Verteidiger zugestellte Anklageschrift der Staatsanwaltschaft (ON 57/II) nach Verstreichen der 14tägigen Einspruchsfrist rechtswirksam.
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