Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Übrigen (in den Freisprüchen) unberührt bleibt, im Schuld- und Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Die Rechtsanwältin Dr. Ute M***** wurde des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat sie am 19. Dezember 1985 in Klagenfurt ein Gut, das ihr anvertraut worden ist, und zwar 537.950,91 S Bargeld, ihrer Klientin Maria O***** durch Realisieren des Sparbuches mit der Nr 60202253***** der Creditanstalt-Bankverein sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.
Der Schuldspruch erging abweichend von der Anklageschrift, welche nicht (schon) die Realisierung des Sparbuches (durch Transferierung auf ein anderes Konto), sondern (erst) die einzelnen (bis 26.1.1994 reichenden) Behebungen von diesem [(A) IV. 1.) bis 8.)] als Veruntreuung bezeichnet hatte.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten stützt sich auf Z 4, 5, 5a und 9 (zu ergänzen: lit b) des § 281 Abs 1 StPO; ihr kommt Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend behauptet die Rechtsrüge (Z 9 lit b) Feststellungsmängel zu den tatsächlichen Voraussetzungen einer allenfalls vorliegenden Verjährung der Strafbarkeit.
Wie die Beschwerde nämlich richtig ausführt, wurde die den Schuldspruch betreffende Anzeige (ON 6a) erst im Jänner 1996, sohin erst nach Ablauf der am 19. Dezember 1995 endenden zehnjährigen Verjährungsfrist des § 57 Abs 3 StGB erstattet. Der im Urteil bezeichnete erste gegen die Beschwerdeführerin gerichtete gerichtliche Verfolgungsschritt vom 18. Dezember 1995 (richtig: 19. Dezember 1995, Tag der Abgabe an die Gerichtskanzlei - S 3 im Antrags- und Verfügungsbogen) betraf einen völlig anderen Sachverhalt
(ON 2), hinsichtlich welchen die Staatsanwaltschaft letztlich keinen Grund zur weiteren Verfolgung gefunden hat (S 3m des Antrags- und Verfügungsbogens).
Das Erstgericht hat allerdings auf Grund der undifferenzierten Annahme einer bereits am 18. Dezember 1995 begründeten Gerichtsanhängigkeit (US 21) unbeachtet gelassen, dass eine Fortlaufshemmung der Verjährung nach § 58 Abs 3 Z 2 StGB nur dann eintritt, sobald gegen den Täter ein Strafverfahren wegen der Tat bei Gericht anhängig ist. Dieses gerichtliche Verfahren muss demnach entweder ausschließlich oder doch zumindest auch wegen dieser anhängig sein. Bezieht es sich hingegen auf andere Straftaten, so hemmt es den Fortlauf der Verjährungsfrist nicht (Leukauf/Steininger Komm3 § 58 RN 25). Eine Gerichtsanhängigkeit des dem Schuldspruch zugrunde liegenden Sachverhaltes ist daher erst ab einem nach der derzeitigen Aktenlage nicht sicher feststellbaren Tag zwischen dem 7. März 1996 (Einlangen der Antragstellung bei Gericht) und der Osterwoche 1996, einem im Amtsvermerk des Untersuchungsrichters genannten Zeitraum, gegeben gewesen, als dieser erstmals Telefonate zwecks Ladung zur letztlich dann am 30. April 1996 erfolgten gerichtlichen Vernehmung der Beschwerdeführerin als Beschuldigte zur Anzeige ON 6a führte (S 3 verso, 3a des Antrags- und Verfügungsbogens, S 31 verso/I).
Demnach wäre - so auch die Beschwerde - der Urteilsvorwurf verjährt; zur verlässlichen Beurteilung mangelt es jedoch noch an weiteren Feststellungen:
In der Anklageschrift wurden der Beschwerdeführerin weitere auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Straftaten, nämlich weitere Veruntreuungshandlungen von Geldbeträgen ihrer Klientin Maria O***** zur Last gelegt, und zwar (außer den vor der Urteilstat liegenden Anklagefakten A I. 1. und 2.) zwischen 31. Jänner 1986 und 26. Jänner 1994 (Anklagefaktum A II. 1 bis 8). Diese Fakten sowie die Fakten B (Urkundenunterdrückung) und C der Anklageschrift (Vergehen nach dem Waffengesetz) wurden in der Hauptverhandlung gemäß § 57 StPO zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen ausgeschieden (S 317/II).
Weiters hat sich die Staatsanwaltschaft (in Ansehung der zufolge S 27/II Pkt E) und ON 57 indizierten, über den Umfang der Anklageschrift hinausgehenden Tathandlungen nach § 133 Abs 1 und 2 StGB "die Verfolgung vorbehalten" (S 3m des Antrags- und Verfügungsbogens). Dieser Verfolgungsvorbehalt betrifft die zwischen 1986 und dem 6. März 1996 erfolgte gänzliche Behebung des gesamten Guthabens (ursprünglich 100.000 S) des Sparbuches mit der Nr 199*****.
Die Erledigung der von der Ausscheidung und dem Verfolgungsvorbehalt betroffenen Vorwürfe ist den Akten nicht zu entnehmen, sie könnten - soweit sie auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen und nach der Urteilstat liegen (A II., teilweise B sowie Handlungen im Sinne des Verfolgungsvorbehaltes) - eine Ablaufhemmung gemäß § 58 Abs 2 StGB der abgeurteilten Tat bewirkt haben. Ausgehend vom Anklagesachverhalt hätte nämlich die Verjährungsfrist für die Abhebungen vom Konto 196***** (später: 00 606 19 6616 der Gewerbe- und Handelsbank Klagenfurt) mit Ablauf des 26. Jänner 1994 (Anklagefaktum A II. 8.) und betreffend die Abhebung vom Sparbuch 199***** (Faktum des Verfolgungsvorbehaltes) erst mit Ablauf des 6. März 1996 begonnen.
Da diese zur Klärung allfälliger Verjährungshemmung notwendigen Feststellungen durch den Obersten Gerichtshof nicht nachgeholt werden können, zeigt sich, dass die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung erforderlich ist, zumal bei den über das Schuldspruchfaktum hinausgehenden aktenmäßig noch unerledigt gebliebenen Tatvorwürfen schuldspruchsmäßige Feststellungen einschlägiger Nachtaten innerhalb der Verjährungsfrist der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Straftat nicht auszuschließen sind.
Somit war - in Übereinstimmung mit der Meinung der Generalprokuratur - der Rechtsrüge Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das hinsichtlich der Teilfreisprüche unberührt zu bleiben hatte, im Schuldspruch und Strafausspruch bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben und dem Erstgericht die neue Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung aufzutragen (§ 285e StPO).
Zu beachten wird sein, dass eine allfällige ablaufhemmende Wirkung (bloß) an die Begehung der Nachtat während der Verjährungsfrist für die Vortat geknüpft ist, nicht jedoch auch an deren Aburteilung. Dass der Täter die Nachtat begangen hat, muss jedoch schuldspruchmäßig festgestellt werden oder worden sein (Leukauf/Steininger Komm3 § 58 RN 14).
Mit ihren Berufungen waren die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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