Spruch:
Die vom Bezirksgericht Reutte verfügte Übertragung der Zuständigkeit in der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Neumarkt bei Salzburg wird genehmigt.
Text
Begründung
Die Zuständigkeit in der vormals beim Bezirksgericht Hopfgarten anhängigen Pflegschaftssache wurde am 4. 6. 1991 aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Hopfgarten vom 8. 5. 1991 vom Bezirksgericht Reutte übernommen, weil das Kind im Sprengel dieses Gerichtes aufhältig war.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Reutte vom 13. 9. 1996 wurde über den Minderjährigen die volle Erziehung im Sinne des § 14 TJWG durch Unterbringung in einer Kinderdorf-Familie angeordnet. Diese Maßnahme ist aufrecht. Der Minderjährige befindet sich nach wie vor im SOS-Kinderdorf in Seekirchen bei Salzburg, sohin im Sprengel des Bezirksgerichtes Neumarkt.
Die nach Deutschland verzogene und dort in Oberau wohnende Kindesmutter beantragte im Mai 2000 die Aufhebung der mit Beschluss vom 13. 9. 1996 verfügten Maßnahme mit der Begründung, dass die Unterbringung bei ihr infolge geänderter Verhältnisse dem Wohle des Kindes besser entspreche.
Das Bezirksgericht Reutte hat mit Beschluss vom 5. 6. 2000 infolge des ständigen Aufenthaltes des Minderjährigen im Sprengel des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg die Übertragung der Zuständigkeit an dieses Bezirksgericht beschlossen und ausgesprochen, dass die Übertragung mit der Übernahme wirksam wird.
Das Bezirksgericht Neumarkt verweigerte die Übernahme der Zuständigkeit, da sich nur das Kind, sonst aber kein Verfahrensbeteiligter in seinem Sprengel aufhalte und auch die Aufenthaltsdauer im Kinderdorf ungewiss sei.
Gemäß § 111 Abs 2 JN hat das Bezirksgericht Reutte den Akt zur Genehmigung der Übertragung dem Obersten Gerichtshof vorgelegt.
Rechtliche Beurteilung
Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache für Minderjährige ist immer das Kindeswohl (RIS-Justiz RS0047074). Dabei wird der pflegschaftsgerichtliche Schutz in der Regel am besten durch das Gericht gewährleistet, in dessen Sprengel sich das Kind aufhält (EFSlg 82.108; 6 Nd 502/99). Offene Anträge hindern eine Übertragung der Pflegschaftssache grundsätzlich nicht (EFSlg 85.188).
Es ist daher kein Hinderungsgrund für die Übertragung der Pflegschaft, dass sich nur das Kind im Sprengel des Bezirksgerichtes Neumarkt aufhält, weil gerade diesem Umstand die zentrale Bedeutung für die Zulässigkeit der Übertragung zukommt. Nicht entscheidend ist, dass sich kein weiterer Verfahrensbeteiligter sich im Sprengel des übertragenen Gerichtes befindet, weil dies auch für das Bezirksgericht Reutte zutrifft; die Mutter ist im Ausland wohnhaft. Eine ungewisse Aufenthaltsdauer des Kindes im Kinderdorf bildet ebenfalls kein Übertragungshindernis, weil ungewisse in der Zukunft vielleicht eintretende Änderungen der Verhältnisse für den Übertragungszeitpunkt keine Wirksamkeit entfalten.
Die Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht des Aufenthaltsortes des Kindes war zu genehmigen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)