OGH 6Ob125/00a

OGH6Ob125/00a28.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Baumann, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei T***** AG, ***** vertreten durch Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei A*****, vertreten durch Dr. Harald Bisanz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Widerruf von Behauptungen, über 1. den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 25. November 1999, GZ 21 R 394/99k und 21 R 550/99a-30 (Punkt I. und II.), womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Schwechat vom 12. Mai 1999, GZ 2 C 700/99f-4, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, und womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Schwechat vom 19. Juli 1999, GZ 2 C 700/99f-16, teils aufgehoben und teils der Rekurs der gefährdeten Partei zurückgewiesen wurde, sowie 2. über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 25. November 1999, GZ 21 R 551/99y-30 (Punkt III.), womit das Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 19. Juli 1999, GZ 2 C 700/99f-15, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Das klagende Luftfahrtunternehmen beschäftigt eine größere Zahl von Piloten (Flugkapitänen) und Copiloten, die im Unternehmen zu Piloten ausgebildet werden. Nach dem für das Beschäftigungsverhältnis gültigen Kollektivvertrag besteht eine "Senioritätsregelung" für das Cockpitpersonal. Die Beförderung der Copiloten zu Flugkapitänen hat nach der Seniorität zu erfolgen, wenn der betreffende Angestellte die für die gestellten Aufgaben notwendigen Qualifikationen aufweist. Der Copilot muss über eine Mindestflugerfahrung verfügen und ein firmeninternes Ausbildungsprogramm erfolgreich absolviert haben. Diese Ausbildung dauert bei der Klägerin rund drei Monate. Der Vereinszweck des beklagten Vereins besteht unter anderem in der Mitwirkung der Regelung der Arbeitsbedingungen für Verkehrspiloten und in der Wahrung der Interessen der Vereinsmitglieder (Berufspiloten) bei Behörden und (arbeitgebenden) Luftverkehrsgesellschaften. Das an seinen Dachverband und andere Adressaten gerichtete Schreiben des Beklagten vom 3. 5. 1999 weist unter anderem folgende Textstellen auf:

"Aufgrund unzufriedenstellender Ergebnisse langfristiger Verhandlungen zur Verbesserung der unter dem Industriestandard liegenden Arbeitsbedingungen bei T***** ersucht die A***** um die Verhängung eines Bewerbungsboykotts gemäß IFALPA-I-Manual Chapter 2, der sich nur auf Kapitänspositionen bezieht. In letzter Zeit haben sich zahlreiche Kapitäne der T***** dazu entschlossen, Jobs mit besseren Arbeitsbedingungen anzunehmen, wodurch die "Regionalfluglinie des Jahres" bei weitem nicht mehr über genügend Piloten verfügt. Als Überbrückungsmaßnahme versuchen T*****, Zeit- und Vollzeit-Kapitäne zum direkten Eintritt anzustellen, wobei Copiloten ihre Senioritätsrechte vorenthalten werden ..."

Die Klägerin begehrte mit der Unterlassungsklage und dem gleichlautenden Sicherungsantrag, gestützt auf § 1330 ABGB, die Unterlassung der Behauptungen, dass "die Arbeitsbedingungen bei T***** unter dem Industriestandard liegen" und dass "T***** ihren Copiloten Senioritätsrecht vorenthält". Mit dem Urteilsantrag, nicht aber mit dem Sicherungsantrag, wird auch der Widerruf dieser Behauptungen beantragt.

Das Erstgericht hat 1. mit dem Beschluss vom 12. 5. 1999 (ON 4) die beantragte einstweilige Verfügung erlassen; 2. mit dem Beschluss vom 19. 7. 1999 (ON 16) die einstweilige Verfügung über Widerspruch des Beklagten aufgehoben; 3. mit dem Urteil vom 19. 7. 1999 (ON 15) das Klagebegehren abgewiesen.

Das Gericht zweiter Instanz entschied über die Rechtsmittel der Parteien wie folgt:

1. Dem Rekurs des Beklagten gegen die einstweilige Verfügung wurde teilweise Folge gegeben, das Unterlassungsbegehren über die die Arbeitsbedingungen betreffende Behauptung abgewiesen und die einstweilige Verfügung in Ansehung der zweiten Behauptung (über die Verletzung der Senioritätsrechte) bestätigt;

2. der Rekurs der Klägerin gegen die Aufhebung der einstweiligen Verfügung wurde in Ansehung der die Arbeitsbedingungen betreffenden Behauptungen (mangels Beschwer) zurückgewiesen; im Übrigen wurde dem Rekurs Folge gegeben und der Aufhebungsbeschluss des Erstgerichtes zur Verfahrensergänzung aufgehoben;

3. der Berufung der Klägerin wurde teilweise Folge gegeben, die Abweisung des Klagebegehrens (Unterlassung und Widerruf) hinsichtlich der die Arbeitsbedingungen treffenden Behauptung mit Teilurteil bestätigt und in Ansehung der zweiten Behauptung das Ersturteil zur Verfahrensergänzung mit Beschluss aufgehoben.

Das Rekurs- und Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils 52.000 S, aber nicht 260.000 S übersteige, und erklärte in allen Fällen ein ordentliches Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

Die Entscheidungen über die Abweisung der Begehren in Ansehung der die Arbeitsbedingungen betreffenden Behauptung erwuchsen in Rechtskraft.

Mit seinem Revisionsrekurs wendet sich der Beklagte

a) gegen die Bestätigung der einstweiligen Verfügung mit dem Abänderungsantrag, dass ihr Rekurs gegen die einstweilige Verfügung zur Gänze (mangels Beschwer) zurückgewiesen werde; hilfsweise dass dem Rekurs zur Gänze Folge gegeben und der Sicherungsantrag abgewiesen werde;

b) gegen die Entscheidung im Aufhebungsverfahren über den Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Sicherungsantrag zur Gänze abgewiesen (richtig: dass die einstweilige Verfügung zur Gänze aufgehoben) werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag zur Verfahrensergänzung durch das Rekursgericht gestellt.

Mit seinem Rekurs beantragt der Beklagte, den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, dass das Urteil erster Instanz wieder hergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Sämtliche Rechtsmittel sind entgegen den den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Aussprüchen der zweiten Instanz nicht zulässig:

1. Zum Revisionsrekurs gegen die teilweise Stattgebung des Sicherungsantrages:

Die Klägerin behauptet, den Kollektivvertrag in seiner Bestimmung über die Senioritätsrechte der Copiloten nicht verletzt zu haben. Dies stellte das Erstgericht in seiner einstweiligen Verfügung aufgrund der Aussage der einzigen angebotenen Auskunftsperson fest. Es ist nicht bedenklich, dass die bekämpfte Feststellung nur aufgrund einer einzigen Aussage getroffen wurde. Die vom Beklagten angestrebte "intensive Auseinandersetzung" mit dem Thema war schon aufgrund fehlenden Parteivorbringens der Klägerin, aber auch mangels Sachsubstrats in der rufschädigenden Äußerung des Beklagten gar nicht möglich. Eine "Verbreiterung" der Sachverhaltsgrundlage erfolgte erst im Verfahren über den Widerspruch des Beklagten gegen die einstweilige Verfügung.

Insoweit der Beklagte mit dem Revisionsrekurs die Zurückweisung seines eigenen Rekurses gegen die einstweilige Verfügung anstrebt, weil das Rechtsschutzinteresse infolge Aufhebung der einstweiligen Verfügung mit der Widerspruchsentscheidung ON 16 weggefallen sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Beschwer schon wegen der möglichen Schadenersatzansprüche des Beklagten nach § 394 EO noch nicht weggefallen war (EFSlg 46.775; JBl 1996, 599; 6 Ob 250/99d) und dass dies im Fall der Aufhebung einer einstweiligen Verfügung durch eine Verfügung nach § 399 EO wegen neuer im Widerspruchsverfahren geltend gemachter Tatsachen jedenfalls auch dann gilt, wenn die Aufhebung nur ex nunc wirkt, sodass das Rechtsschutzinteresse des Beklagten auf Beseitigung der einstweiligen Verfügung mit Wirkung ex tunc zu bejahen ist.

Insoweit im Revisionsrekurs das Fehlen einer Gefahrenbescheinigung und das Fehlen von Behauptungen der Klägerin zur Wiederholungsgefahr releviert wird, ist dem die ständige Judikatur entgegenzuhalten, dass bei Angriffen gegen die Ehre die Bescheinigung eines unwiederbringlichen Schadens iSd § 381 Z 2 EO nicht erforderlich ist (MR 1996, 105 [Korn]; 6 Ob 173/98d ua) und dass es dem Beklagten obliegt, den Wegfall der Wiederholungsgefahr zu behaupten und nachzuweisen (so schon SZ 52/99 uva). Dass sicherungsweise kein Widerruf begehrt wurde, ändert nichts daran, dass die Klägerin einen Unterlassungsanspruch zum Schutz vor künftigen weiteren ehrverletzenden und rufschädigenden Äußerungen hat.

2. Zum Revisionsrekurs gegen die Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses gemäß § 399 EO auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung:

Der Beklagte hat zur Richtigkeit seines Vorwurfs der Verletzung des Senioritätsprinzips durch die Klägerin im Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung den Umstand ins Treffen geführt, dass der Klägerin für die Schulung der Copiloten genügend Zeit zur Verfügung gestanden sei, sodass sie nicht fremde Piloten einstellen hätte müssen. Dem setzte die Klägerin entgegen, dass es 1999 in kurzer Zeit und unvorhersehbar Austritte mehrerer Piloten gegeben hätte. Wenn das Rekursgericht das Verfahren zu diesem Beweisthema für ergänzungsbedürftig hielt, beruht dies auf keiner rechtlichen Fehlbeurteilung. Der Beklagte bleibt für seine Behauptung, die Verfahrensergänzung übersteige die "Grenzen des Bescheinigungsverfahrens" eine triftige Begründung schuldig. Mit paraten Bescheinigungsmitteln kann jedenfalls auch ein umfangreiches Bescheinigungsverfahren durchgeführt werden.

Rechtsfragen erheblicher Bedeutung werden insoweit nicht releviert.

3. Zum Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes:

Der Beklagte anerkennt grundsätzlich die Bedeutung der Frage, ob die Klägerin von einer Austrittswelle mehrerer Flugkapitäne schuldlos überrascht wurde oder ob ihr bei der Planung der Schulung der Copiloten Versäumnisse vorzuwerfen sind. Die Ansicht des Beklagten, dass schon auf der Basis der getroffenen Feststellungen die entscheidungswesentliche Rechtsfrage beurteilt werden könnte, kann ebensowenig geteilt werden, wie die Auffassung, dass das Berufungsgericht ohne Verfahrensergänzung Feststellungen schon aufgrund der Aussage des Präsidenten des Beklagten nachtragen hätte können. Dies wäre nur unter Wahrung der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 488 ZPO möglich gewesen. Zwar legt § 496 Abs 3 ZPO dem Berufungsgericht grundsätzlich die Pflicht zur Verfahrensergänzung auf, wenn nicht die in der zitierten Gesetzesstelle angeführten Voraussetzungen für die Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht erster Instanz vorliegen. In diese Richtung führt der Revisionswerber aber sein Rechtsmittel nicht aus.

Dass schon deshalb Spruchreife im Sinne einer Klageabweisung deshalb vorliege, weil die Klägerin auch bei einem unverschuldeten Personalengpass keinesfalls fremde Flugkapitäne, sondern zur Wahrung der Rechte der Copiloten nur Leihpersonal einstellen hätte dürfen, ist eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Frage der Auslegung der Bestimmung des Kollektivvertrages. Das vom Berufungsgericht gewonnene Auslegungsergebnis stellt keine unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und der Einzelfallgerechtigkeit aufgreifbare rechtliche Fehlbeurteilung dar.

Mangels erheblicher Rechtsfragen waren sämtliche Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.

Im Sicherungsverfahren hat die Gegnerin der gefährdeten Partei die Kosten ihres unzulässigen Rechtsmittels selbst zu tragen (§§ 78, 402 EO iVm §§ 40, 50 ZPO), ebenso die gefährdete Partei, weil sie auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels nicht hingewiesen hat.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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