OGH 14Os69/00

OGH14Os69/0027.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Redl als Schriftführer, in der Jugendstrafsache gegen Claudia K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Veronika H***** und Günther K***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft (hinsichtlich Günther K*****) gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 16. Feber 2000, GZ 4 Vr 3.368/99-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Nichtigkeitsbeschwerden sowie die Berufung der Angeklagten Veronika H***** "wegen Schuld" und die Berufung des Angeklagten Günther K***** werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten Veronika H***** wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten Veronika H***** und Günther K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Verfahrens über ihre Rechtsmittel zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Veronika H***** und Günther K***** der Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Bandendiebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 2 und 4, 129 Z 2, 130 zweiter und vierter Fall, 15 StGB, teils als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB (A) sowie des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (C), Günther K***** als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB (D), sowie des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Soweit im Rechtsmittelverfahren hier von Bedeutung hat Veronika H***** im Juli 1998 in Graz einer bislang unbekannten Geschädigten mit Gewalt (gegen ihre Person) Bargeld in unbekannter, jedoch 1.000 S übersteigender Höhe und eine Handtasche in unbekanntem Wert mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie ihr die Handtasche heftig von der Schulter riss, sodass jene zu Boden stürzte (C), nachdem sie durch Günther K***** und die unter einem rechtskräftig verurteilte Claudia K***** durch die Aufforderung, der Frau die Handtasche zu entreissen, zu der Tat bestimmt worden war (D).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Günther K*****:

Dieser Angeklagte meldete zwar rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 38), führte diese Rechtsmittel nach Zustellung einer Urteilsausfertigung an seinen Verteidiger (Rückschein bei S 3g verso) jedoch nicht aus.

Rechtliche Beurteilung

Da auch bei der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde eine Determinierung der Nichtigkeitsgründe auf die vom Gesetz verlangte Weise unterblieb, war die Beschwerde schon in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1 Z 1, 285a Z 2 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Veronika H*****:

Sie wendet sich lediglich gegen den Schuldspruch wegen Raubes (C) und macht die Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a (inhaltlich: 10) und 9 lit b StPO geltend.

Ihrer Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) ist vorerst zuzustimmen, dass für die erstgerichtliche Konstatierung, es sei davon auszugehen, dass der Gesamtwert der Beute über 1.000 S lag (US 18) keine Gründe angegeben sind. Dieser Ausspruch betrifft indes keine für die angestrebte Subsumtion unter das Tatbild des minderschweren Raubes nach § 142 Abs 2 StGB (Z 9 lit a, inhaltlich Z 10) entscheidende Tatsache: Die Beschwerdeführerin übergeht nämlich mit ihrer nicht auf den Fall bezugnehmenden These, "die Überwindung des Widerstandes gegen die Sachwegnahme ohne unmittelbaren körperlichen Kontakt zwischen Täter und Opfer beim Entreissen der Handtasche könne nicht als Anwendung erheblicher Gewalt beurteilt werden", die Urteilsfeststellungen (US 17), dass die Rechtsmittelwerberin als Größte, Stärkste und Mutigste der Angeklagten der von ihrem Angriff völlig überraschten betagten, auf einen Gehstock gestützten Frau die Handtasche von der Schulter riss, wobei das Opfer zwar noch versuchte, Widerstand zu leisten, um die Tasche festzuhalten, jedoch durch das heftige Wegreissen das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte, wobei es laut um Hilfe schrie und weinte.

Indem sie sohin nur eine der Voraussetzungen des minderschweren Raubes, welche nach dem Gesetz kumulativ vorliegen müssen, nämlich, dass dieser an einer Sache geringen Werts begangen wird, nicht aber die zitierte konstatierte Heftigkeit der Gewaltanwendung und der überraschenden Attacke (US 19) konkret bekämpft, sich sohin nicht am gesamten Urteilssachverhalt orientiert, verfehlt sie eine prozessordnungsgemäße Darstellung der Rechtsrüge.

Der Mängelrüge zuwider wurden die die Verantwortung der Angeklagten stützenden Angaben Günther K*****, sie hätte die Handtasche nach der Tat in einen Mistkübel geworfen, vom Erstgericht - wenngleich knapp - erörtert (US 18 f), ihnen aber mit Blick auf die auch sich selbst belastenden Depositionen der Mitangeklagten Claudia K*****, welche - zwangsläufig einen Widerruf frührer leugnender Aussagen inkludierend (S 29) - eine "Lebensbeichte" ablegte, logisch und empirisch einwandfrei der Glauben versagt (US 19).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit b) letztlich einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch moniert, übergeht sie neuerlich prozessordnungswidrig die maßgeblichen, eine Tatvollendung annehmenden Urteilskonstatierungen (US 18).

Zu den Berufungen:

Jene der Angeklagten Veronika H***** wegen Schuld war zurückzuweisen, weil ein derartiges Rechtsmittel im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen ist.

Auf die angemeldete und in der Folge nicht ausgeführte Berufung des Angeklagten Günther K***** war keine Rücksicht zu nehmen, weil er nicht erklärte, ob er sich durch den Ausspruch über die Strafe oder durch den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche (Zuspruch von 1.400 S an den Privatbeteiligten B***** GesmbH; US 11) beschwert erachte (§ 294 Abs 2 StPO).

Über die gegen diesen Angeklagten gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft und jene Veronika H***** wegen des Ausspruchs über die Strafe wird das Oberlandesgericht Graz zu befinden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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