OGH 8ObA261/99m

OGH8ObA261/99m8.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Bukovec und Dr. Anton Wladar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter S*****, vertreten durch Dr. Gerlinde Dellhorn, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Österreichische Bundesbahnen, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Juni 1999, GZ 8 Ra 28/99t-28, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 9. November 1998, GZ 18 Cga 127/96v-23, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 14. 7. 1944 geborene Kläger, der bei der beklagten Partei seit 1973 beschäftigt und 1977 in ein definitives Dienstverhältnis übernommen worden war, wurde vorerst als Omnibuslenker verwendet und wegen verschiedener disziplinärer Vergehen Ende März 1994 vorerst nicht dauernd als angelernter Arbeiter in die Kraftwagenbetriebsleitung Wien versetzt, wo er für Tätigkeiten im Rahmen der sogenannten "Hofpartie" eingesetzt wurde. Diese Gruppe dient als Arbeitsplatz für an anderen Dienststellen beschäftigte Bedienstete mit disziplinären Problemen oder Krankheitsproblemen, war aber nicht von vornherein nur als Überbrückungsbeschäftigung gedacht. Ihr oblagen körperlich betonte Arbeiten nach Art eines "Hausarbeiters" in Form von Reinigungsarbeiten an Gebäuden und Fahrzeugen sowie das Ausmalen von Räumen, Pflege von Gartenflächen und Schneiden von Holz. Der Beklagte war zuletzt mit der Innenreinigung von Bussen befasst, wobei es zu einer Arbeitsteilung in der Form kam, dass ein anderer Arbeiter Überkopfarbeiten wie das Reinigen des Wagenhimmels vornahm. Der Kläger erachtete sich zwar durch andere ihm zuvor aufgetragene Arbeiten, wie den Tankdienst wegen des Hebens schwerer Deckel oder das Rasenmähen, nicht aber durch die Innenreinigung der Busse für überfordert.

Seit Mitte Mai 1994 war der Kläger wiederholt und langdauernd im Krankenstand, und zwar insgesamt 1994 269 Tage und 1995 164 Tage; er hatte sich zwei operativen Eingriffen und mehreren Krankenhausaufenthalten zu unterziehen.

Ende Juni 1995 wurde er verkehrspsychologisch untersucht; nach diesem Gutachten war er nicht mehr für die erhöhten Anforderungen beim Lenken der Kraftfahrzeuge der Gruppe C geeignet, jedoch noch als angelernter Arbeiter einsetzbar; hiebei waren ihm nur mehr Arbeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 15 kg und ohne Heben des rechten Armes über Kopfhöhe mit einer Häufigkeit von mehr als 6 bis 8 mal in der Stunde zumutbar. Infolge dieses Gutachtens wurde der Kläger mit 16. 8. 1995 endgültig auf den Dienstposten eines angelernten Arbeiters versetzt.

Im August 1995 berief sich der Kläger dem Leiter seiner Dienststelle gegenüber vor allem darauf, dass er schwere Operationen hinter sich habe, die eine beschränkte Einsatzmöglichkeit seiner rechten Hand zur Folge hätten. Konkret angeschaffte Arbeiten führt der Kläger aber jeweils durch.

Der Dienstvorgesetzte wertete die "Explosion der Krankenstände" als Flucht in die Krankheit, um sich einem unangenehmen Arbeitseinsatz zu entziehen. Der Kläger war der einzige, der in der Werkstätte, in der er zuletzt beschäftigt war, derart lange Krankenstände hatte. Wäre der Kläger häufiger im Dienst gewesen, hätte der Leiter der Dienststelle keinen Grund für Maßnahmen gesehen. So aber wurde der Kläger mit Ablauf des 30. 9. 1995 unter Berufung auf § 130 Abs 2 lit e DO ÖBB gegen seinen Willen in den dauernden Ruhestand versetzt. Seiner Vorstellung dagegen wurde von seinem Dienstgeber unter Hinweis auf die überdurchschnittlich häufigen langen Krankenstände und die mit den dienstlichen Interessen nicht mehr zu vereinbarenden Produktionsausfälle nicht stattgegeben.

An der Arbeitsstätte des Klägers, der Regionalleitung Ost der beklagten Partei, gab und gibt es Arbeitsplätze, die dem Leistungskalkül des Klägers entsprechen. Arbeitsplätze im Bereich der Fahrzeugreinigung erfordern grundsätzlich kein schwereres Heben und Tragen als 15 kg, vielmehr sind die Reinigungsarbeiten nach Art einer Bedienerin mit Kübel und Wischtuch vorzunehmen. Grundsätzlich ist bei der Innenreinigung auch der Fahrzeughimmel zu reinigen und fallen an sich kalkülsüberschreitende Überkopfarbeiten an. Es besteht aber organisatorisch die Möglichkeit, den Reinigungsdienst so zu strukturieren, dass sich ein Teil der Putztruppe auf Reinigungsarbeiten ohne Überkopfarbeiten beschränkt, während andere, diesbezüglich nicht eingeschränkte Bedienstete die Überkopfarbeiten verrichten. Der Kläger wäre daher in seiner zuletzt eingesetzten Verwendung weiterhin einsetzbar und auch als Reinigungsarbeiter nicht überflüssig.

Die Vorinstanzen hielten das Klagebegehren des Klägers auf Feststellung des Fortbestandes des aktiven Dienstverhältnisses für berechtigt; die Versetzung in den dauernden Ruhestand sei rechtswidrig. Über das Eventualbegehren betreffend die Höhe des Ruhegenusses müsse daher nicht entschieden werden.

Rechtliche Beurteilung

Der in der Revision der beklagten Partei geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor; es handelt sich um bereits vom Berufungsgericht verneinte Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die nicht noch einmal an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden können. Die beklagte Partei versucht hiermit nur unzulässigerweise die Feststellungen der Vorinstanzen zu bekämpfen, dass der Kläger an seinem zuletzt zugewiesenen Arbeitsplatz (Innenreinigung von Autobussen) noch einsetzbar ist und dass die Arbeit so organisiert werden kann, dass der Kläger nicht mit der "kalkülsüberschreitenden" Reingung der Decken der Omnibusse befasst werden muss.

Auch die vom Erstgericht übernommene rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend, sodass es im Wesentlichen genügt, hierauf zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Es liegt kein sekundärer Verfahrensmangel auf Grund unrichtiger rechtlicher Beurteilung vor.

Den diesbezüglichen Revisionsausführungen der beklagten Partei ist, soweit sie sich nicht ohnedies vom festgestellten Sachverhalt entfernen und daher - ebenso wie bereits der größte Teil der Rechtsrüge in der Berufung - nicht ordnungsgemäß ausgeführt ist, entgegenzuhalten:

Für den definitiv gestellten Kläger gilt die DO ÖBB, die trotz ihrer Verlautbarung im Bundesgesetzblatt kein Gesetz, sondern eine ausschließlich nach Privatrecht zu beurteilende Vertragsgrundlage der Einzeldienstverträge und gleich einem Kollektivvertrag nach den §§ 6 und 7 ABGB auszulegen ist (Arb 8560; 9310; 10352 ua; zuletzt ebenfalls eine Pensionierung betreffend 9 ObA 157/87).

Deren § 130 regelt die Versetzung in den dauernden Ruhestand. Nach dessen Abs 2 kann jeder Beamte von Dienstes wegen ua (- soweit dies für den vorliegenden Fall relevant ist -) in den dauernden Ruhestand versetzt werden, wenn er wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig wurde (Abs 2 lit a in Verbindung mit Abs 1 lit b), er durch Krankheit ein Jahr ununterbrochen an der Ausübung des Dienstes verhindert wurde und seine Wiederverwendung nicht zu gewärtigen (lit c) oder wenn das Interesse des Dienstes seine Entfernung vom Dienst erheischt, ohne dass durch Versetzung auf einen anderen Dienstposten gleichen Ranges Abhilfe getroffen werden kann (lit e).

Die Voraussetzungen des § 130 Abs 2 lit a und c liegen nicht vor. Deshalb wurde der Kläger wohl nach § 130 Abs 2 lit e DO ÖBB in den dauernden Ruhestand versetzt. Hiebei berief sich die beklagte Partei "vor allem" (es folgen allerdings keine weiteren Gründe) auf die häufigen und lang andauernden Krankenstände und die damit verbundenen Produktionsausfälle, die ein dienstlich nicht mehr vertretbares Ausmaß erreicht hätten (Beilage ./B).

Zu prüfen ist daher, ob langandauernde Krankenstände, die das in lit c genannte Ausmaß aber nicht erreichen, dennoch die Versetzung in den dauernden Ruhestand rechtfertigen, wenn das "dienstliche Interesse" dies erheischt.

Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass aus den genannten Pensionierungsgründen zusammenschauend der Schluss gezogen werden muss, dass eine dienstgeberseitige Versetzung in den dauernden Ruhestand zwar nach lit c bei einem durchgehenden einjährigen Krankenstand ohne weitere Voraussetzungen möglich ist, dass aber nach lit e dieser Bestimmung ohne Hinzutreten weiterer (zB disziplinärer) Umstände Krankenstände, die dieses Ausmaß nicht erreichen, für sich allein, auch wenn sie wie vorliegendenfalls die durchschnittlichen Krankenstandszeiten weit überschreiten, die Pensionierung gegen den Willen des Betroffenen nicht rechtfertigen, mag dies auch den dienstlichen Interessen der beklagten Partei an einem effektiven Einsatz ihrer Bediensteten widersprechen. Entschiede man anders, müsste davon ausgegangen werden, dass es überdurchschnittlich lange Krankenstände gibt, die den Interessen des Dienstgebers zuwiderlaufen und ebensolange Krankenstände, die dies nicht tun. Der Oberste Gerichtshof ist an die in der DO ÖBB genannten, sehr eingeschränkten zwangsweisen Pensionierungsgründe gebunden. Er hat nicht das Recht, diese erweiternd auszulegen, nur weil der Kläger nicht mehr optimal und umfassend eingesetzt werden kann. Die nur beschränkte Möglichkeit, derartige "Problemdienstnehmer" zu pensionieren, ist Folge der genannten Regelung der DO ÖBB.

Da nach den getroffenen Feststellungen der Kläger in der Lage und auch Willens ist, die ihm zuletzt zugeteilten Arbeiten im Reinigungsdienst auszuüben, wenn auf seine Behinderung (keine Überkopfarbeiten) Bedacht genommen wird, was festgestelltermaßen möglich ist, ist eine Versetzung auf einen anderen Dienstort gleichen Ranges nicht nötig; es muss daher schon aus diesem Grund nicht geprüft werden, ob ein solcher Ersatzposten vorhanden wäre. Hinzu kommt, dass die überlangen Krankenstände des Klägers Zeiten betrafen, in denen er auch mit ihm gesundheitsbedingt nicht mehr zumutbaren Arbeiten im Tankdienst und bei Gartenarbeiten (Rasenmähen) betraut war. Die Zwangspensionierung des Klägers war daher jedenfalls verfrüht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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