OGH 13Os39/00

OGH13Os39/007.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lackner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen August H***** und Helga M***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde beider Angeklagten und die Berufung des Angeklagten August H***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 2. September 1999, GZ 11 Vr 416/96-67, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten August H***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurden August H***** und Helga M***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie (zusammengefasst) in Steyr und anderen Orten teils als Beteiligte (§ 12 StGB) als Betreiber eines "*****Service", lautend auf "August H*****" bzw "Helga M*****", mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, in insgesamt neunzehn Angriffen verschiedene (im Urteil namentlich genannte) Personen durch Täuschung über Tatsachen, indem sie in diversen Printmedien Interessenten ein "sicheres Einkommen" durch den Vertrieb "tiefstpreisiger modischer" Bekleidungsprodukte ohne finanzielle Vorauszahlung und in "absolut seriöser Weise" vorspiegelten und es ihnen gelang, dadurch mit Interessenten Kontakt aufzunehmen, diese in der Folge bei Hausbesichtigungen und Werbeveranstaltungen die Lieferung modischer Ware und von Markenartikeln vorgaben sowie die Möglichkeit von Rückgabe bzw Umtausch unverkäuflicher Ware ankündigten, zum Abschluss von Auftragsverträgen und Ausfolgung von Bankgarantien bzw eines Inhabersparbuches verleitet, wodurch die Getäuschten unter Abzug des tatsächlichen Zeitwertes der gelieferten Waren einen Schaden in einer Höhe von insgesamt 320.000 S erlitten, wobei jeweils die Betrugshandlungen in der Absicht begangen wurden, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Dagegen richten sich die auf die Z 4, 5 und 5a sowie (bei August H***** inhaltlich) 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, die jedoch nicht berechtigt sind.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten August H*****:

Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert unter Hinweis auf § 118 Abs 2 StPO die Ablehnung der beantragten Beiziehung eines zweiten Sachverständigen zum Zwecke der (neuerlichen) Schätzung der gelieferten Textilien, indes zu Unrecht.

Bei Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung hat zwar das Gericht einen zweiten Sachverständigen auch dann zu bestellen, wenn das erste Gutachten weder mangelhaft noch widerspruchsvoll ist (was die Beschwerde hier auch einräumt), doch kann "als schwierig" in der Bedeutung des § 118 Abs 2 StPO die Beobachtung oder Begutachtung in der Regel nur dann angesehen werden, wenn der Sachverständige die ihm vom Gericht vorgelegten Sachfragen entweder gar nicht oder aber nicht mit Bestimmtheit zu beantworten vermag, beides aber war hier nicht der Fall.

Abgesehen davon, dass der Beweisantrag keine entscheidende, nämlich den Schuldspruch (oder den Strafausspruch) betreffende Tatsache betrifft (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 64), weil die Beschwerde gar nicht behauptet, dass nach deren angestrebtem Beweisergebnis der mit insgesamt 320.000 S angelastete Schaden auf 25.000 S oder weniger sinken würde, geht die Beschwerde auch deshalb ins Leere, weil sie eine besondere Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung nicht darzulegen vermag, sie im Kern nach Art einer Schuldberufung und demnach unzulässig die dem Gericht allein anheimgestellte Beurteilung der Schwierigkeit des Falles, der Fähigkeit des Sachverständigen und der Richtigkeit und Schlüssigkeit des Gutachtens, sohin die Beweiswürdigung in Zweifel zieht.

Auch durch die Ablehnung des Beweisantrages auf Einsichtnahme in Rechnungen der Firma S***** über gelieferte Ware wurden Verteidigungsrechte nicht verletzt, weil diese Textilien nicht verfahrensgegenständlich sind, und ohnedies das Erstgericht von der Richtigkeit des Gutachtens auch unter der Prämisse des Warenbezugs bei der Firma S***** ausging (S 318/III).

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine Unvollständigkeit der Begründung der festgestellten generellen wechselseitigen Mithilfe der Angeklagten in den Einzelunternehmungen, unterlässt indes darzulegen, welche der vorgekommenen Beweismittel nicht berücksichtigt worden wären. Aus welchen Gründen die behauptete unvollständige Begründung, sohin ein formeller Nichtigkeitsgrund, auch den materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund eines "sekundären" Feststellungsmangels (den es vorliegend nicht gibt) darstellen soll, bleibt ebenso unerfindlich wie die begründungslos aufgestellte These und damit nicht prozessordnungsgemäß ausgeführte materiellrechtliche Rüge, die pauschale Feststellung über die gleichwertige und gleichinitiative Mitarbeit der Angeklagten in den Einzelunternehmungen reiche für eine rechtliche Beurteilung nicht aus.

Der behauptete Widerspruch im Sinne der Z 5 liegt ebenfalls nicht vor. Ein solcher ist nämlich nur gegeben, wenn Tatsachen festgestellt wurden, welche nebeneinander nicht bestehen können, nicht jedoch, wenn, wie die Beschwerde meint, Feststellungen im (hier in Wirklichkeit gar nicht bestehenden) Widerspruch zu einzelnen Verfahrensergebnissen stehen.

Soweit sich die Rüge gegen die auf dem Sachverständigengutachten beruhende Feststellung der Schadenshöhe (s. auch § 99 StPO) richtet, verkennt sie das Wesen der freien Beweiswürdigung. Diese berechtigt nämlich das Gericht nicht nur "zwingende", sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu ziehen. Wenn also aus formell einwandfreien Prämissen auch für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, sich die Tatrichter aber dennoch für die dem Angeklagten ungünstigeren entschieden haben, liegt ein - mit Mängelrüge nicht anfechtbarer - Akt der freien richterlichen Beweiswürdigung vor. Darauf, dass dieser Beschwerdepunkt keine entscheidende Tatsache, diesfalls die Wertqualifikation, betrifft, wurde bereits hingewiesen.

Schließlich sind auch die Feststellungen über den Ablauf der Werbeveranstaltungen nicht unvollständig begründet geblieben, weil das Erstgericht ohnehin davon ausgegangen ist, dass bei diesen Veranstaltungen auch "Billigware" präsentiert wurde (US 11, 12, 13), was die Beschwerde übersieht.

Die weitere Argumentation (der Sache nach Z 9 lit a), Täuschung und somit Betrug liege zufolge des Anbotes auch von Billigware nicht vor, orientiert sich nicht am gesamten Urteilssachverhalt der eine Vielzahl von Täuschungshandlungen enthält, um (unrechtmäßig) an Bankgarantien bzw Inhabersparbuch der Geschädigten zu gelangen, insbesondere über das quantitative und qualitative Missverhältnis zwischen angebotener und gelieferter Ware, deren Wert und dem Vorsatz der Angeklagten. Demnach entbehrt sie (als Rechtsrüge) einer Ausrichtung an der Strafprozessordnung.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wendet sich gegen die festgestellte Wertigkeit der tatsächlich gelieferten Ware bzw dem Wertverhältnis zwischen billiger und teurer Ware, vermag jedoch keine, sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen deren Richtigkeit aufzuzeigen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Helga M*****:

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Ablehnung der Vernehmung des Zeugen Alois S***** zum Beweis dafür, dass die Waren aus einem Vergleichsgutachten tatsächlich bei dessen Unternehmen eingekauft worden seien. Diesbezüglich genügt es auf die Erledigung der Beschwerde des Erstangeklagten zu verweisen.

Die Beschwerdebehauptung, dass die Vernehmung dieses Zeugen auch geeignet sei, die mangelnde subjektive Tatseite der Angeklagten darzulegen, ist einerseits prozessual verspätet und geht andererseits ins Leere, weil das bloße Unwissen einer Person (ohne dafür umfassende Beobachtungen gemacht zu haben) grundsätzlich keine für eine Zeugenaussage geeignete Tatsache, sondern eine unfundierte Mutmaßung darstellt.

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet zwar eine unvollständige Würdigung der vorliegenden Beweise, zeigt indes keine formalen Begründungsmängel auf, sondern sucht unter isolierter Betrachtung einzelner Erwägungen des Sachverständigen die angenommene Richtigkeit dessen Gutachtens und somit erneut die tatrichterliche Beweiswürdigung - ohne eine entscheidende Tatsache anzusprechen - in Zweifel zu ziehen; Gleiches trifft für die Beschwerdeausführungen zur subjektiven Tatseite der Angeklagten zu.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) richtet sich einmal mehr nach Art einer Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung zum Wissen der Angeklagten um die Minderwertigkeit der Waren.

Dies gilt auch für die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die zwar fehlende Feststellungen zur subjektiven Tatseite releviert, obschon sie selbst diejenigen zur Absicht gewerbsmäßiger Tatbegehung sowie zum Täuschungs- und Schädigungsvorsatz zitiert; die Konstatierung des Vorsatzes unrechtmäßiger Bereicherung ist - fallbezogen und keine andere Deutung zulassend - von diesen Feststellungen im Kontext mit dem Urteilsspruch mitumfasst, was die Beschwerde jedoch außer Acht lässt.

Demnach waren beide Nichtigkeitsbeschwerden schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d), sodass über die weiters erhobene Berufung des Angeklagten August H***** das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden hat (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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