OGH 3Ob324/98p

OGH3Ob324/98p24.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der

minderjährigen Carina S*****, geboren***** 1989, und des

minderjährigen Reinhard S*****, geboren***** 1991, infolge Revisionsrekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 3. September 1998, GZ 20 R 193/98t, 20 R 194/98i-20, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Poysdorf vom 29. Mai 1998, GZ P 22/97w-13 und 14, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Nach der Aktenlage ist Werner K***** als Vater der beiden minderjährigen Carina und Reinhard S***** auf Grund des Beschlusses des Landesgerichts Korneuburg vom 13.11.1997 verpflichtet, ihnen jeweils einen monatlichen Unterhalt von 3.800 S zu bezahlen. Er lebt und arbeitet in der Schweiz und bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von 4.436,25 SFr, welches der Berechnung der Unterhaltsbeträge zugrunde gelegt wurde. Am 4. Mai 1997 erlitt der Unterhaltspflichtige einen Arbeitsunfall. Danach wurden ihm von seinem Arbeitgeber nur mehr 80 % seines Gehaltes ausbezahlt. Über sein Vermögen wurde am 20.3.1998 in der Schweiz der Konkurs eröffnet.

Die beiden Minderjährigen begehrten im gegenständlichen Unterhaltsvorschussverfahren die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 1 UVG in Titelhöhe.

Das Erstgericht gewährte den Minderjährigen mit den Beschlüssen vom 29. Mai 1998 (= ON 13 und 14) Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG in der beantragten Höhe. Es ging davon aus, dass die Führung einer Exekution gegen den Unterhaltspflichtigen aussichtslos erscheine, weil er in der Schweiz lebe und im Inland weder ein Drittschuldner noch verwertbares Vermögen bekannt sei. Überdies sei gegen den Vater beim Konkursamt Luzern-Land seit 20. März 1998 ein Konkursverfahren anhängig.

Dagegen richtete sich der Rekurs des Bundes mit dem Antrag, den Minderjährigen nur Unterhaltsvorschüsse in der Höhe von jeweils 2.500 S monatlich zu gewähren und das Vorschussmehrbegehren abzuweisen. Zudem wurde die Innehaltung mit der darüber hinausgehenden Auszahlung bis zur Rechtskraft der angefochtenen Beschlüsse beantragt.

Das Rekursgericht bestätigte die Beschlüsse des Erstgerichtes und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu der Frage begründeter Bedenken im Sinne des § 7 Abs 1 Z 1 UVG bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen in der Schweiz keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

In rechtlicher Hinsicht meinte es, dass eine Versagung von Unterhaltsvorschüssen nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG an das Bestehen begründeter Bedenken gegen das aufrechte materielle Bestehen des zu bevorschussenden gesetzlichen Unterhaltsanspruchs im titelmäßigen Ausmaß geknüpft werde, eine erwiesene oder bescheinigte materielle Unrichtigkeit jedoch nicht vorausgesetzt werde. Unter Beachtung des Schweizer Schuldbetreibungs- und Konkursrechtes könne die Eröffnung des Konkurses alleine noch keine Bedenken erwecken, die so schwer seien, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für die materielle Unrichtigkeit der titelmäßigen Unterhaltsfestsetzung spreche, weil der Vater weiterhin über seinen Arbeitserwerb frei verfügen könne.

Aus der Aktenlage sei überdies nicht ersichtlich, inwieweit die Erwerbsfähigkeit des Vaters durch den im Mai 1997 erlittenen Arbeitsunfall eingeschränkt und sein Einkommen dadurch gemindert sei, weshalb auch in dieser Hinsicht keine begründeten Bedenken nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG bestünden.

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Bundes ist nicht berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber vertritt die Rechtsansicht, dass begründete Bedenken im Sinne des § 7 Abs 1 Z 1 UVG gegen das Bestehen sowie gegen die Höhe der festgesetzten Unterhaltspflicht vorlägen. Zwar werde das Einkommen des Vaters auf Grund einer Arbeitstätigkeit vom Konkurs nicht erfasst, doch sei für diesen durch die Konkurseröffnung eine ungünstige finanzielle Situation entstanden, welche auch Auswirkungen für die in seinem Haushalt lebenden Angehörigen und für jene Unterhaltsberechtigten habe, für die er Unterhaltsleistungen in Geld erbringen müsse. Überdies seien die Bedenken, die sich daraus ergäben, dass der Unterhaltspflichtige auf Grund eines Arbeitsunfalles nur mehr 80 % seines früheren Einkommens erhalte, nicht berücksichtigt worden.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG sind Unterhaltsvorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, wenn begründete Bedenken bestehen, dass die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist. Der Versagungsgrund hat nicht eine erwiesene oder doch bescheinigte materielle Unrichtigkeit der titelmäßigen Unterhaltsansprüche, auf die die Vorschüsse gewährt werden sollen, zur Voraussetzung, sondern knüpft die Rechtsfolge der Versagung (Herabsetzung oder Einstellung) an das Bestehen begründeter Bedenken gegen den aufrechten materiellen Bestand des zu bevorschussenden gesetzlichen Unterhaltsanspruches im titelmäßigen Ausmaß. Bloß objektiv gerechtfertigte Zweifel reichen zur Versagung nicht hin, vielmehr muss schon eine zur Zeit der Schaffung des Exekutionstitels gegebene oder durch Änderung der Unterhaltsbemessungsgrundlage inzwischen eingetretene Unangemessenheit der titelmäßigen Unterhaltsfestsetzung mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein (EFSlg 87.691 = ÖA 1998, 251/UV 116). Bei der Prüfung der Voraussetzungen dcs § 7 Abs 1 Z 1 UVG ist ein strenger Maßstab anzulegen (EFSlg 87.694 u.a.).

Zur Auswirkung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Unterhaltspflichtigen in Österreich besteht keine einheitliche Rechtsprechung. In der Entscheidung 7 Ob 636/90 (= RZ 1991/44) vertrat der Oberste Gerichtshof die Ansicht, dass eine Konkurseröffnung über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen allein noch nicht die Annahme rechtfertige, dass der im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltsbetrag nicht der materiellen Rechtslage entspreche; es wäre daher zu überprüfen, was dem unterhaltspflichtigen Gemeinschuldner nach § 5 KO überlassen wurde. Nach dieser Bestimmung hat der Unterhaltsschuldner im Falle einer nach inländischen Gesetzen zu beurteilenden Insolvenz auch für seine Familie nur Anspruch auf (Entnahme oder Überlassung von Mitteln für) eine bescheidene Lebensführung.

Diese Ansicht wurde in der Entscheidung 3 Ob 544/92 des Obersten Gerichtshofes (= EFSlg 69.447 = ÖA 1993, 143/UV 58) mit der Begründung abgelehnt, dass es bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Allgemeinen nahe liege und im Normalfall begründete Bedenken bestünden, dass die Unterhaltspflicht nicht mehr in derselben Höhe bestehe, wie sie in einem vor der Insolvenz geschaffenen Exekutionstitel festgelegt wurde.

Im gegenständlichen Verfahren behängt über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen in der Schweiz ein Konkursverfahren, weshalb das Schweizer Schuldbetreibungs- und Konkursrecht zu beachten ist. Gemäß Art 197 Schweizer Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (SchKG) bildet sämtliches Vermögen, das dem Gemeinschuldner zur Zeit der Konkurseröffnung angehört, eine einzige Masse (Konkursmasse), die zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger dient. Ebenso gehört Vermögen, das dem Schuldner vor Schluss des Konkursverfahrens anfällt, gleichfalls in die Konkursmasse. Nicht in die Konkursmasse gehört Vermögen des Gemeinschuldners, soweit es gemäß positiven Bestimmungen (Art 92 SchKG) oder nach der Natur der Sache der Exekution entzogen ist. Nach der Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichtes fällt nach dem Wortlaut des Art 197 SchKG nicht in die Konkursmasse, was der Schuldner während der Dauer des Konkursverfahrens durch seine persönliche Tätigkeit erwirbt, weil der Ausdruck "anfallen" im Sinne des Art 197 SchKG nach allgemeinem Sprachgebrauch einen Vermögenserwerb bezeichne, der nicht auf die persönliche Tätigkeit des Erwerbers zurückzuführen ist (BG 24. September 1946 BGE 72 III 85 f; ebenso Amonn, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechtes5, 316 f; Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht II (1993) 140 ff; Jaeger, Schuldbetreibung und Konkurs II3, 1 f). Keinen Vermögensanfall bilden somit die Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit des Gemeinschuldners, wie Arbeitslohn, Gehalt und Entschädigung wegen vorzeitiger Auflösung eines Arbeitsverhältnisses. Damit wird dem im Schweizer Konkursrecht herrschenden Grundsatz, dass der Gemeinschuldner mit seinem Vermögen, nicht aber mit seiner Arbeitskraft haftet, Ausdruck verliehen.

Daraus folgt, dass der Gemeinschuldner und die ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Personen im vorliegenden Fall - anders als nach österreichischem Recht - nicht bloß Anspruch auf Überlassung von Mitteln für eine bescheidene Lebensführung haben. Es mag zwar zutreffen, dass für den Unterhaltspflichtigen eine Konkurseröffnung grundsätzlich eine finanziell ungünstige Situation entstehen lässt. Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers reicht aber die Eröffnung eines Konkurses in der Schweiz allein auf Grund der voranstehend dargestellten Auswirkungen auf das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht hin, um begründete Bedenken gegen das Bestehen der Unterhaltspflicht zu erwecken. Dem Unterhaltspflichtigen steht sein Arbeitseinkommen weiterhin zur Verfügung, weshalb trotz der Konkurseröffnung davon ausgegangen werden kann, dass der Unterhaltspflichtige keinen dem österreichischen Konkursrecht vergleichbaren Einschränkungen in seiner Lebensführung unterworfen ist. Auch jene Personen, für die er Unterhalt zu leisten hat, erfahren durch die Konkurseröffnung allein in der Schweiz keine Schlechterstellung in ihren Unterhaltsansprüchen.

Die im Revisionsrekurs weiters geäußerten Bedenken gegen das Bestehen der Unterhaltspflicht, weil der Unterhaltspflichtige auf Grund eines Arbeitsunfalls nur mehr 80 % seines früheren Einkommens erhalte, sind ebenfalls nicht zielführend. Dem Akteninhalt (AS 43) ist zwar zu entnehmen, dass der Unterhaltspflichtige am 4. Mai 1997 einen Arbeitsunfall erlitten hat und bis auf weiteres arbeitsunfähig ist. Ihm werden jedoch weiterhin 80 % seines Einkommens vom Arbeitgeber ausbezahlt. Eine Feststellung der konkreten Verletzungen des Unterhaltspflichtigen und die daraus resultierende Dauer seiner (teilweisen) Erwerbsunfähigkeit und Einkommensminderung erfolgte nicht. Es hätte zusätzlicher Erhebungen, darunter allenfalls der Einholung eines Sachverständigengutachtens, bedurft, welche ohne größere Verzögerung nicht hätten durchgeführt werden können. Das Erstgericht hat zu Recht die Unterhaltsvorschüsse ohne Durchführung dieser Erhebungen in voller Höhe bewilligt, weil es nicht dem Zweck der Bewilligung von Unterhaltsvorschüssen entspricht, ein umfangreiches und zeitaufwendiges Verfahren abzuführen (EFSlg 63.701). Eine derartige Prüfung wird allenfalls in einem Herabsetzungsverfahren zu erfolgen haben (EFSlg 69.486).

Schließlich ist auch die Rechtsrüge, begründete Bedenken gegen das Bestehen (nämlich die Festsetzung) der Unterhaltspflicht ergäben sich daraus, dass die Zulagen, die für die nun mit dem Unterhaltspflichtigen in einem Haushalt lebenden Kinder (seiner derzeitigen Ehegattin) gewährt werden, in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen wurden, nicht berechtigt. Der Revisionsrekurswerber übersieht dabei den Unterschied zwischen der Gehaltsauskunft AS 10, in der die Geburtsdaten zweier Kinder angeführt werden, und jener in AS 43, welche dem Rechtshilfeersuchen angeschlossen ist. Letztere führt keine Geburtsdaten der Kinder, für welche die Zulage gewährt wird, an. Auch wurde der Unterhaltspflichtige im Rechtshilfeweg hiezu nicht befragt. Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers ist nicht zwingend und ohne weitere Erhebungen hieraus abzuleiten, für welche Kinder dem Unterhaltspflichtigen die Zulage gewährt wird, weshalb auch in dieser Hinsicht keine den Anforderungen des § 7 Abs 1 Z 1 UVG gerecht werdende begründete Bedenken vorliegen.

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