OGH 5Ob235/99s

OGH5Ob235/99s16.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Albert Feichtner, Dr. Anneliese Lindhofer, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte ParteiRudolf G*****, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung (Streitwert S 60.000), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. Dezember 1998, GZ 1 R 602/98f-21, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hopfgarten vom 9. August 1998, GZ 2 C 200/98h-13, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Die Klägerin ist zu 441/1624 Anteilen, mit welchen Wohnungseigentum am Geschäftslokal top Nr 5 verbunden ist, Miteigentümerin der EZ ***** Grundbuch *****. Der Beklagte ist zu 551/1624 Anteilen verbunden mit Wohnungseigentum am Geschäftslokal top Nr 1 Miteigentümer derselben Liegenschaft. Die Klägerin hat das Geschäftslokal top Nr 5 im Jahr 1988 mit Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag von der S***** AG erworben, die damals auch noch Wohnungseigentümerin des im Jahr 1991 an den Beklagten verkauften Geschäftslokals Nr 1 war.

Der verfahrensgegenständliche Windfang in der Größe von 33,99 m**2 steht im Wohnungseigentum des Beklagten.

Das Wohnungseigentumsobjekt top Nr 5 ist im ersten Stock des Hauses gelegen, das Objekt top Nr 1 samt streitgegenständlichem Windfang im Erdgeschoß.

In dem zwischen der Klägerin und der S***** AG abgeschlossenen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag wurde in Punkt IV vereinbart:

"Im Wohnungseigentum der Verkäuferin steht ua der Windfang im Erdgeschoß mit einer Fläche von 33,99 m**2, der als Zugang zu den Geschäftslokalen im Erdgeschoß sowie zum Kaufgegenstand, nämlich zur Stiege ins erste Obergeschoß dient. Die Verkäuferin räumt hiemit der Käuferin das Recht ein, den Windfang als Zugang zum Kaufgegenstand ins erste Obergeschoß zu benützen sowie von Gästen und Lieferanten etc benützen zu lassen."

In Punkt V des Vertrages ist festgehalten, dass "der von der Käuferin zu benützende Windfang .... [in beiliegenden Plänen] blau eingefärbelt" ist.

In dem 1991 zwischen der S***** AG und dem Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrag, der auch von der Klägerin mitunterfertigt wurde, wurde dem Kläger die "Benützungsregelung" für den Windfang im Erdgeschoß überbunden.

Bereits bei Kauf der Liegenschaftsanteile durch die Klägerin war der Kaufgegenstand als "Selbstbedienungsrestaurant" und diverse einzeln angeführte Nebenräume bezeichnet. Die Klägerin eröffnete im Jahr 1992 in den Geschäftsräumlichkeiten top Nr 5 im ersten Stock des Hauses einen Restaurantbetrieb, wobei der nördliche Teil des Windfangs von Gästen und Lieferanten als Zugang zum Restaurant benützt wurde. Dieses hatte an Spitzentagen eine Frequenz von 1000 bis 1500 Gästen. Der Beklagte kam damals einer Aufforderung der Klägerin nach und ließ im Windfang abgestellte Rodeln entfernen, um den Restaurantbetrieb nicht zu behindern. Bis zur Schließung des Restaurantbetrieb am 17. 3. 1996 steht nicht fest, dass weiterhin Rodeln abgestellt worden wären. Der Beklagte betreibt in der top Nr 1 des Hauses***** nämlich einen Rodelverleih in relativ kleinem Rahmen. Er verleiht Rodeln an Private und Taxiunternehmer, wobei im Fall des Nachtrodelns die Rodeln abends zum Geschäftslokal des Beklagten zurückgebracht werden und auf der südlichen Seite des nördlichen Windfangteils abgestellt werden. Üblicherweise werden sie mit einer Kette untereinander verbunden. Auf diese Weise wurden in den Saisonen 1996/97 und 1997/98 Rodeln abgestellt, obwohl die Klägerin dem Beklagten dies untersagte. Das Abstellen der Rodeln erfolgte in einer Breite von 1 bis 2 m über die gesamte Tiefe des Windfangs, sodass derselbe in einer Breite von 2 bis 2,5 m (von der ins Hausinnere führenden Türe aus) als Zugang freiblieb. Einige Male kam es jedoch in diesen beiden Wintersaisonen vor, dass Rodeln nicht auf die beschriebene Art und Weise abgestellt wurden, sondern der gesamte nördliche Teil des Windfangs durch ungeordnet abgestellte Rodeln derart verstellt war, dass ein Zugang zur top Nr 5 der Klägerin nur durch Übersteigen der Rodeln bzw Beiseitestellen derselben möglich war. In solchen Fällen wurden die Rodeln jedoch jeweils am nächsten Tag um 6.00 Uhr vom Beklagten wieder geordnet aufgestellt. Ansonsten hat der Beklagte nichts unternommen um ein Abstellen der Rodeln in der beschriebenen ungeordneten Art und Weise zu unterbinden.

Den südlichen Teil des etwa l-förmlig ausgebildeten Windfangs hat der Beklagte kurze Zeit nach Erwerb der top Nr 1 durch Errichtung einer Abmauerung in sein Geschäftslokal integriert (im der Klage beigelegten Plan rot eingezeichnet).

Der nördliche Teil des Windfangs ist etwa rechtwinkelig und weist eine Breite von 3 bis 4 m auf. An der Rückwand des Windfangs befindet sich auf der rechten Seite eine Haustüre, über welche das Stiegenhaus erreicht wird.

Die Klägerin betreibt, wie schon ausgeführt, seit März 1996 das Restaurant nicht mehr. Durch Unterteilung ihres Objekts wurden mehrere Wohneinheiten geschaffen, von denen lediglich eine, die der Geschäftsführer der Klägerin bewohnt, ihren Zugang durch den klagsgegenständlichen Windfang hat.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin den Beklagten zu verpflichten, das Abstellen von Sportgeräten, insbesondere Rodeln im nördlich der Abmauerung befindlichen Windfangteil im Erdgeschoß des Hauses*****, zu unterlassen, eventualiter ihn zu verpflichten, seine Kunden zu verhalten, dass diese das Abstellen von Sportgeräten, insbesondere von Rodeln im genannten Teil des Windfangs unterlassen. Die Klägerin steht dabei auf dem Rechtsstandpunkt, ihr stehe der gesamte Windfang als Zugang zu ihrer Wohnungseigentumseinheit im ersten Stock zur Benützung zu.

Der Beklagte beantragt Abweisung der Klage. Der Klägerin stünden nur insoweit Benützungsrechte zu, als ihr der Zugang zum damaligen Kaufgegenstand eingeräumt worden sei. Diese Nutzungsmöglichkeit sei einschränkend auszulegen und werde durch das Abstellen von Sportgeräten, insbesondere Rodeln, nicht beeinträchtigt.

Das Erstgericht gab ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen dem Klagebegehren statt. Es beurteilte diesen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahin, dass der Klägerin hinsichtlich der gesamten Größe des Windfangs von 33,99 m**2 das Recht der Benützung als Zugang eingeräumt worden sei. Sie müsse daher das Aufstellen von Rodeln, welche Maßnahme sie in der Ausübung ihres Benützungsrechtes behindere, nicht hinnehmen.

Einer dagegen vom Beklagten erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob das erstinstanzliche Urteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Mit Rücksicht darauf, dass aus Anlass der Rechtseinräumung gegenüber der Klägerin der Windfang in seiner Gesamtgröße im Vertrag angeführt worden sei und im beigeschlossenen Plan durch Farbgebung Bezug darauf genommen worden sei, wertete das Berufungsgericht das der Klägerin eingeräumte Recht als Servitut und zwar als eine "gemessene". Aus dem Vertrag gehe hervor, dass die seinerzeitigen Vertragsparteien beabsichtigt hätten, der Klägerin für ihr Restaurant als Zugang den gesamten Windfang zur Verfügung zu stellen. Daraus könne aber nicht zwingend geschlossen werden, dass die seinerzeitigen Vertragsteile die unbeschränkte Nutzung des gesamten Windfangs durch die Klägerin selbst für den Fall, dass dieser nur mehr als Zugang zu einer Wohnung, also in einem sehr eingeschränkten Umfang gegenüber der ursprünglichen Nutzung, benötigt werde, hätten sichern wollen. Zur Auslegung des Titels bedürfe es daher vorerst der Erforschung des Parteiwillens zur Klärung, ob die Vertragsteile auch eine Situation wie die nunmehrige in dem Sinn hätten regeln wollen, dass der Klägerin jedenfalls unbeschränkt der gesamte Windfang als Zugangsmöglichkeit zur Verfügung zu stehen habe. Andernfalls liege eine Regelungslücke vor, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen sei. In diesem Zusammenhang sei auch aufklärungsbedürftig, weshalb die seinerzeitigen Vertragsparteien die ungewöhnliche Konstruktion gewählt hätten, den Windfang zwar der Wohnungseigentumseinheit des Geschäftslokals top Nr 1 zuzuschlagen, dem Eigentümer des Geschäfslokals top Nr 5 aber ein Benützungsrecht daran einzuräumen.

Bei Auslegung des Vertrags und allfälliger Vertragsergänzung sei jedenfalls auch auf den Grundsatz der schonenden Ausübung einer Servitut Bedacht zu nehmen (so schon SZ 32/113). Selbst wenn also die Absicht der seinerzeitigen Vertragsteile darauf gerichtet gewesen wäre, der Klägerin ungeachtet ihrer konkreten Bedürfnisse den gesamten Windfang als Zugang zur Verfügung zu stellen, wäre darauf Bedacht zu nehmen, dass bei Einhalten einer üblichen Gehlinie bei Durchquerung des Windfangs ein ungenützter Raum verbleibe, dessen Nutzung durch den Beklagten keinerlei Beeinträchtigung des Rechts der Klägerin darstellen könne. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren auch die Möglichkeit einer eingeschränkten Klagsstattgebung als minus gegenüber dem Klagebegehren zu bedenken und mit den Parteien zu erörtern haben, inwieweit ein "geordnetes" Abstellen von Sportgeräten im beschriebenen Teil des Windfangs eine ernstliche Beeinträchtigung für die Klägerin begründen würde.

Weil die bisherigen Sachverhaltsgrundlagen nicht ausreichten, um den Unterlassungsanspruch der Klägerin abschließend zu beurteilen, trug das Berufungsgericht dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung in diesem Sinn auf.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige und dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil durch höchstgerichtliche Rechtsprechung noch nicht ausreichend geklärt sei, inwieweit ein Dienstbarkeitsberechtigter sich bei verminderten Bedürfnissen eine räumliche Einschränkung der Dienstbarkeitsfläche zur Ausübung eines Zugangsrechts gefallen lassen müsse.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Der Beklagte beantragt in seiner Rekursbeantwortung eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise beantragt er sinngemäß, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Eingangs ist klarzustellen, dass die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren nicht dahin eingegrenzt hat, dem Beklagten solle die Unterlassung des Abstellens von Sportgeräten im Eingangsbereich so weit untersagt werden, als dadurch der Zugang zum Objekt der Klägerin erschwert oder verunmöglicht werde, sondern ihr unbeschränktes Unterlassungsbegehren darauf gegründet hat, ihr stehe das Benützungsrecht am gesamten Windfang zu, weshalb der Beklagte überhaupt nicht berechtigt sei, dort Sportgeräte abzustellen. Unter diesem Aspekt wäre die vom Berufungsgericht ins Auge gefasste "Teilabweisung" allerdings kein minus, sondern ein aliud und käme daher dann nicht in Betracht, wenn das Begehren der Klägerin, dem Beklagten jedwedes Abstellen von Sportgeräten zu untersagen, nicht berechtigt wäre.

Zur Klärung der im gegenständlichen Verfahren zunächst wesentlichen Frage, ob das der Klägerin eingeräumte Recht am Eingangsraum (Windfang) dem beklagten Eigentümer jegliche andere Benützung (konkret das Abstellen von Sportgeräten) verbietet, kommt es zunächst nicht darauf an, ob sich der Bedarf der Klägerin geändert hat, sondern ausschließlich auf den titelmäßigen Umfang der ihr zustehenden Befugnis.

Den vom Berufungsgericht getätigten, vom erkennenden Senat grundsätzlich gebilligten Ausführungen sind aber noch folgende Erwägungen voranzustellen:

In untrennbarem Zusammenhang mit dem Umfang des der Klägerin eingeräumten Rechts steht dessen Rechtsnatur. Die Klägerin beruft sich zwar auf eine "Benützungsregelung" zwischen zwei Wohnungseigentümern an einem im Wohnungseigentum des Beklagten stehenden Raum, dessen Zweckbestimmung einer ausschließlichen Benützung aber anscheinend entgegensteht (§ 1 Abs 4 WEG). Träfe das zu, handelte es sich um einen allgemeinen Raum (wozu ausreicht, dass auch Dritte auf dessen Benützung angewiesen sind: SZ 69/68), an dem WE gar nicht begründet werden könnte bzw die Begründung von WE nichtig wäre (RS0097520). Eine Benützungsregelung an allgemeinen Teilen des Hauses setzt aber deren rechtliche Verfügbarkeit und die Einstimmigkeit voraus (gemeinsame Teile in Sondernutzung: SZ 50/163; MietSlg 30.582).

Diese Fragen müssen im erneuerten Verfahren vorweg geklärt werden, weil, wenn sich die Qualität des Windfangs als allgemeiner Teil im Sinn des § 1 Abs 4 WEG herausstellt, eine Benützung durch den Beklagten zum Abstellen von Sportgegenständen ohnedies von Vornherein unzulässig wäre.

Nur andernfalls, wenn sich die rechtliche Verfügbarkeit des Windfangs durch Vereinbarung zwischen zwei Wohnungseigentümern ergeben sollte, ist die Ermittlung des Umfangs des der Klägerin eingeräumten Rechts, wie oben ausgeführt, erforderlich.

Mit dieser Einschränkung teilt der erkennende Senat die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass zur Klärung des Umfangs der der Klägerin eingeräumten Rechts eine Ergänzung des erstinstanzlichen Verfahrens zur Verbreiterung des Sachverhalts erforderlich ist.

Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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