Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der am 2. Oktober 1980 geborene Nikola T***** der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB in zwei Fällen (A I und II) und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (B) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien
(zu A) I am 15. April 1998 Melitta P***** durch einen Schuss aus einer Pistole in den Hals, und
II am 23. Juli 1998 Friedrich K***** durch zahlreiche Axthiebe und Messerstiche gegen den Kopf, den Rumpf und die Beine
vorsätzlich getötet;
(zu B) am 15. April 1998 durch die unter Punkt A I geschilderte Handlung der Melitta P***** mit Gewalt gegen ihre Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Bargeldbetrag von 6.000 S mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Pistole zunächst gegen ihren Oberkörper richtete, Geld forderte und, als sie sich weigerte, auf sie schoss.
Die Geschworenen haben die (jeweils das Tatopfer Melitta P***** betreffende) Hauptfrage I nach Mord und die Hauptfrage II nach schwerem Raub unter Verwendung einer Waffe stimmeneinhellig bejaht. Die nur für den Fall der Verneinung dieser Hauptfragen gestellte Eventualfrage I nach schwerem Raub mit Todesfolge unter Verwendung einer Waffe (§§ 142 Abs 1, 143 zweiter und letzter Fall StGB) blieb folgerichtig unbeantwortet.
Die auf das Verbrechen des Mordes zum Nachteil des Friedrich K***** gerichtete Hauptfrage III wurde von den Geschworenen im Stimmenverhältnis 7:1 bejaht, weshalb die nur für den Fall deren Verneinung gestellte Eventualfrage II nach dem Verbrechen der absichtlich schweren Körperverletzung mit Todesfolge (§ 87 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB) zu Recht unbeantwortet blieb. Andere Fragen wurden den Geschworenen nicht gestellt.
Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der indes keine Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Soweit der Beschwerdeführer zunächst in seiner Rüge über die Fragestellung (Z 6) zur Hauptfrage I die Unterlassung der Stellung weiterer Eventualfragen nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB und nach § 87 Abs 1 und Abs 2 (zweiter Fall) StGB moniert, übersieht er, dass eine durch Gewaltanwendung im Rahmen eines Raubes herbeigeführte, nicht als Mord (§ 75 StGB) zu beurteilende Todesfolge durch die Subsumtion der Tat unter die Qualifikationsnorm des § 143 letzter Fall StGB (Raub mit zumindest fahrlässig - § 7 Abs 2 StGB - zu verantwortender Todesfolge) bereits voll erfasst wird; eine gesonderte Zurechnung als Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83, 86 StGB) oder als Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge (§ 87 Abs 1 und Abs 2 StGB) kommt mithin bei einer derartigen Fallkonstellation nicht in Betracht (vgl SSt 55/43; Leukauf/Steininger Komm3 § 142 RN 37; Eder/Rieder in WK2, § 143 Rz 28, 29 mwN).
Der Angeklagte war stets geständig, mit dem auf Melitta P***** abgefeuerten und letztlich für deren Tod kausalen Pistolenschuss Gewalt zur Durchsetzung seines Raubvorhabens angewendet zu haben (vgl S 69 c und 91/I, 13/V). Seiner Verantwortung, ohne Tötungsvorsatz gehandelt zu haben (S 13 ff/V), wurde vom Schwurgerichtshof durch Stellung der Eventualfrage I (siehe oben) Rechnung getragen.
Auch die weiteren, den Schuldspruch zu A II (Tötung des Friedrich K*****) betreffenden Ausführungen der Fragestellungsrüge gehen ins Leere.
Entgegen der Beschwerdeauffassung war die Stellung einer auf Totschlag abzielenden Eventualfrage nicht indiziert. Denn selbst wenn man der durch das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Werner L***** (ON 60; S 63ff und 133/V) gestützten Verantwortung des Beschwerdeführers folgt, wonach er sich in einer heftigen, durch seine Adoleszenzkrise und durch die Konfrontation mit homosexuellen Handlungen des Friedrich K***** ausgelösten Gemütsbewegung, zur Tat hinreißen habe lassen, war diese jedenfalls bei Anwendung eines hiefür erforderlichen objektiv-normativen Maßstabes nicht allgemein begreiflich. Dies wäre nur dann der Fall, wenn auch ein Mensch von durchschnittlicher Rechtstreue und mit vergleichbaren sozio-psycho-physischen Eigenschaften sich vorstellen könnte, er wäre in der Lage des Täters beim gegebenen Anlass samt seiner Vorgeschichte in eine derart heftige Gemütsbewegung geraten. Insofern ist die allgemeine Begreiflichkeit auch individualisierend zu interpretieren. Jugendliche (wie hier der Angeklagte) sind demnach an der Vergleichsfigur eines an sich rechtstreuen Jugendlichen, der unter ähnlichen Umständen aufgewachsen ist, zu messen (vgl Kienapfel BT I4 § 76 StGB Rz 26).
Vorliegend ist der Angeklagte, dessen Eltern Angehörige einer rumänischen Minderheit in Serbien sind, in Österreich geboren und hier aufgewachsen, hat gemäß der Tradition seiner Sippe bereits 1996 geheiratet und wurde im März 1997 Vater einer Tochter. Er war somit bei der Straftat vom 23. Juli 1998 sexuell nicht unerfahren. Sein nunmehr erster homosexueller Kontakt (Oralverkehr an ihm und Analverkehr an Friedrich K***** war ihm zunächst durchaus nicht unangenehm (vgl S 45/V). Wenn ihn seiner Verantwortung gemäß Friedrich K***** in der Folge auch zur Duldung des Analverkehr aufgefordert und ihm wegen seiner Weigerung einen Faustschlag versetzt haben soll, wird selbst unter Bedachtnahme auf die in der Beschwerde relevierten psychischen Zusammenhänge - aber auch unter Beachtung des Umstandes, dass der Angeklagte nur wenige Monate zuvor bei einem Raubüberfall eine Frau getötet hat - keine Situation aufgezeigt; welche jene derart heftige Gemütsbewegung, wie sie vom Beschwerdeführer behauptet wird, allgemein verständlich erscheinen lässt. Denn einen Jugendlichen mit Sexual- (und Drogen-)erfahrung konnte es anlässlich einer ihm anfangs durchaus genehmen homosexuellen Begegnung kaum bestürzen, dass sein Partner gleichartige Sexualpraktiken, die er soeben selbst vorgenommen hat, auch von ihm fordert.
§ 314 StPO ist aber auch durch die Unterlassung der Stellung einer weiteren Eventualfrage in Richtung des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83 Abs 1, 86 StGB) nicht verletzt.
In Ansehung der Tötung des Friedrich K***** lautete der erst in der Hauptverhandlung auf das Verbrechen des Mordes modifizierte (S 129 f/V) Anklagevorwurf ursprünglich auf das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge nach § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (Punkt C der Anklageschrift ON 74). Zu diesem Anklagevorwurf hatte sich der Beschwerdeführer grundsätzlich schuldig bekannt (S 7/V). Eine entsprechende Frage wurde demgemäß auch in den Fragenkatalog aufgenommen (Evenualfrage II).
Seine in der Beschwerde zitierte Verantwortung, wonach er Friedrich K***** nur verletzen, ihm weh tun wollte, sich jedoch über die Art der Verletzungen kein näheres Bild gemacht habe (S 41/V), reicht fallbezogen als Tatsachensubstrat für die Stellung der begehren Eventualfrage nicht aus. Bei den vom Beschwerdeführer verwendeten Tatwerkzeugen und der Art der Angriffshandlungen (mehrfache Axthiebe gegen den Kopf sowie zahlreiche Messerstiche in das Genick, den Oberkörper und die Beine seines Opfers Friedrich K*****) wäre ein bloßer Verletzungsvorsatz im Sinn des § 83 Abs 1 StGB nämlich nur dann indiziert gewesen, wenn der Beschwerdeführer die ihm in der Anklage vorgeworfene Absicht auf Zufügung schwerer Körperverletzungen (entgegen seiner tatsächlichen Einlassung) ausdrücklich bestritten hätte.
Verfehlt ist schließlich auch der Einwand, das Erstgericht habe infolge Unterbleibens einer Zusatzfrage zur Hauptfrage III auf Vorliegen des Strafausschließungsgrundes der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) die Bestimmung des § 313 StPO verletzt. Unter Hinweis auf das schriftliche (ON 60) und in der Hauptverhandlung mündlich erläuterte (S 63 ff/V) Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Werner L***** behauptet hiezu der Beschwerdeführer, bei der Tötung des Friedrich K***** diskretions- und dispositionsunfähig gewesen zu sein.
Dem ist zu erwidern: Schon nach seinem schriftlichen Gutachten hat der Sachverständige Dr. L***** eine Dispositionsunfähigkeit (nicht auch eine Diskretionsunfähigkeit), nur "bezüglich der letzten brutalen Handlungen, die dann tatsächlich zur Tötung führten", angenommen (S 393/IV). Dieses Gutachten stützte der Sachverständige auf die "Hypothese" (S 71/V) einer beim Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt vorgelegenen ungesteuerten, überschießenden und sinnlosen Reaktion des sogenannten "Overkill". Hierunter sei eine panische, letztlich steuerungslos ablaufende Primitivhandlung zu verstehen, mit der die unerträgliche Konfrontation mit dem eigenen unbewältigten Problem beseitigt werden soll (S 389 f/IV).
Dieses schriftliche Gutachten wurde vom Sachverständigen in der Hauptverhandlung dahin erläutert, dass der Beginn der beim Beschwerdeführer allenfalls vorhandenen "Overkill"-Reaktion (und damit auch seiner Dispositionsunfähigkeit) erst ab dem Zeitpunkt anzunehmen sei, ab dem sein Opfer bereits wehrlos war, sodass die folgenden weiteren Attacken auf Friedrich K***** zur Beendigung der körperlichen Auseinandersetzung gar nicht mehr erforderlich gewesen wären (S 81 ff/V).
Wehrlos war Friedrich K***** nach der Verantwortung des Beschwerdeführers aber erst, nachdem er K***** mit einem Messer in das Genick gestochen und mehrere Axthiebe auf den Kopf versetzt hatte (S 57 f/V). Schon diese Angriffshandlungen, die zu Eröffnungen der Schädelhöhle des Friedrich K***** geführt hatten, waren nach dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. Wolfgang D***** jedoch (S 117 ff/V) potentiell lebensbedrohend. Auch wenn der Tod des Friedrich K***** letztlich auf das Zusammenwirken dieser Verletzungen mit jenen Stichwunden, die der Beschwerdeführer seinem Opfer erst danach am Rumpf und an den Beinen zufügte, zurückzuführen ist, hätten nach dem genannten Gutachten die Verletzungen im Schädelbereich wegen der dort eröffneten großen Blutaderäste bereits für sich allein ausgereicht, die zum Tod führende Luftembolie des Herzens nach sich zu ziehen (S 117, 119, 123, 125/V).
Nach der Sachverhaltsschilderung des Beschwerdeführers in Verbindung mit dem gerichtsmedizinischen Gutachten ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seinem Opfer tödliche Verletzungen am Kopf bereits vor jenem Zeitpunkt zugefügt hat, ab dem er ihm, allenfalls im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit, zusätzliche Messerstichverletzungen beigebracht hat. Für die begehrte Stellung einer Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit bestand demnach kein Anlass.
Den Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO bringt der Beschwerdeführer nicht zur prozessordnungsgemäßen Darstellung, weil er die Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung lediglich behauptet, ohne deren angebliche Lücken auch aufzuzeigen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als unbegründet zu verwerfen.
Auch die Berufung ist unbegründet.
Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB unter Anwendung des § 5 Z 2 lit a JGG und unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren. Dabei wurde die Wiederholung des Verbrechens des Mordes, das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen, die grausame Handlungsweise in Bezug auf das Faktum A II und das lange qualvolle Leiden des Opfers des Faktums A I als erschwerend gewertet, als mildernd hingegen das Teilgeständnis zum Faktum B, der Beitrag zur Wahrheitsfindung hinsichtlich der Fakten A I und II, die Enthemmung durch Alkohol bezüglich des Faktums A II, sowie die bisherige Unbescholtenheit.
Damit hat das Geschworenengericht die maßgeblichen Strafzumessungsgründe im Wesentlichen vollständig erfasst, aber auch zutreffend gewürdigt. Dass der Berufungswerber ernstlich Reue zeigte, fällt neben dem ohnedies angenommenen Milderungsgrund des (Teil-)Geständnisses und des Beitrages zur Wahrheitsfindung nicht ins Gewicht (s § 34 Z 17 StGB). Der Berufungsauffassung zuwider kommt dem Angeklagten der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 8 mangels einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung nicht zugute. Dagegen wurde das lange, qualvolle Leiden der Melitta P***** zu Recht als erschwerend berücksichtigt, ohne dass hiedurch gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen worden wäre, weil ein solches, durch die Tat bewirktes Siechtum des Opfers vor seinem Ableben über "Normalfälle" des Mordes hinausgeht, welche die gesetzliche Vertypung im Auge hat (vgl Mayerhofer/Rieder StGB4 § 32 E 22a).
Der Oberste Gerichtshof sah sich daher zu einer Reduzierung des Strafmaßes nicht veranlasst.
Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)