OGH 11Os36/00 (11Os37/00)

OGH11Os36/00 (11Os37/00)16.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Mai 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Graf als Schriftführer, in der Strafsache gegen Harald R***** wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Anklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 21. Jänner 2000, GZ 37 Vr 1914/99-54 nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Dr. Bierlein, und des Verteidigers Dr. Helmut Schott, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird (soweit sie sich auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO stützt) verworfen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil gemäß § 290 Abs 1 StPO in seinem Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG (Faktum 2.), demgemäß auch im Strafausspruch (mit Ausnahme des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung), weiters auch der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs 2. und im darauf bezughabenden Strafausspruch an das Bezirksgericht Salzburg verwiesen. Für das ihm weiter zur Last liegende Verbrechen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB wird Harald R***** nach § 87 Abs 1 StGB zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Gemäß § 53 Abs 1 StGB, § 494 Abs 1 Z 4 StPO wird die dem Genannten zu AZ 42 BE 89/98 des Landesgerichts Salzburg gewährte bedingte Entlassung aus Freiheitsstrafen widerrufen.

Mit seiner Strafzumessungsrüge (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO), seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Harald R***** des Verbrechens der versuchten absichtlich schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG schuldig erkannt. Danach hat er in Salzburg

1) am 28. August 1999 absichtlich versucht, Ferdinand H***** eine schwere Körperverletzung zuzufügen, indem er ihm ein Messer in den rechten Brustkorb und den linken Unterschenkel stieß und dadurch eine ca. 8 cm lange und 1 cm tiefe Stichwunde im Unterhautgewebe verursachte, wobei es durch die körperliche Konstitution des Opfers infolge ausgeprägter Brustdrüsenbildung nicht zur Eröffnung der Brusthöhle kam, sowie

2) am 24. September 1999 den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift, nämlich 15,2 Gramm Cannabisharz besessen. Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet pauschal eine unzureichende Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite, ohne jedoch aufzuzeigen, welche Fehler der - denkmöglich und mängelfrei auf den objektiven Tathergang, die Persönlichkeit und das Vorleben des Beschwerdeführers gestützten - erstgerichtlichen Beweiswürdigung hiezu (US 14 f) anhaften sollen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Zugeständnis, dass "einige Indizien für eine Täterschaft des Angeklagten sprechen mögen", und der Forderung, ihn dennoch nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" freizusprechen, keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der entscheidenden Urteilsannahmen zu erzeugen, sondern argumentiert - überdies substratlos - nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Die Subsumtionrüge (Z 10) geht nicht von den tatsächlichen Urteilsannahmen erster Instanz aus und ist somit zur Gänze nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt. Mit der Behauptung, eine Verurteilung wegen § 87 Abs 1 StGB sei nicht möglich, weil nur eine an sich leichte Körperverletzung vorlag, vernachlässigt sie, dass der Schuldspruch (nur) wegen versuchter absichtlich schwerer Körperverletzung erfolgte. Soweit sie die von den Tatrichtern ausdrücklich festgestellte (US 6) Absicht des Angeklagten bestreitet, orientiert sie sich nicht am Urteilssachverhalt, der allein Basis für die erfolgreiche Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes sein kann (Mayerhofer StPO4 § 281 E 30).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher, soweit sie sich auf die angeführten Gründe stützt, zu verwerfen.

Rechtliche Beurteilung

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass das Urteil mit dem nicht geltend gemachten, jedoch von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO behaftet ist.

Dem Angeklagten liegt zum Schuldspruch 2. zur Last, anlässlich seiner (neuerlichen) Festnahme am 24. September 1999 15,2 Gramm Cannabisharz besessen zu haben (US 2 iVm US 9). Es unterblieb die bei dieser Sachlage gebotene Beachtung des bedingt temporären sachlichen Strafausschließungsgrundes nach § 37 (iVm § 35 Abs 1) SMG, obwohl die bisher als Beweismittel in Betracht kommende Verantwortung des Angeklagten (S 313/I; 6, 10/II) den Besitz einer nur geringen Menge Suchtgift (vgl EvBl 1999/166) zum eigenen Gebrauch im Sinn des § 35 Abs 1 SMG indizierte.

Der Umstand, dass Harald Günther R***** auch wegen des (mit dem Suchtmittelgesetz nicht im Zusammenhang stehenden) Verbrechens der versuchten absichtlichen Körperverletzung schuldig erkannt wurde, hindert die Möglichkeit der vorläufigen Verfahrenseinstellung nicht (Foregger/Litzka/Matzka SMG § 35 Erl IV.3.).

Die aufgezeigte materiellrechtliche Nichtigkeit (Z 9 lit b - Foregger/Litzka/Matzka aaO § 37 Erl III.) zwingt zur Kassation des betroffenen Schuldspruchs (2.) und demgemäß auch des Strafausspruchs sowie des gemäß § 494a StPO gefassten Beschlusses, weil die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat.

Einer Aufhebung auch des (irrtümlich in Beschlussform erfolgten) Urteilsausspruchs gemäß § 34 SMG über die Einziehung des sichergestellten Suchtgifts bedurfte es dabei nicht, weil diese nicht davon abhängt, dass eine bestimmte Person als Täter verurteilt wird, sondern auch in einem freisprechenden Urteil und in einem objektiven Verfahren möglich ist (Foregger/Litzka/Matzka aaO § 34 Erl VI). Mit Rücksicht auf das vergleichsweise geringe Gewicht des im zweiten Rechtsgang (vom Bezirksgericht - Mayerhofer aaO § 288 E 48) neuerlich zu prüfenden Anklagevorwurfs sowie im Hinblick auf die aufrechte Untersuchungshaft und im Interesse eines möglichst raschen Strafvollzugs (§ 397 StPO) ist die Verweisung der Sache nur im Umfang des von der Kassation betroffenen Teils des Urteils und die sofortige Straffestsetzung durch den Obersten Gerichtshof in Bezug auf das dem Angeklagten weiterhin zur Last fallende Verbrechen der versuchten absichtlichen Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (1.) - einschließlich der Entscheidung gemäß § 494a StPO - geboten (Mayerhofer aaO § 289 E 17; 13 Os 13/97; 11 Os 46/99; 15 Os 59/99). Dabei fallen die vier einschlägigen Vorstrafen als erschwerend, der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist, hingegen als mildernd ins Gewicht. Wenngleich der Erfolgsunwert der Tat in Hinblick darauf, dass sie - infolge Verbleibens im Versuchsstadium - letztlich nur zu einer an sich leichten Verletzung führte, nicht gravierend ist, gebieten der in ihr zum Ausdruck gebrachte hohe Handlungsunwert und die schwere persönliche Täterschuld des gänzlich leugnenden und als Gewalttäter massiv vorbelasteten Angeklagten, bei dem sogar die Voraussetzungen des § 39 StGB vorliegen (Vorstrafen Punkte 7 und 9 der Strafregisterauskunft, S. 15/I) und der nur knapp 11 Monate nach seiner bedingten Entlassung aus (ua) einer wegen Mordes über ihn verhängten zehnjährigen Freiheitsstrafe innerhalb offener Probezeit rückfällig wurde, eine fünfjährige Freiheitsstrafe als tat- und tätergerechte Sanktion. Einer Anwendung des § 39 StGB bedurfte es jedoch nicht.

Zusätzlich ist bei Harald R***** aus spezialpräventiven Gründen auch der Widerruf der ihm zu AZ 42 BE 89/98 des Landesgerichts Salzburg gewährten bedingten Entlassung geboten, zumal ihn in der Vergangenheit weder Androhungen noch Vollzüge von Strafen davon abgehalten haben, rückfällig zu werden, dies sogar zweimal während laufenden Haftvollzugs.

Mit seiner Strafzumessungsrüge, seiner Berufung und seiner Beschwerde war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

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