OGH 8ObA333/99z

OGH8ObA333/99z13.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinz Nagelreiter und Dr. Eberhard Piso als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Johann K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dkfm. Peter P*****, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 500.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. September 1999, GZ 8 Ra 212/99a und 8 Ra 213/99y-27, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. April 1998, GZ 8 Cga 5/99x-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.375,-- (darin S 3.652,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der 1946 geborene Beklagte, ein Absolvent der nunmehrigen Wirtschaftsunsiversität, war bei der beklagten Partei, die marktbeherrschend im Bereich der Produktion und des Vertriebes von Gewürzen tätig ist, viele Jahre als Angestellter, zuletzt als einzelvertretungsbefugter Geschäftsführer mit dem Schwerpunkt Verkauf und Marketing, vor allem bei der Kundenbetreuung und Steuerung des Außendienstes tätig.

Im Jahre 1994 wurde zwischen den Streitparteien folgende Konkurrenzklausel vereinbart:

"Nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses ist es dem Dienstnehmer für die Dauer eines Jahres untersagt, im Geschäftszweig der Gesellschaft (laut Produktpalletenliste, die jeweils im Jänner jeden Kalenderjahres einverständlich zu erstellen und gegenzuzeichnen ist) einer Erwerbstätigkeit, welcher Art auch immer, nachzugehen. Im Übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 36 und 37 AngG."

Im Laufe der Zeit zeigte sich Mag. Erwin K***** mit dem Führungsstil des Beklagten, seiner Personalauswahl und in Fragen der Budgetierung nicht einverstanden. In einem persönlichen Gespräch am 6. 3. 1998 sprach er dem Beklagten die Kündigung unter Anführung der Gründe für die Beendigung des Dienstverhältnisses aus. Schriftlich wurde die Dienstgeberkündigung unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zum 30. 9. 1998 im Schreiben vom 9. 3. 1998 festgehalten. In der Folge unterbreitete der Beklagte mit Schreiben vom 24. 3. 1998 der Klagsseite einen Vorschlag hinsichtlich der Beendigung des gegenständlichen Arbeitsverhältnisses im Einvernehmen zu einem früheren möglichen Zeitpunkt, wobei er den 30. 4. oder 31. 5. 1998 vorschlug, sowie Abrechnungsvorschläge insbesondere betreffend die Cash-flow-Prämie, die Firmenpension, die Abfertigung und den Dienst-PKW. Man einigte sich auf die Beendigung des gegenständlichen Dienstverhältnisses im beiderseitigen Einvernehmen per 31. 7. 1998; es erfolgte auch eine einvernehmliche Endabrechnung, die beiden Seiten die für sie jeweils steuerlich günstigste Variante ermöglichte. Insgesamt wurde dem Beklagten aus der Beendigung dieses Dienstverhältnisses unter Abzug von S 420.000,-- für den Kauf des Dienstwagens S 1,376.658,23 netto bezahlt. Über die Konkurrenzklausel wurde weder im Zuge der Dienstgeberkündigung im März 1998 noch im Zuge der einvernehmlichen Beendigung mit Juli 1998 gesprochen.

Zwischen Juli 1998 und Oktober 1998 war der Beklagte in der Fleisch- und Tiefkühlbranche, wenn auch zu einem wesentlich geringerem Gehalt tätig.

Im Oktober 1998 wurde der Beklagte von einem Konkurrenzunternehmen mit derselben Produktpallette und demselben räumlichen Bereich (nämlich Österreich und die osteuropäischen Länder) betreffend Produktentwicklung, Sortimententwicklung und Marketingplänen, insbesondere in Zusammenarbeit mit einer holländischen Gewürzfirma angesprochen. Der Beklagte arbeitet seitdem als freier Mitarbeiter für das Konkurrenzunternehmen und bezieht ein Einkommen, welches um 20 % geringer ist, als jenes, dass er bei der klagenden Partei bezogen hat. Der Beklagte stellte seine geschäftlichen Verbindungen mit der Konkurrenzfirma in Zeitungen vor und wandte sich auch mit persönlichen Schreiben im Dezember 1998 an verschiedene Handelsposten der klagenden Partei. In diesen Schreiben verwies er darauf, dass er 52jährig mit vier Kindern über Nacht vor die "Gewürztür" gesetzt worden war, und kündigte an, dass er gemeinsam mit dem Konkurrenzunternehmen ein Gewürzprodukt in Österreich und anderen Ländern starten werde, aus der eine neue europäische Gewürzmarke entstehen werde.

Der Beklagte ist derzeit sorgepflichtig für seine Ehefrau und vier Kinder. 1997 begann er einen Hauszubau an seinem Wohnhaus im Umfang von S 2,600.000,--. Die monatlichen Fixkosten inklusive Kreditrückzahlung wie auch Versicherungen betragen ca S 55.000,--.

Die Vorinstanzen haben dem Unterlassungsbegehren stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, für die Dauer eines Jahres nach Beendigung des Dienstverhältnisses jede konkurrenzierende Tätigkeit im Geschäftszweig der klagenden Partei, insbesondere jede selbständige oder unselbständige beratende oder sonstige Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Konkurrenzunternehmen, für das der Beklagte nunmehr tätig ist, zu unterlassen.

Rechtliche Beurteilung

Zur Zulässigkeit der Revision ist zu erwägen:

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit der Revision an sich nach § 46 Abs 3 Z 1 ASGG zu beurteilen ist. Es ist nicht notwendig, dass die Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Verfahren die entscheidende Hauptfrage ist; es genügt vielmehr, dass die Lösung dieser Frage eine Voraussetzung der Entscheidung über das Klagebegehren ist (Kuderna ASGG2 280 mwN). Im vorliegenden Fall ist die zwischen den Parteien strittige Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Kündigung durch die klagende Partei oder einvernehmliche Auflösung) Voraussetzung für die Berufung der klagenden Partei auf die vereinbarte Konkurrenzklausel. Zwar hat es das Berufungsgericht unterlassen, ausdrücklich im Spruch der Entscheidung über den Wert des Entscheidungsgegenstandes, der hier nicht in einem Geldbetrag besteht, abzusprechen, doch ist aus der Begründung (S 43) der Entscheidung eindeutig ersichtlich, dass es das Klagebegehren mit einem über S 52.000,-- liegenden Betrag bewertet wissen wollte, sodass eine formelle Nachholung dieses Ausspruchs durch das Berufungsgericht (dazu Kuderna aaO 282) unterbleiben kann.

Dem Berufungsgericht ist aber auch darin zu folgen, dass die Beschwer der klagenden Partei weggefallen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse, voraus; es ist nicht Sache der Rechtsmittelinstanzen, rein theoretische Fragen zu entscheiden (SZ 49/22; 53/86; 61/6 uva; Fasching Komm IV 13 f und LB2 Rz 1709 ff; Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 9 vor § 461). Die Beschwer muss nach nunmehr herrschender Auffassung zur Zeit der Einlegung des Rechtsmittels gegeben sein und zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen (SZ 61/6 mwN).

Dies ist hier nicht der Fall. Zwischenzeitig ist nämlich - und zwar bereits zur Zeit der Entscheidung der zweiten Instanz - die Jahresfrist seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelaufen und der Beklagte nunmehr seit 1. 8. 1999 durch keine Konkurrenzklausel mehr beschränkt. Dass der Beklagte dem Unterlassungsverbot zuwiderhandeln könnte, ist somit begrifflich ausgeschlossen; eine Exekutionsführung der klagenden Partei aufgrund eines der Klage stattgebenden Urteils kommt nicht in Frage (§ 355 EO). Die Revision des Beklagten kann demnach ihren eigentlichen Zweck, die Beseitigung eines vollstreckbaren Unterlassungsurteils zu erwirken, nicht mehr erreichen (SZ 61/6).

Die Entscheidung über die Revision würde demnach ohne in der Hauptsache praktische Auswirkungen zu haben, nur der Klärung einer theoretischen Frage dienen; gerade das ist aber nach dem oben gesagten nicht Aufgabe der Gerichte.

Der Oberste Gerichtshof verkennt dabei nicht, dass die Entscheidung über die Revision allerdings insofern praktisch-wirtschaftliche Bedeutung hätte, als von der Entscheidung in der Hauptsache auch das Schicksal der Prozesskosten abhängt. Das in der Hauptsache fehlende Anfechtungsinteresse kann jedoch nicht durch das Interesse an der Beseitigung der Kostenentscheidung der zweiten Instanz ersetzt werden, ist doch die Entscheidung der Gerichte zweiter Instanz im Kostenpunkt gemäß § 528 Abs 1 Z 2 ZPO unanfechtbar (SZ 61/6; Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 9 vor § 461 ZPO mwN; zur Beschwer des Berufungswerbers an der Beseitigung des Kostenausspruchs der ersten Instanz und die hiezu ergangene Lehre und Rechtsprechung vgl die bereits mehrmals zitierte SZ 61/6).

Der beklagte Revisionswerber meint, an der Beseitigung des Unterlassungsverbots aber insoweit ein gravierendes Interesse zu haben, als aufgrund der von den Vorinstanzen festgestellten Verletzung der Konkurrenzklausel die klagende Partei Schadenersatzansprüche gegen ihn geltend machen könnte.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die klagende Partei weder Schadenersatzansprüche geltend gemacht noch ein Begehren auf Feststellung der Haftung für künftige Schäden, die aus der Verletzung der Konkurrenzklausel entstehen könnten, gestellt hat. Ein über das zeitlich überholte Unterlassungsverbot hinausreichendes Interesse an der Überprüfung des zweitinstanzlichen Urteils liegt somit nicht vor. Wenn auch im stattgebenden Unterlassungsbegehren denknotwendiger Weise auch die Feststellung enthalten ist, das der Beklagte gegen die Konkurrenzklausel verstossen hat, kommt dem vorliegenden zweitinstanzlichen Urteil in einem nachfolgenden Schadenersatzprozess keine Bindungswirkung zu. Eine solche hätte nur durch das erwähnte, nicht erhobene Feststellungsbegehren erreicht werden können.

Hieraus folgt, dass die Revision des Beklagten gegen das klagsstattgebende, zeitlich aber überholte Unterlassungsurteil mangels Beschwer zurückzuweisen ist und eine sachliche Auseinandersetzung mit den Revisionausführungen des Beklagten daher zu unterbleiben hat.

Der klagenden Partei sind die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen, weil sie dort auf die nicht erst nachträglich eingetretene Unzulässigkeit der Revision mangels Beschwer hingewiesen hat.

Stichworte